Vedanta in der modernen Zeit

Zitate gesammelt und gekürzt von Bernd Zeiger

1955 bis 2025

Die Zitate aus dem angegebenen Zeitraum werden ständig ergänzt und in weiterführenden Links erläutert.

Der Zweck der Zitatensammlung ist weniger die Begriffsbestimmung von „transzendental“, die lässt sich leicht in Lexika finden, sondern die mit dem Begriff verbundenen theoretischen und praktischen Konsequenzen. Die zeitliche Reihenfolge der Zitat entspricht in etwa ihrer Relevanz für die Beziehung zwischen geistigen Techniken (insbesondere Meditation) und dem Erkenntnisstreben des Menschen (akademisch meist Philosophie genann):  Dieses Beziehung ist nicht statisch sondern durchläuft charakteristische Entwicklungsschritte, auch Bewusstseinszustände genannt. Während Veda die gesamte Dynamik des Bewusstseins und seiner Entwicklung kennzeichnet; charakterisiert Vedanta (wörtlich "Ende des Veda") die Synthese dieser Dynamik in einer allumfassenden Realität – Brahman –, dem Ziel der Bewusstseinsentwicklung. 


Chronologischer Überblick der zitierten Erkenntnisse teilweise mit Links zu ausführlichen Zusammenfassungen und Erläuterungen:

1950er Jahre:

1960er Jahre
 
1970er Jahre
akademische Arbeiten: Kant und Transzendentale Meditation 
1980er Jahre
 
1990er Jahre
  • C. F. v. Weizsäcker, Th. Görnitz: transzendentale Begründung der Quantenmechanik Bald
 
21. Jahrhundert
        • Harald S. Harung, Frederick Travis: Excellence through Mind-Brain Development.Bald
        • Thomas Metzinger: Bewusstseinskultur Bald
        • Tony Nader: Consciousness Is All There Is  October 2024

Unbemerkt von der Mehrheit der Menschen erlangte Anfang des 21. Jahrhunderts die in Indien überlieferte vedische Kultur den Status eines Bezugssystems für die weitere Entwicklung der modernen globalen technischen Zivilisation. Der Grund dafür sind die dort überlieferten und seit Jahrtausenden bewährten Erkenntnisse und Methoden. die für jede Kultur überall auf der Erde relevant sind. 
Dazu zählt auch das Vedanta-System. Europäische Philosophen und Philologen waren die Ersten, die seine kulturtragende Bedeutung erkannten. Diese Tatsache, dass es dieser Personenkreis war, hat aber bewirkt, dass zunächst seine Bedeutung weitgehend nur auf den philosophisch-linguistischen Bereich beschränkt blieb. Die folgenden Zitate zeigen, wie sich das in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts änderte. "Transzendental" ist der Schlüsselbegriff, der die lebensrelevante Wende des Vedanta-Verständnisses ermöglichte.

Ausgewählte Zitate in chronologischer Reihenfolge:


1955
Samkhya, Yoga, Vedanta
Einleitung zur
"Bhagavad Gita – das Lied der Gottheit"
aus dem Sanskrit übersetzt von Robert Boxberger,
neu überarbeitet und herausgegeben von Helmuth von Glasenapp
Reclam Verlag, Stuttgart, 1955

In der Lehre der Upanishaden, im Vedanta, sieht die Bhagavad Gita die höchste Weisheit, weshalb auch ihre 18 Gesänge als Upanishaden bezeichnet werden. Bei der Auseinandersetzung ihrer ethischen und metaphysischen Lehren treten immer wieder die Ausdrücke Samkhya und Yoga auf ... Die Gita sieht in ihnen zwei gleichberechtigte Methoden zur Erfassung der Vedanta-Wahrheit. Das Samkhya ist die vernünftige Überlegung, welche durch Unterscheidung des Geistes von den stofflichen Weltprinzipien zur Erkenntnis zu kommen sucht, der Yoga die praktische Aneignung der Wahrheit im Wege andachtsvoller Versenkung (Meditation) ... Die Vieldeutigkeit des Wortes Yoga tritt darin zutage, dass jeder der 18  Gesänge nach der Unterschrift eine bestimmte Form des Yoga lehrt und dass die ganze Gita als Lehrbuch des Yoga (yoga-shastra) bezeichnet wird. 
Ohne hier in eine Diskussion einzutreten, muss ich (Helmuth von Glasenapp) mich im Folgenden damit begnügen in knappster Form zu skizzieren , was nach meinem Dafürhalten die wesentlichen Grundgedanken des unsterblichen Gedichtes sind (in den Begriffen von Samkhya):
Gott der Allgeist, ist die substantielle und bewirkende Ursache von allem, was ist. ...
In der Welt, die er periodisch aus sich hervorgehen lässt und wieder in sich zurücknimmt, manifestiert sich Gott
  1. als der Geist (purusha), welcher die Seele, den Kern jedes Lebewesens ausmacht; und
  2. als die eine Kraftsubstanz (prakriti, Natur, Urnatur), aus welcher alle feinen und groben Elemente und Vermögen (Denkorgane usw.) hervorgehen.
Die unpersönliche Form Gottes, aus der dies alles hervorgeht, wird als das Unvergängliche (akshara) oder das Brahman bezeichnet und als eine Gott umgebende Glanzsphäre vorgestellt.


1957 / 1963
Vedanta: Chance einer gemeinsamen Zukunft der Menschheit

Das Bewusstsein der Maschinen
Gotthard Günther
Agis Verlag, Baden-Baden
1957 (1.Auflage)
1963 (2. erweiterte Auflage)

Seite 81 (2. Auflage)
Die Bewustseins und Geistesgeschichte des Menschen, in den letzten Jahrtausenden besitzt zwei sehr eigentümliche Eigenschaften: Erstens verläuft die Entwicklung in regional getrennten, scharf markierten und parallel verlaufenden Hochkulturen, von denen Indien, China, Griechenland und zuletzt Westeuropa Beispiele geben. Zweitens aber spielt sich die Entwicklung und Abklärung des Bewußtseins in jeder dieser Hochkulturen auf dem Boden eines ausgeprägten Dualismus von Seele und Welt ab. Was Indien anbetrifft, so brauch man nur auf das Sãmkhya-System und seinen unversöhnbaren Gegensatz von prakriti (Urmaterie) und purusha (Seele) hinzuweisen. Höchst bezeichnend ist, daß die Theorie des Yoga, dieser ureigensten Schöpfung Indiens, ihre philosophischen Grundlagen dem radikalen Dualismus des Sãmkhya entnimmt.

Seite 90 (2. Auflage)
Die Geistesgeschichte des sich in seinem Dasein orientierenden Menschen in allen Hochkulturen schwankt zwischen einer Zweiweltentheorie von Diesseits und Jenseits und einem ontologischen Monismus hin und her. Je subtiler das Denken wird, desto mehr verschlingen sich die beiden Motive in einer praktisch unendlichen Mannigfaltigkeit von vorläufigen Lösungen. Die ursprünglich klaren Konturen der metaphysischen Orientierung gehen verloren und das Ende ist geistige Anarchie und Direktionslosigkeit eines Denkens, das längst vergessen hat, wo es eigentlich hinwollte.
Ein Beispiel dafür ist (die Vedische Kultur) die zwischen der philosophische Theorie des Vedãnta, dem radikalen Monismus, die Advaita-Lehre eines Gaudapãda oder Shámkara, und dem klaren Pluralismus des Vishnuiten Madhva hin und her schwankt. Es erübrigt sich, auf unsere Gegenwart und das Chaos des zeitgenössischen Denkens hinzuweisen, das gerade in den originalsten philosophischen Konzeptionen des zwanzigsten Jahrhunderts zu einem katastrophalen Verlust an Wissenschaftscharakter in der Philosophie geführt hat.


Seite 76 (1. Auflage)
Aber schon der erste, sehr unzureichende, in der Kritik der reinen Vernunft unternommene Versuch, auf das reflektierende Bewußtsein selbst zu reflektieren, zeigte, daß die überlieferten Vorstellungen unzureichend waren. Das erste Resultat der Kantschen Untersuchungen war, daß die klassische Logik dieser Problematik gegenüber versagte, und das zweite demonstrierte, daß die klassische Metaphysik lediglich die Ontologie einer in sich ganz leeren Irreflexivität produzierte. Die spekulativen Nachfolger Kants arbeiteten in dieser Richtung fort, aber da sie am Prinzip der Zweiwertigkeit allen exakten Denkens festzuhalten versuchten, versagten alle ihre Versuche, eine zureichende Theorie der Reflexion zu entwickeln. Zwar begriffen sowohl Fichte wie Hegel und Schelling, daß die Reflexion nicht ein abstraktes Gegenphänomen gegenüber dem Sein ist, aber sie besaßen nicht die Mittel, die ihnen bereits geläufige Einsicht, daß Reflexion nicht ausschließlic eine subjektive Variante von klassischer Existenz ist, darzustellen. Erst mit einer dreiwertigen Logik ist es möglich, zu zeigen, daß der Reflexionsprozeß etwas ist, was nicht ausschließlich mit Subjektivität, Innerlichkeit und Ichhaftigkeit gekoppelt ist, sondern daß er ebenfalls als eine Variante von objektiver, physischer (meßbarer) Existenz auftreten muß, wenn geistiges Leben und intelligente Kommunikation von Ich zu Ich möglich sein soll.

Seite 38 (1. Auflage)
Wenn zwei verschiedene Iche die ihnen privat eigene Innerlichkeit nicht miteinander teilen und gemeinsam haben können, dann bleibt nur ein Weg zu einer ontologisch bindenden und objektiv verbindlichen Verständigung zwischen ihnen übrig. Nämlich, daß sie in gemeinsamer Handlung das Bild ihrer Subjektivität aus sich heraussetzen und im Objektiven technisch konstruieren. Denn nur in einem solchen Bemühen kann sich zeigen, was als reine Spiritualität auch dann noch innerlich privat und introszendent unerreichbar bleibt und was andererseits jener zweiten pseudo subjektiven Komponente angehört, die allgemein verbindlich von allen Ichen in gleicher Weise besessen wird und die deshalb in einem sehr tiefen Sinne öffentlich ist. Dabei darf in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, daß schon Kant in einer kleinen Schrift zwischen privater und öffentlicher Vernunft unterschieden hat.(Immanuel Kant, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? 1784).

Seite 101 (1. Auflage)
Wie schon Kant hervorhebt, können die Bedingungen aller möglichen Erfahrung niemals Gegenstand der Erfahrung sein. Jene Bedingungen aber reflektieren sich in einer ihr eigenes Wesen suchenden und auf ihre eigenen Ursprünge zurückgehenden Reflexion. Das naive, unmittelbare, sinnlich orientierte Bild, das wir von der objektiven Welt besitzen, enthüllt uns nicht das Wesen der Realität. Denn für letztere ist der Gegensatz Diesseits-Jenseits sinnlos. Wir müssen uns der Wirklichkeit mit Denkmethoden nähern, die die logischen Kategorien eines reflexionsfreien, isoliert objektiven (trans subjektiven) Ansichseins überschreiten.