Transzendentales Bewusstsein in der Transzendental Philosophie und in der Transzendentalen Meditation gemäß der M.A. Arbeit von E. Schiffgens: "Das transzendentale Bewusstsein in der kritischen Philosophie Kants".
(Juni 2024)
Die folgende Rezension analysiert eine von Emanuel Schiffgens in den 1970er Jahren - zur Erlangung des akademischen Grades eines Magister Artium - an der Philosophischen Fakultät der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule, Aachen, durchgeführte Forschungsarbeit über "Das transzendentale Bewusstsein in der kritischen Philosophie Kants" und wie dieses Bewusstsein durch Transzendentale Meditation die Forschung fördern und das tägliche Leben bereichern kann.
Emanuel Schiffgens gehört zu den Ersten, die die Frage untersuchten, ob die von Immanuel Kant (1724 - 1804) als "transzendental" charakterisierte Realität des Bewusstseins jedem durch die von Maharishi Mahesh Yogi (1918 – 2008) gelehrte vedische Methode transzendentaler Meditation zugänglich ist. Er kommt zu dem Ergebnis, dass das tatsächlich der Fall ist,
- weil die in beiden Fällen beschriebenen Kennzeichen transzendentalen Bewusstseins übereinstimmen und
- sowohl (a) die Methode, die Kant zur Entdeckung des transzendentalen Bewusstseins führte als auch (b) die geistige Technik der transzendentalen Meditation, beides wissenschaftliche Methoden sind, d.h. systematisch, in Übereinstimmung mit anderen Forschungsmethoden, von jedem anwendbar sind und reproduzierbare Ergebnisse erzielen.
1. Die Kritik der reinen Vernunft2. Die Kritik der praktischen Vernunft und3. Die Kritik der Urteilskraft.
in 1. Selbst-rückbezüglichkeitin 2. Feld aller Möglichkeiten undin 3. einheitliches Feld aller Naturgesetze
(1) automatische Bewusstseinsentwicklung,(2) ganzheitliche Verbesserungen der Gesundheit und des sozialen Verhaltens, sowie(3) ein Denken und Handeln zunehmend in Übereinstimmung mit den Naturgesetzen.
Auch die Bedeutung einiger anderer von Kant benutzen Begriffe hat sich zwischenzeitlich mehr oder weniger stark verändert und bestimmte Begriffe werden nur noch sehr selten benutzt.
Das gilt nicht (!) für den von Kant eingeführten Begriff "transzendentales Bewusstsein", der sich als Fachbegriff in der Philosophie etabliert hat. Ab Mitte des 20. Jahrhundert hat dann die Verbreitung der transzendentalen Meditation bewirkt, dass transzendentales Bewusstsein zunehmende Bekanntheit erlangte und dass damit begonnen wurde, transzendentales Bewusstsein mit den Methoden der Physiologie, Medizin, Psychologie und Soziologie wissenschaftlich zu erforschen.
Deshalb ist es wichtig zu verstehen, inwieweit der philosophische Begriff mit dem übereinstimmt, was durch transzendentaler Meditation jedem zugänglich ist.
Kant erwähnt zwar den Begriff "Meditieren", doch es fehlen bei ihm konkrete Anleitungen zum selbständigen Meditieren. E. Schiffgens schlägt deshalb in seiner M.A. Arbeit vor, als Ergänzung zum Kant-Studium, die von Maharishi Mahesh Yogi der vedischen Kultur Indiens entnommene Technik der transzendentalen Meditation zu benutzen. Als erste Begründung für die Berechtigung dieses Vorschlags verweist er auf Paul Deussen(1845 -1919), einem bedeutenden Kenner indischer Philosophie, der bereits 1887 auf die große Übereinstimmung zwischen der Kant'schen Philosophie und den von Skankara formulierten Hauptsätzen der Vedischen Weisheit hingewiesen hat.
Zur detaillierten Begründung seines Vorschlags untersuchte Schiffgens die Charakterisierung und die Rolle transzendentalen Bewusstseins in den drei Kritischen Hauptwerken Kants. Seine Argumentation wird hier erläutert und vertieft.
Kants Kritik der reinen Vernunft:
Der Kant'sche Begriff der "Vernunft" entspricht dem modernen Begriff der Intelligenz (Unterscheidungsfähigkeit). In der Kritik der reinen Vernunft begründet Kant mithilfe des Unterscheidungsvermögens (Vernunft) die Existenz eines absoluten Bereichs menschlicher Erkenntnisfähigkeit und gibt dann genau an, welche Eigenschaft dieser Bereich hat.
Das ist deshalb möglich, weil Intelligenz ein Aspekt der Erkenntnisfähigkeit ist, der nicht nur Unterschiede macht, sondern diese auch wieder auflösen bzw. zusammenfügen kann, indem die ursprüngliche Einheit wiederhergestellt wird.
Da subjektiv gesehen jede Art von Erkenntnis bzw. Wissen eine Struktur des Bewusstseins ist und Selbst-Reflexivität für Bewusstsein kennzeichnend ist, folgt, dass das Unterscheidungsvermögen eine Ausdrucksform dieser selbstbezogenen Eigendynamik ist: Selbstbezug macht Bewusstsein intelligent und kreativ und ist deshalb die einfachste und ursprünglichste Zustandsform dieser beiden elementaren Qualitäten.
Hört der Verstand auf, Unterschiede zu machen, wird der ursprüngliche absolute Zustand selbstbezogenen Bewusstseins wieder eingenommen, vorausgesetzt, der physiologische Träger der Erkenntnisfähigkeit wird nicht durch Gewalt zerstört.
Bewusstsein in seiner Funktion als Bedingung für die Möglichkeit von Erkenntnis und Erfahrung wird von Kant "transzendental" genannt, weil Bewusstsein dabei zwar alle spezifischen Formen der Erkenntnis und Erfahrungen überschreitet (transzendiert) aber gleichzeitig allen spezifischen Erkenntnissen und Erfahrungen ständig als deren Fundament zugrunde liegt.
Kant ist es mit dem Begriff "transzendental" gelungen, eine universelle Eigenschaft des menschlichen Bewusstseins unmissverständlich zu kennzeichnen. Als Fachbegriff ist "transzendental" seitdem in allen Lexika zu finden.
Aus Kants erkenntnistheoretischer Sicht ist das Transzendentale streng von Transzendenz bzw. Transzendentem zu unterscheiden. Transzendenz ist definitionsgemäß auch noch jenseits der menschlichen Erkenntnisfähigkeit und somit zunächst nur ein spekulatives Konzept, dessen Realität sich aber u.U. irgendwann transzendental begründen lässt, wenn sich das Bewusstsein weiterentwickelt.
Da Kant zu seiner Entdeckung auf streng wissenschaftliche Weise gelangte, sind seine Formulierungen sehr anspruchsvoll. Kants Untersuchung der menschlichen Erkenntnisfähigkeit hat bisher allen Einwänden standgehalten und konnte von den nachfolgenden Forscher-Generationen noch weiter verfeinert werden, was die wissenschaftliche und kulturelle Entwicklung stark bescheinigte.
Insgesamt charakterisiert Kant das von ihm theoretisch als Bedingung für die Möglichkeit von Erkenntnis und Erfahrung eingeführte transzendentale Bewusstsein als reines, selbstbezogenes Bewusstsein. Das ist auch genau der Charakter des Zustandes, der während der transzendentalen Meditation eingenommen wird, anfänglich u.U. nur kurz und im Laufe der Zeit dauerhaft.
Kants Kritik der praktischen Vernunft
Was Kant "praktische Vernunft" nennt, wird heute als "Organisations-Intelligenz" (Organisationskraft der Intelligenz) bezeichnet. Auf der Grundlage seines Verständnisses von transzendentalem Bewusstsein gelang es Kant in seiner "Kritik der praktischen Vernunft", die Beziehung zwischen transzendentalem Bewusstsein und dem gesamten Bereich der Aktivität, vom Denken bis zum Handeln, zu entschlüsseln.
Das ist ein notwendiger Schritt, denn bei der Kennzeichnung transzendentalen Bewusstseins als Bedingung für die Möglichkeit von Erkenntnis und Erfahrung werden die verschiedenen Formen der Aktivität, in denen sich das Subjekt im Leben ausdrückt, nicht berücksichtigt.
Bei der genauen Untersuchung der Beziehung zwischen transzendentalem Bewusstsein und seinen objektiven Ausdrucksmöglichkeiten entdeckte Kant, dass transzendentales Bewusstsein nur dann in Verbindung mit dem gesamten Bereich der Aktivität steht, wenn vollkommene Freiheit in der Entscheidung zur Aktivität gewährleistet ist. Das wiederum bedeutet, dass transzendentales Bewusstsein den Charakter eines Feldes aller Möglichkeiten der Intelligenz und Energie hat als seinen beiden ersten Ausdrucksformen.
Nur bei uneingeschränkter Entscheidungsfreiheit des Subjektes kann sich das im transzendentalen Bewusstsein angelegte Potenzial an Intelligenz und Energie im Hier und Jetzt (d.h. in Raum und Zeit) als Aktivität ausdrücken. Nur bei völliger Entscheidungsfreiheit erfolgt die Aktivität ohne Verlust des selbst-bezogenen Wertes transzendentalen Bewusstseins, dem Heim allen Wissen.
Wenn sich die Aktivitäts-Impulse unmittelbar auf das transzendentale Bewusstsein beziehen – was völlig anstrengungslos geschieht – bleibt die Gesamtordnung unverändert. Diese Situation nennt Kant den kategorischen Imperativ (wörtlich „unbedingtes Gebot“).
Auch dieser von Kant geprägte Begriff hat Eingang in das Allgemeinwissen gefunden. Im Kant'schen Sinn ist der kategorische Imperativ keine Handlungsanweisung oder Vorschrift zum Handeln, sondern ein Prüfkriterium dafür, ob eine Aktivität völlig reibungslos, ohne Unordnung zu erzeugen, abläuft, also "kategorisch" ist. Denken und Handeln sind in dieser Situation automatisch in Übereinstimmung mit dem gesamten im transzendentalen Bewusstsein angelegten Wissen, das dabei die Rolle einer gesetzgebenden Instanz hat.
Das von Kant in diesem Zusammenhang benutze Wort "praktisch" bezieht sich also zunächst nicht auf Veränderungen in den alltäglichen Lebensumständen, sondern auf die im transzendentalen Bewusstsein begründete Freiheit der Entscheidung zur Aktivität: Das allein garantiert schon, dass Gedanken und Handlungen ein Ausdruck transzendentalen Bewusstseins sind. Das gilt für jeden Menschen.
Weil sich individuelle Entscheidungsfreiheit einerseits und Bewusstsein als Feld aller Möglichkeit andererseits durch transzendentales Bewusstsein wechselseitig bedingen, werden durch transzendentales Bewusstsein alle Bereiche des Lebens – innere und äußere, subjektive und objektive – miteinander integriert und entsteht Harmonie im gesamten Bereich des Lebens. Das ist die lebensrelevante praktische Konsequenz des transzendentalen Bewusstseins.
Insgesamt begründet also I. Kant in seiner "Kritik der praktischen Vernunft", dass transzendentales Bewusstsein ein Feld aller Möglichkeiten ist. Das wiederum ist auch der Langzeiteffekt transzendentaler Meditation im Leben.
Kants Kritik der Urteilskraft
Gemäß dem Verständnis von I. Kant ist diese vermittelnde Instanz erforderlich, um das transzendentale Bewusstsein mit den durch die Erfahrung zugänglichen, natürlichen Aspekte des Lebens zu verknüpfen, sodass die unter den jeweiligen Umständen optimal lebensfördernde Aktivität tatsächlich stattfindet.
In Kants Worten geht es dabei um den Übergang von den "Freiheitsbegriffen" zu den "Naturbegriffen" und umgekehrt. Die diesen Übergang vermittelnde Instanz nennt I. Kant "Urteilskraft".
Kant unterscheidet drei Faktoren bei der Überbrückung der Kluft zwischen transzendentalem Bewusstsein und der vielfältigen, ständig sich wandelnden Welt der Erfahrungen:
- Das subjektbezoge Lebens-Gefühl; das dem unmittelbaren Erlebnis der vereinheitlichenden Funktion des Übergangsbereiches als Verbindungspunkt gegensätzlicher Tendenzen im Leben entspricht. Die regulierende Funktion des subjektiven Lebens-Gefühls tritt als "Zweckmäßigkeit des sinnlichen Daseins" (E. Schiffgens) in Erscheinung, also in dem, was heute als "Ökonomie-Prinzip" bezeichnet wird.
- Der Übergangsbereich als eigenständige Realität der Erinnerung an das transzendentale Bewusstsein. Dieser Bereich verbindet Vergangenes mit Zukünftigem und garantiert die Kontinuität des Übergangs und ist die kompakte Ausdrucksform des Ökonomie-Prinzips, bzw. die Erinnerung an die Selbstwechselwirkung des Bewusstseins im Übergangsbereich zwischen transzendentalem Bewusstsein und seinen natürlichen Ausdrucksformen.
- Die quantitativen Verhältnisse der einzelnen im Übergangsbereich wirkenden Kräfte also die objektive Natur des Übergangsbereiches. Das ermöglicht die mathematisch, präzise Beschreibung der Naturgesetze.
Insgesamt zeigt Kant in seiner Kritik der Urteilskraft, dass transzendentales Bewusstsein dem entspricht, was die Naturwissenschaft seit A. Einstein als das "einheitliche Feld aller Naturgesetze" bezeichnet. In der Lehre der transzendentalen Meditation – insbesondere beim Einsatz an Schulen und Hochschulen – hat es sich deshalb bewährt, die modernen Entwicklungen auf dem Gebiet der Quantenmechanik und der vereinheitlichten Feldtheorie zur Illustration des integrierenden Effektes der transzendentalen Meditation zu benutzen.
- Wissen als Struktur des Bewusstseins, d.h. als unmittelbarer Ausdruck der Eigendynamik des Bewusstseins,
- die organisierende Kraft des Wissens,
- die wechselseitige Verbindung von Wissen und organisierender Kraft, die sich als Wissenschaft ausdrückt.
Meditation bei Kant
Wie E. Schiffgens vermutet, scheint das für Kant eine Selbstverständlichkeit gewesen zu sein, weshalb dieser diesbezüglich keine weiteren methodischen Hinweise gibt.
Einiges zur Methode des Meditierens kann aber der Charakterisierung transzendentalen Bewusstseins und seiner Bedeutung für das Leben Kants kritischen Schriften entnommen werden:
Meditation ist
- eine Methode, um zu einer zusammenhängenden Erkenntnis zu gelangen,
- ein für jeden Menschen notwendiges Übungs-Programm, weil es ausgewogene Unterscheidungs- und Entscheidungsfähigkeit, geordnetes Denken, lebensförderndes Verhalten und Kreativität entwickelt,
- ein Programm, das auf allgemeingültigen Gesetzen beruht,
- ein kreativer Erkenntnisakt, der im ursprünglichen Bereich des Bewusstseins stattfindet und für das praktische Leben gültiges Wissen hervorbringt,
- Forschung im Bereich des Bewusstseins, die jeder praktizieren kann.