Aus: „Jan Müller: Rik Veda Neuntes und Zehntes Mandala: Im Lichte von Maharishis Vedischer Wissenschaft und Technologie aus dem vedischen Sanskrit neu übersetzt, Oebisfelde, 2013, S. 209-229" mit freundlicher Erlaubnis von Autor und Verlag.
Wer den Rik-Veda einfach anhand von Wörterbuch und Grammatik übersetzen will, stößt sehr bald an die Grenzen dieses Unterfangens und merkt, dass sich der Veda nicht ohne Weiteres wie ein übliches fremdsprachliches Werk verstehen lässt. Viele im Urtext vorkommende Lautfolgen sind und bleiben rätselhaft und lassen sich nicht einfach mithilfe eines Wörterbuchs erklären.
So steht zum Beispiel im Wörterbuch der Eintrag: »Vinamgrscha – RV. 9.72.3 Herkunft und Bedeutung unbekannt, angeblich Arm.« Wir sehen, dass diese Lautfolge im gesamten Rigveda nur ein einziges Mal vorkommt und es bisher keinem Übersetzer gelungen ist, ihr aus dem Zusammenhang heraus einen eindeutigen Sinn zuzuweisen. In gleicher Weise geben uns viele Lautfolgen Rätsel auf, und die Wörterbücher lassen erkennen, dass sie nichts anderes festhalten als die Deutungen verschiedener Übersetzer.
Wir dürfen die vedische Sprache auch keinesfalls mit dem klassischen Sanskrit verwechseln: Weder Wortwahl noch Grammatik sind identisch. Neben Sanskrit-Grammatiken gibt es daher eigene Vedische Grammatiken, und der deutsche Mathematiker und Vedaforscher Hermann Grassmann hat während seines langjährigen Unterfangens, den Rigveda zu übersetzen, ein spezielles Rigveda-Wörterbuch zusammengestellt, in dem er alle Belegstellen der Wörter mit der jeweiligen, von ihm erschlossenen Bedeutung aufgeführt hat, zusammen mit Verweisen auf die wahrscheinliche Grundbedeutung der Wortwurzeln, die er aus dem Vergleich mit anderen indoeuropäischen Sprachen erschloss.
Die Lautfolge des Veda wurde nach alter Tradition in den Brahmanenfamilien mündlich vom Vater zum Sohn oder vom Lehrer zum Schüler weitergereicht. Die schriftliche Aufzeichnung diente lediglich als Gedächtnisstütze. Das Schriftbild zeigt dabei immer die genaue Aussprache an, auch wenn der lexikalische Eintrag andere Laute aufweist. Aufs Deutsche übertragen, müssten wir, wenn sich das Schriftbild streng nach der Aussprache richten würde, zum Beispiel schreiben: »Am Abent strahlt der Mont das abendliche Mondlicht aus.« Denn nach dem Gesetz der Auslautverhärtung wird das »d« im Auslaut auch im Deutschen genau wie im Sanskrit als »t« gesprochen.
Da sich diese Lautgesetze im Sanskrit auch im Schriftbild niederschlagen, werden sie in der Grammatik in einem eigenen Kapitel unter der Bezeichnung »Sandhi« abgehandelt.
Schreiben wir Rigveda in einem Wort, dann wird das »k« von »Rik« aufgrund der Sandhiregeln durch das folgende stimmhafte »v« zum »g« erweicht. Behandeln wir Rik und Veda dagegen als zwei getrennte Wörter, dann müssen wir nach dem Gesetz der Auslautverhärtung »Rik« schreiben.
Zur Wirkung vedischer Rezitation
1977 begann der Mitarbeiterstab von Maharishi Mahesh Yogi in Seelisberg am Vierwaldstättersee, abends im großen Vortragssaal den Rigveda-Pandits zu lauschen, die Teile aus dem Neunten Mandala rezitierten. Die meisten von uns ließen die Rezitation mit geschlossenen Augen auf sich wirken, ohne sich Gedanken über die Bedeutung zu machen. So verlangt es die vedische Tradition: Da weniger der Sinn, sondern vor allem der Klang des Rik-Veda auf unser Nervensystem wirkt, brauchen wir keinerlei intellektuelles Verständnis, um die Wirkung zu genießen.
Daher werden die Veden in der traditionellen Panditausbildung vor allem durch Vorsingen und Nachsingen unterrichtet, ähnlich wie sich Kinderlieder ins Gedächtnis einprägen, indem sie im Kindergarten einfach gemeinsam gesungen werden. Erst im Lauf der Jahre versteht das Kind den Sinn und vielleicht auch die übertragene Bedeutung. Im Sommer 1981 erlebte ich in Madras in einer der ersten, von Maharishi Mahesh Yogi gegründeten Panditschulen in Kalki Gardens, wie die Veden vor allem durch Vor- und Nachsingen der Verse unterrichtet wurden.
Als wir in Seelisberg im großen Saal den Rezitationen lauschten, wirkte der vedische Urklang auf mich wie eine Gehirnmassage: als würden alle meine eingefahrenen Gehirnwindungen durchgewalkt und gelockert. Dennoch genügte mir das bloße Zuhören nicht. Um den Klang noch deutlicher und intensiver zu erfahren, holte ich mir aus der vedischen Bibliothek eine Originalausgabe zum Mitlesen.
Es dauerte eine ganze Weile, bis ich in der ungewohnten Devanagari-Schrift die Stellen fand, die gerade gesungen wurden. Da immer nur zwischen zwei Hymnen eine deutlich hörbare Pause eintrat, suchte ich einfach nach dem Anfangswort der gerade gesungenen Hymne und dann nach dem Anfangswort der Verse, bis ich die Stelle gefunden hatte und mitlesen konnte.
Dabei fielen mir einige Wörter auf, die im Neunten Mandala immer wieder vorkamen, wie »Soma«, »Indu«, »Indra« »pavitra«, »pavasva«, »arshati« und andere. Als ich einen Sanskritstudenten nach der Bedeutung fragte, drückte er mir ein Sanskrit-Wörterbuch in die Hand und riet mir, selbst nachzuschlagen, um die jeweils passende Bedeutung herauszufinden.
Jetzt war meine Neugier erst recht geweckt. Da Maharishi angedeutet hatte, dass die Übersetzungen auch eine Wirkung hätten, wenn sie vielleicht nur zehn Prozent der Originalbedeutung vermitteln könnten, wurde ich neugierig auf die restlichen 90 Prozent des Originaltextes und versuchte, einen ersten Satz des Neunten Mandalas zu übersetzen. Es sollte etwa ein halbes Jahr dauern, bis ich den Satz vollständig verstanden und übersetzt hatte.
Dabei traf ich nämlich auf mehrere Stolpersteine: Erstens die Reihenfolge des Sanskrit-Alphabets, das nicht historisch wie unser ABC, sondern streng phonetisch nach Ort und Art der Aussprache geordnet ist: a, â, i, î, u, û … k, kh, g, gh, ng … Ein Wort mit langem »â« suchte ich vergeblich unter »a«, bis ich merkte, dass ich unter kurzem »a« gesucht hatte, das im Alphabet vor dem langen »â« kam. Ein Wort mit »bh« suchte ich unter »b«, bis mir klar wurde, dass »bh« im Sanskrit erst nach dem Lautzeichen für »b« eingeordnet ist.
Die zweite Schwierigkeit war das Auffinden der Verbformen im Wörterbuch. Stellen Sie sich vor, Sie suchen im englischen Wörterbuch nach dem Wort »went« und wissen nicht, dass es unter »go« zu finden ist. Ähnlich ist es mit fast allen Verbformen des Sanskrit. Ohne die Wurzel zu kennen oder erraten zu können, suchen Sie im Wörterbuch oft vergeblich.
Und die dritte Schwierigkeit bestand in den Klangverschmelzungen, den Sandhis. Oft suchte ich nach Wörtern, die es gar nicht gab, weil es sich um die Verschmelzung zweier Einzelwörter handelte, bis ich merkte, dass es neben der gesungenen Fassung des Urklangs, der Samhitâ, noch eine Pada-Fassung gab, die den Klang in seine grammatischen Einzelbestandteile ohne Sandhi aufschlüsselte.
Mit all diesen Anfangsschwierigkeiten und ohne tiefere Kenntnis des Sanskrit begann ich 1977 in Seelisberg mit der Übersetzung. Ich war einfach neugierig, was im Originaltext herauszulesen war, wenn man ihn im Hinblick auf die eigenen Meditationserfahrungen und im Lichte dessen las, was Maharishi uns über Ursprung, Sinn und Bedeutung des Rik-Veda gesagt hatte. Erst im Laufe der Jahre ergab sich immer wieder die Möglichkeit, mein Sanskritstudium zu vertiefen, sei es 1980 in Delhi auf dem »Veda and Science«-Kurs, 1981 bei meinem Privatlehrer in Madras oder in Kursen zur Bhagavad-Gîtâ und zu Pâninis Grammatik bei unserem Sanskrit-Professor Peter Raster oder bei Pandit Dave in Vlodrop, Holland.
So konnte ich in größeren Zeitabständen immer wieder einige Sûktas übersetzen, bis ich die Übersetzung nach über 30 Jahren endlich zum Lesen anbieten kann. Dabei habe ich als Dichter vor allem versucht, auch die poetischen Eigenheiten des Urtextes so weit es geht zu erhalten: die Vieldeutigkeit, die Bildsprache, die Klangspielereien und soweit wie möglich auch die Silbenzahl des Versmaßes, damit die Hauptwirkung des Neunten Mandalas – das Klären und Fließen von Soma im eigenen Nervensystem – auch durch die Übersetzung möglichst spürbar wird.
Aufgrund all dieser selbst erfahrenen Anfangsschwierigkeiten, die es einem Sanskrit-Laien so gut wie unmöglich machen, sich den Originaltext selbst zu erschließen, bereite ich eine Studienausgabe des Neunten Mandalas vor, die es jedem erlauben soll, aus dem Originaltext seine eigene, nur für ihn persönlich gültige Deutung herauszulesen. Denn der Urtext bleibt ein ewig rauschendes, lebendiges Lautemeer, das uns je nach augenblicklichem Bewusstseinszustand immer wieder neue erhellende Botschaften des Augenblicks offenbart.
Eine Tasse Meeresrauschen
Jede Übersetzung des Rik-Veda gleicht einer Momentaufnahme des ewig rauschenden Meeres. Sie fängt nur einen kurzen Augenblick des Meeres ein, aus einem einzigen Blickwinkel. So wie der Standpunkt der Kamera das Bild des Meeres bestimmt, so bestimmt der Standpunkt des Übersetzers, welche Bedeutung des vielschichtigen Veda er in seiner Übersetzung wiedergibt. Diese Bedeutung ist zwar aus dem Veda abgeleitet, aber es ist nicht die einzig mögliche. Während die vieldeutige Sprache des Rik-Veda dem beschaulichen Zuhörer je nach Bewusstseinszustand immer neue Botschaften des Augenblicks offenbart, muss dieses ewig rauschende Meer beim Übersetzen notgedrungen in das Gefäß einer Sprache gegossen werden, die weniger Deutungsmöglichkeiten zulässt.
Auch wenn eine aus dem Meer geschöpfte Tasse Wasser nichts als reines Meerwasser enthält, so kann sie doch niemals die majestätische Gewalt des Meeres in seiner vollen Größe und Schönheit widerspiegeln. Sie kann nur die Erinnerung an den lebendigen Ozean wachrufen, der im Grundzustand unseres eigenen Bewusstseins in tiefer Stille ewig wogt, bis wir das Rauschen der Wellen des Wissens aus unserer eigenen Tiefe aufsteigen hören.
Warum ich den Rik-Veda trotzdem übersetzte
Obwohl die eigentliche Kraft des Rik-Veda in seiner ewigen, unvergänglichen Klangstruktur liegt, hat auch der Sinn, den wir aus dem Urklang herauszuhören glauben, noch eine starke, bewusstseinsanhebende Wirkung, die ich sofort spürte, als wir 1977 in Seelisberg anfingen, nach dem TM-Sidhi-Programm, einer Fortgeschrittenentechnik zur Transzendentalen Meditation (siehe Glossar), das 9. und 10. Mandala in der Übersetzung von Karl Friedrich Geldner zu lesen. Diese beschwingende Wirkung des Soma war es vor allem, die mich immer wieder mit magnetischer Anziehungskraft zu diesem kraftstrotzenden Urklang hinzog und die ich um so stärker spürte, je intensiver ich mich mit dem Klang auseinandersetzte.
Vom Wort zum Laut zur Lücke
Die traditionelle Methode, die Bedeutung des Veda zu entschlüsseln – gemäß dem von Jaimini in den Lehrsätzen des Karma Mimansa dargestellten Analyse-Prinzips –, besteht darin, zunächst aus dem Klang Sätze mit gewohnten Wörtern einer uns vertrauten Sprache herauszuhören. Wer mit dem dadurch gewonnenen Sinn jedoch nicht zufrieden ist, der zerlegt die Wörter in ihre Einzelteile, so wie wir im Deutschen aus dem Wort »Ent-Täuschung« den Sinn »Freiwerden von Täuschung« oder aus dem Wort »all-ein« den Sinn »Einssein mit dem All« ableiten können.
Wer auch mit diesem Sinn noch nicht zufrieden ist, der zerbricht den Klang in noch kleinere Bausteine, bis er den Sinn aus den Grundelementen der Sprache, den Einzellauten, ihrer Aufeinanderfolge und den in den Lücken zwischen den Lauten stattfindenden Transformationen ableitet. Der Sinn der Einzellaute lässt sich aus der Mundstellung, der Artikulation und dem Fluss des Atems während der Aussprache ableiten, so dass sich die Botschaft des Veda letzten Endes jedem wachen, bewussten Menschen durch genaues Hinhören und Analyse des Klangs erschließt, unabhängig davon, welche Sprache er spricht und versteht.
Durch genaues Hinhören und Klanganalyse steht es also jedem Menschen frei, aus dem Klang des Veda die Botschaft herauszulesen oder herauszuhören, die für sein eigenes Verständnis am meisten Sinn ergibt. Betrachten wir zur Veranschaulichung einmal die erste Verszeile des Shrîsûkta:
hiranya varnâm harinîm.
Auf Sanskrit bedeuten diese drei Wörter: »goldglänzender Klang, güldengrün«. Sind wir mit diesem Sinn aber nicht zufrieden und zerbrechen die Lautfolge in kleinere Sinneinheiten, finden wir statt drei Wörter acht Silben, die wir ebenfalls als selbständige Sinneinheiten deuten können. Allerdings nicht auf Sanskrit, sondern in einer anderen, uns sehr viel vertrauteren Sprache, nämlich in unserer eigenen Muttersprache:
hir an ya var nâm har in îm.
Die traditionelle Methode, die Bedeutung des Veda zu entschlüsseln – gemäß dem von Jaimini in den Lehrsätzen des Karma Mimansa dargestellten Analyse-Prinzips –, besteht darin, zunächst aus dem Klang Sätze mit gewohnten Wörtern einer uns vertrauten Sprache herauszuhören. Wer mit dem dadurch gewonnenen Sinn jedoch nicht zufrieden ist, der zerlegt die Wörter in ihre Einzelteile, so wie wir im Deutschen aus dem Wort »Ent-Täuschung« den Sinn »Freiwerden von Täuschung« oder aus dem Wort »all-ein« den Sinn »Einssein mit dem All« ableiten können.
Wer auch mit diesem Sinn noch nicht zufrieden ist, der zerbricht den Klang in noch kleinere Bausteine, bis er den Sinn aus den Grundelementen der Sprache, den Einzellauten, ihrer Aufeinanderfolge und den in den Lücken zwischen den Lauten stattfindenden Transformationen ableitet. Der Sinn der Einzellaute lässt sich aus der Mundstellung, der Artikulation und dem Fluss des Atems während der Aussprache ableiten, so dass sich die Botschaft des Veda letzten Endes jedem wachen, bewussten Menschen durch genaues Hinhören und Analyse des Klangs erschließt, unabhängig davon, welche Sprache er spricht und versteht.
Durch genaues Hinhören und Klanganalyse steht es also jedem Menschen frei, aus dem Klang des Veda die Botschaft herauszulesen oder herauszuhören, die für sein eigenes Verständnis am meisten Sinn ergibt. Betrachten wir zur Veranschaulichung einmal die erste Verszeile des Shrîsûkta:
hiranya varnâm harinîm.
Auf Sanskrit bedeuten diese drei Wörter: »goldglänzender Klang, güldengrün«. Sind wir mit diesem Sinn aber nicht zufrieden und zerbrechen die Lautfolge in kleinere Sinneinheiten, finden wir statt drei Wörter acht Silben, die wir ebenfalls als selbständige Sinneinheiten deuten können. Allerdings nicht auf Sanskrit, sondern in einer anderen, uns sehr viel vertrauteren Sprache, nämlich in unserer eigenen Muttersprache:
hir an ya var nâm har in îm.
Nun fragen Sie sich sicher, was diese acht Silben mit unserer Muttersprache zu tun haben. Wie wir wissen, gehören sowohl Sanskrit als auch Deutsch zur indoeuropäischen Sprachfamilie, die sich von den indo-iranischen Sprachen im Osten über Griechisch, die slawischen, romanischen und keltischen bis zu den nord- und westgermanischen Sprachen ausdehnt. Diese Unterteilung folgt der modernen Sprachwissenschaft, wobei das Nordgermanische vor allem die skandinavischen Sprachen umfasst und das Westgermanische in das Nordseegermanische (vor allem das moderne Englisch) und das Kontinentalwestgermanische (vor allem Deutsch und Niederländisch) unterteilt wird.
Wenn ich die Schreibweise der acht Silben nur leicht der heutigen Orthografie zweier bekannter westgermanischer Sprachen angleiche, erkennen Sie sicher schon den Zusammenhang und haben vielleicht ein ähnliches Aha-Erlebnis wie ich, als mir der Klang plötzlich als persönliche Botschaft des Veda in den westgermanischen Sprachen Englisch und Deutsch erschien. Ich schreibe den Klang und die heutige Orthographie einmal untereinander:
hir an ya var nâm har in îm.
hear an, ja wahr Nam, harr in ihm!
Allein durch das Zerbrechen des Urklangs in acht einsilbige Wörter mit sieben Wortlücken können wir plötzlich folgende westgermanische Botschaft heraushören:
Höre den wahren Namen an, ja, verharre in ihm!
Der Sinn, den wir auf Westgermanisch heraushören, entspricht durchaus der Botschaft des Veda, nämlich, dass uns der von menschlicher Sprache unabhängige Urklang auffordert, genau hinzuhören und den Klang beschaulich auf uns wirken zu lassen, bis uns aus der Tiefe unseres Bewusstseins eine ganz persönliche Botschaft aufdämmert, die wir aus dem Klang herauszuhören glauben.
Wie aber kann das sein? Mit Sicherheit haben die vedischen Seher der Vorzeit, die die Hymnen in der Tiefe ihres Bewusstseins hörten und ausdrückten, weder Hochdeutsch noch Englisch gesprochen. Wie ist es dann möglich, dennoch eine westgermanische Botschaft herauszuhören?
Diese verblüffende Wandlungsfähigkeit des vedischen Urklangs lässt sich nur dadurch erklären, dass der vedische Urklang tatsächlich »nitya« und »apaurusheya« ist, »ewig« und »nicht von Menschen erschaffen«. Dieser ewig-unveränderliche Urklang, der im unmanifesten, transzendentalen Bewusstsein pulsiert, erzeugt durch seine Lautstruktur in den Menschen, die reines Bewusstsein in sich belebt haben, immer neue Assoziationen und Gedankengebäude, die sich ihnen als Botschaft des Augenblicks offenbaren und, wenn sie die erkannten Wörter und Wortformen systematisch festhalten und ordnen, genauso wie das aus dem Rik-Veda abgeleitete Altindische zu einer westgermanischen vedischen Sprache führen könnten.
Vielleicht vermittelt Ihnen das ein Gefühl dafür, dass die Botschaft, die wir im vedischen Sanskrit aus diesem Urklang ableiten, nichts anderes ist als eine von vielen möglichen Deutungen in einer Sprache, die sich erst aus dem Klang des Veda gebildet hat. Genauso können wir, wenn wir den gesamten Urklang des Veda auf Westgermanisch deuten, eine Grammatik mit Wörterbuch zusammenstellen, die wir hier »Westvedisch« nennen wollen und die den Übergang von der phonetischen Struktur der vedischen Sprache zum Westgermanischen charakterisiert. Dies lässt sich mit Hilfe der vedischen Sicht der Sprache folgendermaßen begründen:
Allein durch das Zerbrechen des Urklangs in acht einsilbige Wörter mit sieben Wortlücken können wir plötzlich folgende westgermanische Botschaft heraushören:
Höre den wahren Namen an, ja, verharre in ihm!
Der Sinn, den wir auf Westgermanisch heraushören, entspricht durchaus der Botschaft des Veda, nämlich, dass uns der von menschlicher Sprache unabhängige Urklang auffordert, genau hinzuhören und den Klang beschaulich auf uns wirken zu lassen, bis uns aus der Tiefe unseres Bewusstseins eine ganz persönliche Botschaft aufdämmert, die wir aus dem Klang herauszuhören glauben.
Wie aber kann das sein? Mit Sicherheit haben die vedischen Seher der Vorzeit, die die Hymnen in der Tiefe ihres Bewusstseins hörten und ausdrückten, weder Hochdeutsch noch Englisch gesprochen. Wie ist es dann möglich, dennoch eine westgermanische Botschaft herauszuhören?
Diese verblüffende Wandlungsfähigkeit des vedischen Urklangs lässt sich nur dadurch erklären, dass der vedische Urklang tatsächlich »nitya« und »apaurusheya« ist, »ewig« und »nicht von Menschen erschaffen«. Dieser ewig-unveränderliche Urklang, der im unmanifesten, transzendentalen Bewusstsein pulsiert, erzeugt durch seine Lautstruktur in den Menschen, die reines Bewusstsein in sich belebt haben, immer neue Assoziationen und Gedankengebäude, die sich ihnen als Botschaft des Augenblicks offenbaren und, wenn sie die erkannten Wörter und Wortformen systematisch festhalten und ordnen, genauso wie das aus dem Rik-Veda abgeleitete Altindische zu einer westgermanischen vedischen Sprache führen könnten.
Vielleicht vermittelt Ihnen das ein Gefühl dafür, dass die Botschaft, die wir im vedischen Sanskrit aus diesem Urklang ableiten, nichts anderes ist als eine von vielen möglichen Deutungen in einer Sprache, die sich erst aus dem Klang des Veda gebildet hat. Genauso können wir, wenn wir den gesamten Urklang des Veda auf Westgermanisch deuten, eine Grammatik mit Wörterbuch zusammenstellen, die wir hier »Westvedisch« nennen wollen und die den Übergang von der phonetischen Struktur der vedischen Sprache zum Westgermanischen charakterisiert. Dies lässt sich mit Hilfe der vedischen Sicht der Sprache folgendermaßen begründen:
Gemäß der vedischen Vier-Ebenen-Struktur der Sprache gibt es beim Übergang von der transzendentalen Sprachebene, »para«, zur ausgedrückten Ebene, »vaikhari«, zwei klar definierte Übergangsschritte: »pashyanti« und »madhyama«, wobei letzterer auch die geographischen Einflüsse einschließt, die schließlich zu der Vielfalt der Sprachen und deren Dialekte führen. Aus dieser Perspektive ist die Einführung einer Bezeichnung wie »Westvedisch« eine Denknotwendigkeit.
In unserem Beispiel wird der vedische Urklang als »wahrer Name« bezeichnet. Wessen Name ist damit gemeint? Der Name reinen Bewusstseins, das sich im Grundzustand unseres Denkens seiner selbst bewusst wird und mit sich selbst in Wechselwirkung tritt? Der Name des Schöpfers, der aus sich selbst heraus die Welt erschaffen hat samt aller Gedankengebäude und Sprachen der Menschen?
Wir sehen, dass diese erstaunliche Neudeutung des vedischen Urklangs nur dadurch möglich wird, dass sich zwischen den Lauten neue Wortlücken auftun. Während die Klänge Dinge benennen, offenbaren die Lücken die Beziehungen zwischen den Klängen und damit die eigentliche Dynamik, die den Klängen erst eine syntaktische Struktur und damit eine semantische Deutung verleiht. Während der Klang den ausgedrückten Endzustand des Veda darstellt, findet im Übergang von einem Klang zum nächsten der dynamische Vorgang des Werdens und Wandels statt, der im Bewusstsein des Sprechers vor der Manifestation des Klangs abläuft. In den Lücken zwischen den Einzellauten erschließt sich den Wachen, die ihren Geist so weit geschult haben, dass sie auch die feineren Ebenen ihres eigenen Denkens bewusst wahrnehmen und beobachten können, die schöpferische Kraft dieses ewigen Urklangs, der seit undenklichen Zeiten die Kulturen der Völker befruchtet, bereichert und zum vollen Erblühen geführt hat.
Das Glück des lichten Morgenrots erreicht habend und erzeugend, sperren Sonnen die Lücke auf.
– Rik Veda 9.10.5
Das Morgenrot erscheint uns, wenn die Dunkelheit der Nacht in die Helligkeit des Tages übergeht. In der Bildsprache des Veda bezeichnet es den Zustand, in dem aus dem Dunkel der Unwissenheit allmählich das Licht des inneren Wissens aufdämmert und die Verse des Veda m Bewusstsein des Betrachters ganz von selbst einen tieferen Sinn offenbaren. Alle Schilderungen physischer Phänomene werden als Seelenbilder erfahren und intuitiv in ihrer übertragenen Bedeutung verstanden. Diese spontanen inneren Einsichten sind mit dem Gefühl der Erfüllung und des Glücks verbunden. Das ist der Hauptgrund, warum ich mir immer wieder einen neuen vedischen Vers vorgenommen und mich mit der Struktur und Bedeutung seines Klangs auseinandergesetzt habe. Je tiefer ich den Klang auf mich wirken ließ, desto transparenter wurden die Silben und ließen aus den Lücken zwischen den Klängen das Licht der Transzendenz erstrahlen, das wie in einem rauschenden Blätterwald durch immer neue Lücken schimmerte.
Parallelen zur Quantenmechanik
Diese Art der Verfeinerung vom groben Sprachbrocken bis zum feinsten Mehl, von der groben Ebene des alltäglichen Gebrauchs bis zur feinsten Ebene selbstbezogener Erkenntnis, ist vergleichbar mit der Sicht eines Quantenphysikers, der einen Holztisch nicht nur zum Essen verwendet, sondern auch die Partikel der im Tisch enthaltenen Atome, ihre dynamische Wechselwirkung und den zwischen ihnen liegenden Hohlraum im Bewusstsein hat.
So wie die quantenmechanische Sicht allgemeinere Gesetzmäßigkeiten über die Struktur der Materie ans Licht bringt als die äußere Betrachtung des Holztisches, so erschließt auch die reine Klanganalyse des Vedas einen tieferen und allgemeingültigeren Sinn als die Übersetzung auf der Wort- oder Satzebene einer bestimmten Sprache. Denn alle Menschen, auch wenn sie verschiedenen Sprachgruppen angehören, müssen die gleichen Mundbewegungen ausführen, um den gleichen Klang auszusprechen. Ein Deutscher muss beim A den Mund genauso öffnen wie ein Chinese oder ein Eskimo, während sich bei K der Gaumen und bei M die Lippen schließen müssen. Es erfordert allerdings eine wache und besonnene Aufmerksamkeit, sich der Aussprache eines Klangs und seiner daraus ableitbaren Bedeutung voll bewusst zu werden. Im Rik-Veda heißt es:
Wer wach ist, den suchen die Verse aus,
wer wach ist, dem kommen die Melodien.
Wer wach ist, zu dem spricht dieser Soma:
In deiner Freundschaft will ich gerne sein.
– Rik Veda 5.44.14
Enge Verbindung von Klang und Bedeutung
Der Urklang des Veda eignet sich für diese Klanganalyse besonders gut, da er eine enge, ursprüngliche Verbindung zwischen Name und Form, zwischen Klang und Bedeutung aufweist, die in späteren Sprachen durch Lautverschiebung und Bedeutungswandel oft nur noch verzerrt und verwässert erkennbar ist. Der Rik-Veda gilt als das älteste überlieferte Zeugnis menschlicher Sprachen. Deswegen wird der Klang des Veda auch als Urklang bezeichnet, als die erste Manifestation, die zu menschlicher Sprache führte.
Die Wörter haben ein derart reichhaltiges Bedeutungsspektrum, dass wir aus dem Text einerseits eine sehr konkrete Begebenheit – wie es die meisten westlichen Übersetzer tun – andererseits aber auch ganz abstrakte Grundprinzipien des Wirkens schöpferischer Intelligenz herauslesen können. Es liegt an unserem Blickwinkel, ob wir lieber die abstrakte Grundbedeutung der Wörter oder deren spätere Ableitungen als Grundlage unserer Deutung verwenden wollen. Wir können das Wort »vipras« abstrakt als Vibration übersetzen, als etwas Vibrierendes, etwas, das sich innerlich in Schwingung, Erregung und Dynamik befindet, oder konkret als Weiser, Dichter, Sänger oder Priester, also als einen beschwingten, vibrierenden Menschen, der durch seine Stimme Schwingungen, Vibrationen hervorruft. Während der Klang unverändert und ewig der gleiche bleibt, wandelt sich die Botschaft, die der Mensch daraus ableitet, je nach Epoche und Zeitgeist.
Im Zeitalter der Unwissenheit, dem Kali-Yuga, wird das Wort »a-gyâna« im allgemeinen als »Unwissenheit« übersetzt, denn »a-« hat unter anderem wie im Griechischen die Funktion der Negation. Im Sat-Yuga dagegen, dem Goldenen Zeitalter, in dem Erleuchtung nicht die Ausnahme, sondern der Normalzustand des Menschen ist, versteht man unter »a-gyâna« vor allem das Wissen vom »A«, von der Ganzheit, der Fülle des Lebens. So kann sich der Sinn des Veda je nach herrschendem Kollektivbewusstsein genau ins Gegenteil kehren.
So beginnt beispielsweise der Rigveda mit dem Wort Agnim, das auf Sanskrit »Feuer«, auch im übertragenen Sinn »das innere Feuer des Wissens« oder im Ayurveda das »Verdauungsfeuer« bedeutet. Maharishi Mahesh Yogi ist jedoch mit dieser Deutung nicht zufrieden und zerbricht das Wort in seine Einzellaute, wobei das »g« von »Agnim« durch Auflösung des Sandhi und Auslautverhärtung wieder zum »k« wird. Da beim »A« der Mund voll geöffnet ist, ordnet er dem »A« die Bedeutung »Fülle« oder »Unendlichkeit« zu.
Beim »K« dagegen schließt sich die Kehle, und der Atemfluss, der den Klang der Fülle hervorbringt, wird vollständig gestoppt. Daher ordnet er dem »K« die Bedeutung »Leere« oder den»Zusammenbruch der Fülle zu ihrem Punktwert« zu. Die Silbe »Ak« drückt für ihn somit den vollständigen Wert selbstbezogenen Bewusstseins von Fülle zu Leere aus, den Zusammenfall unbegrenzten Bewusstseins zu seinem eigenen Punktwert.
Auf dem Hintergrund dieser Klanganalyse übersetzt Maharishi das Wort »Agnim« nicht einfach mit »Feuer«, sondern gibt ihm die Bedeutung der »höchsten Intelligenz«, denn der Veda regt jeden dazu an, aus seinem Klang den tiefsten Sinn herauszuziehen, den sein jeweiliger Bewusstsseinszustand zulässt. Während Geldner die erste Verszeile »agnim île purohitam« übersetzt als: »Agni berufe ich als Bevollmächtigten«, übersetzt Maharishi diese Verszeile als »Mit höchster Intelligenz identifiziere ich mein Gewahrsein, mit dem höchsten Verwalter.«
Folgen wir nun dem westvedischen Sinn der ersten Verszeile des Shrîsûkta und hören uns den »wahren Namen« bedächtig an, wobei wir in ihm so lange verharren, bis der Klang für uns immer transparenter wird und uns hinüberzieht in die Transzendenz, dessen Grenze zur relativen Welt menschlicher Sprache er darstellt, dann können wir staunend miterleben, wie sich plötzlich neue Wortlücken zwischen den Klängen öffnen, die das Licht der Transzendenz durchscheinen lassen und völlig neue Beziehungen zwischen den einzelnen Klängen bilden, bis wir auch hier eine westgermanische Botschaft heraushören.
Die Pandits singen nämlich das lange »î« im Wort »île« als zwei Silben, so dass wir beim aufmerksamen Lauschen folgende neun Silben hören:
ak nim mî î le pur ro hit am
Auch hier werden Sie sich sicher fragen, welche westvedische Deutung in diesen Silben stecken soll. Vielleicht steigt bereits eine erste Ahnung und ein Wiedererkennen bekannter Elemente auf, wenn wir den Klang in englischer und deutscher Rechtschreibung darunter setzen:
ak nim mî î le pur ro hit am
AK nimm me, I lay pure row hit-Amm.
So finden wir ein Gemisch aus englischen und deutschen Wörtern mit folgender Sinngebung:
AK (Zerfall unbegrenzten Bewusstseins zu seinem eigenen Punktwert) nimm mich! Ich lege die reine Reihe der Ammen-Hits (dar).
In dieser westvedischen Deutung tun sich also bereits in der ersten Verszeile des Rik-Veda zwischen den Klängen acht Lücken auf, durch die das Licht der Transzendenz durchscheint. Das selbstbezogene Bewusstsein reinen Wissens beginnt in seinem Selbstgespräch mit der Aufforderung, sich aus seinem unbegrenzten Zustand in seinen eigenen Punktwert fallen zu lassen. Die moderne Physik lehrt uns, dass die Schöpfung durch spontanen, sequentiellen Bruch der Supersymmetrie entsteht. Betrachten wir die Stille reinen Bewusstseins als ungebrochene Supersymmetrie, dann kann sich der Klang des Veda erst manifestieren, wenn diese Stille gebrochen wird. Auch die deutsche Sprache weist bereits in der Struktur des Wortes »Sprechen« auf dieses Zerbrechen der Stille hin: sch-brechen – Sch, die Stille, brechen.
Erst nachdem sich reines Bewusstsein dem Symmetriebruch hingegeben hat, beginnt es, den spontanen sequentiellen Bruch durch seine festgefügte, unvergängliche Klangfolge darzulegen. Diese Klangfolge kann sowohl aus der Sicht des Zuhörers als Sammlung besonders beliebter und bekannter »Hits = Schlager« betrachtet werden, als auch aus der Sicht der transzendentalen Stille als Abfolge von »Hits = Schlägen«, die immer wieder die Stille brechen. Der gesamte Rik-Veda ist nach dieser Deutung die Sammlung der reinen Reihe der Ammenlieder, denn er stellt den nährenden Gesang von Mutter Natur dar, aus dem sich alles Leben innerhalb des Universums entfaltet.
Wir sehen, was uns im ersten Augenblick als reiner Witz erscheint, als laienhaftes und volksetymologisches Missverständnis des altehrwürdigen Klangs des Rik-Vedas, ergibt bei genauerer Analyse einen durchaus logischen und dem Veda vollkommen gerecht werdenden Sinn.
Da der Klang des Veda ewig unveränderlich bleibt, während sich die Sinngebung je nach Zeitgeist und Kulturkreis wandelt, macht es also durchaus Sinn, nicht nur die aus dem Sanskrit abgeleitete Sinngebung ins Deutsche zu übertragen, sondern auch die Klangstuktur selbst zu analysieren und sie durch »Reframing« – durch Umdeutung aus der Sicht neuer Rahmenbedingungen – als Botschaft in unserer eigenen Muttersprache zu betrachten.
Wenn wir eintauchen in die Stille reinen Bewusstseins und vollkommen frei von vorgefassten historischen Sprachkonzepten dem Urklang lauschen, können wir immer wieder erleben, wie uns bestimmte Klangfolgen plötzlich vertraut erscheinen und uns eine persönliche Botschaft offenbaren.
Die Technik des Sanyama zur Sinnfindung des Veda
Die vedische Klangstruktur stellt den Übergang zwischen reinem Sein und Sinn dar. Zur Sinnfindung taucht der Geist durch die Klangstruktur, die jenseits jeder menschlichen Sprache als reine Schwingung wirkt, in transzendentales Bewusstsein ein und verschmilzt mit dem darin vibrierenden Wissensschatz, bis er merkt: »vedo’ham – ich bin der Veda, ich bin reines Wissen«.
Wenn er aus diesem stillen, »sinnfreien« Sein wieder in die menschliche Sichtweise zurückkehrt, glaubt er im vedischen Urklang einen sprachlichen Sinn zu erkennen, der eine zeitgemäße, auf seine Lage innerhalb von Raum und Zeit bezogene Botschaft zum Ausdruck bringt. So entstehen aus der ewigen Klangstruktur die ersten Konzepte und Gedankengebäude, die Archetypen und Axiome, aus denen sich Sprache, Kultur und Weltbild entwickeln.
Die Fähigkeit, in diesem feinsten Bereich der Schöpfung, am Übergang zwischen reinem Sein und seinen ersten Fluktuationen, zwischen tiefster Stille und erster geistiger Klangschwingung wach und geistig aktiv zu sein, wird durch die Technik des Sanyama geschult, die in den Yoga-Sutras des Patanjali beschrieben wird. In unserer Zeit wurde diese Technik von Maharishi Mahesh Yogi wieder belebt und in Form des TM-Sidhi-Programms, das auch das yogische Fliegen beinhaltet, weltweit verfügbar gemacht.
Da der zeitlose Urklang des Veda im Geiste eines Menschen, der den Zugang zu reinem Bewusstsein hat, ständig neue, zeitgemäße Botschaften des Augenblicks offenbart, gilt es in der vedischen Tradition als Sünde, den Veda zu übersetzen, denn jede Übersetzung legt den Text auf eine bestimmte Sichtweise fest: auf den Blickpunkt des Übersetzers im Augenblick der Übersetzung. Der Urklang aber ist vielschichtig schillernd und kann in vielen Bedeutungen interpretiert werden. Jeder, der regelmäßig in die Stille taucht, aus der sich der Urklang des Veda entfaltet, kann so dieses ewig wogende innere Klangmeer, das in Samenform das gesamte Wissen der Schöpfung in sich birgt, im Lichte verschiedener Tages- und Jahreszeiten und aus den verschiedensten Blickwinkeln neu betrachten.
Nehmen wir einmal als Beispiel den ersten Vers des Neunten Mandalas, der folgende Klangstruktur aufweist:
svâdischthayâ madischthayâ
pavasva soma dhârayâ,
indrâya pâtave sutah.
Wenn wir diesen Klang als vedisches Sanskrit deuten, hören wir acht Wörter mit folgender Bedeutung:
svâdischthayâ – im süßesten; madischthayâ – berauschendsten;
pavasva – kläre dich; soma – Soma; dhârayâ – im Strome;
indrâya – für Indra; pâtave – zum Trinken; sutah – ausgepresst.
Es erscheint uns selbstverständlich, dass dieser Vers im Kopf des Dichters als Ausdruck des Altindischen, aus dem sich später das klassische Sanskrit entwickelte, gedacht und aufgeschrieben wurde, mit folgender wörtlicher Übersetzung:
Im süßesten, berauschendsten
Strome, Soma, kläre dich,
für Indra zum Trinken ausgepresst.
Brechen wir dieselbe Klangfolge aber statt in acht in neunzehn verschiedene Wörter auf, erscheinen uns als Angehöriger der westgermanischen Sprachgemeinschaft diese Wörter viel vertrauter und ergeben einen völlig anderen Sinn, der sich ebenfalls aus dem Veda ableiten lässt.
’s vâ dischtha yâ ma dischtha yâ
pav as vas soma dhâra yâ,
in drâya pâ ta ve sutah.
Diesen neunzehn Wörtern ordne ich nun folgende Bedeutung zu:
’s – es; vâ – war; dischtha – dichter; yâ – ja; ma – mein; dischtha – Dichter; yâ – ja;
pav – engl. pave, bahne; as – engl. us, uns; vas – etwas; soma – Soma; dhâra – daran; yâ – ja;
in – in; drâya – Dreien; pâ – brach; ta – engl. the, der; ve – Ved (das wehende Wissen); sutah – zutage.
Der Sinn, der sich dadurch ergibt, gewährt uns tiefe Einblicke in die Natur des vedischen Urklangs:
Es war dichter, ja, mein Dichter, ja.
Bahne uns etwas Soma, daran ja,
in Dreien brach der Ved zutag.
Der Vers beginnt mit dem unpersönlichen »Es«, von dem nur das »s« am Ende ausgesprochen wird. Die erste Hälfte des Wortes bleibt unausgesprochen und manifestiert sich nicht als Klang, denn mit diesem »Es« ist die Fülle der Transzendenz in der Stille gemeint, das Absolute, der Ursprung und Urgrund unserer manifesten Schöpfung. Über dieses unmanifeste »Es« wird gesagt, dass es »dichter war«. Wann war es dichter? Als es noch still war, unausgesprochen, kurz bevor sich dieser Vers als Klang manifestierte.
Dieser Zustand der unausgedrückten Dichte wird im Veda »Samhitâ« genannt, das »Verbundene«. Mit diesem Zustand der Dichte, die unausgedrückt noch dichter war, wird nun auch der Dichter selbst bezeichnet, um die Einheit von Dichter und Dichte auszudrücken. Denn der Dichter ist nur das Sprachrohr für die Klangimpulse, die im Grunde seines Bewusstseins pulsieren. Die Dichte selbst spricht den Dichter also als »mein Dichter« an und bestätigt dem Dichter mit dem wiederholten »ja« die Richtigkeit seiner Erkenntnis.
Die erste Verszeile beschreibt also sowohl die Dichte als auch ihre Einheit mit dem Dichter. Sie ist dem Aspekt der Samhita und des Rishi, des Erkennenden gewidmet. In der zweiten Verszeile wird das Thema Soma angesprochen, der Devatâ-Aspekt, der für die Dynamik, die Wirkung des Verses verantwortlich ist: Der Dichter soll uns, den Zuhörern, etwas Soma bahnen, indem er einen vedischen Vers ausdrückt, der den Somafluss in unserem Nervensystem in Gang setzt.
Durch diesen Somafluss bricht schließlich die unmanifestierte Dichte der Stille auf und lässt den vedischen Vers entstehen, den Chandas-Aspekt des Veda, der sowohl die Einheit der Samhita als auch die Dreiteilung in Rishi-Devata-Chandas, in Erkennenden, Erkenntnisprozess und Erkanntes, offenbart: die Drei-in-Eins-Struktur selbst-bezogener Erkenntnis.
Wir sehen, dass uns die westvedische Deutung dieses Verses durchaus vedisches Wissen liefert, obwohl es doch völlig außer Zweifel steht, dass Madhuchandas, der Rishi dieses Verses, weder Deutsch noch Englisch sprach und den Urklang des Veda nicht als sprachlichen Ausdruck einer westgermanischen Sprache formuliert haben konnte.
Wie kommt es dann, dass wir den Vers trotzdem als eine Art urtümliche Muttersprache deuten und verstehen können? Es gibt nur eine Erklärung: Der vedische Urklang ist eine von menschlicher Sprache unabhängige Klangfolge, die erst durch den Menschen selbst als sprachlicher Ausdruck interpretiert wird. Und das gelingt uns deshalb, weil sich unsere eigene indoeuropäische Sprache wie alles andere aus dem Unmanifesten entwickelt hat, dessen Grenze zum Manifesten der Rik-Veda darstellt. Deswegen heißt es in RV 10.71:
O Herr des Lieds, zu Anbeginn der Sprache,
als sie gedachten, Namen zu vergeben,
offenbarte das Bewahrte insgeheim
aus Zuneigung das strahlend Makellose.
Ich habe den Klängen eine für uns Deutsche plausible Bedeutung zugeordnet, den Formen also »Namen gegeben«, die mir »das Bewahrte«, nämlich der überlieferte makellose, strahlende Klang des Rik-Veda, »offenbarte«. Dieser Vorgang wird im nächsten Vers von Sûkta 10.71 näher erläutert:
Wo sie Sprache wie gedroschnes Korn im Sieb
säubern und im Geist geschickt gestalten,
da werden Freunden Freundschaften bewusst.
Ihre Sprache ist vom Glückszeichen geprägt.
Die Zuordnung von Klang und Bedeutung ergibt mit fortschreitender Entwicklung eine Sprache, die noch sehr nahe mit dem Naturgesetz, das die Schöpfung aufrechterhält, verbunden ist, und daher »vom Glückszeichen geprägt« ist. Denn diese Zuordnung beruht keineswegs auf Willkür. Nur, wenn der Vers für mich einen Sinn zu geben scheint, kann ich den einzelnen Wörtern eine Bedeutung beimessen. Ich muss die verschiedenen Möglichkeiten abwägen und filtern, muss die »Sprache wie gedroschnes Korn im Sieb säubern und im Geist geschickt gestalten«. Und das gelingt mir nur, wenn ich zum Ursprung des Veda, dem transzendenten Feld, eine enge, freundschaftliche Beziehung habe.
Keine Sanskritkenntnis ist dazu nötig, denn Sanskrit ist erst aus dem Urklang entstanden, als man im Rik-Veda eine sprachliche Aussage zu hören glaubte. Das ist die Macht der Mâyâ, der Sinnestäuschung, die uns den gesamten Bereich der relativen Schöpfung vorgaukelt. Die Gedankengebäude und die Sinngebung ergeben sich erst, nachdem der ewige Urklang in der Stille des eigenen Bewusstseins vibriert und zum Leben erwacht. Nur das Selbst kann das Selbst vollkommen verstehen und deuten.
Darum steht im Shrîsûkta Vers 7, letzte Zeile:
kîrtim riddhim dadatu me.
Sanskrit: Ruhm und Reichtum bringe er mir.
Aufgebrochen in westvedische Sinneinheiten:
kî-irtimr rid dhimd dad datum e
Key-Irrtümer rid! Dimmed dad Datum eh.
Schüttle die Schlüssel-Irrtümer ab! Verdunkelt ist das ewig Gegebene.
Fazit: Der Veda ist ein lebendes Vermächtnis, zu dessen Verständnis wir zwar die historische Linguistik und das Studium des vedischen Sanskrit nutzen können, aber diese Vorbildung ist noch lange keine Garantie, dass wir darin auch wirklich eine zeitgemäße Botschaft des Veda sehen können. Viel wichtiger als ein indologisches Sprachstudium ist das Eintauchen und Vertrautwerden mit reinem Bewusstsein, dem transzendenten Feld, in dem die Verse des Veda ewig vibrieren.
Eine sprachliche Kommunikation ist ein lebendiges Zwiegespräch zwischen Sprecher und Empfänger und wird vom Empfänger spontan aus dem Augenblick heraus verstanden, wobei es durchaus vorkommt, dass der Empfänger etwas anderes versteht als der Sprecher geplant hat. Wichtig ist allein, ob das, was verstanden wurde, für den Empfänger einen Sinn ergibt.
Unter diesem Gesichtspunkt erscheinen auch folgende Aussagen Maharishis in einem neuen Licht.
»Der Veda ist heute lebendig wie zu allen Zeiten, zu jeder Tages- und Nachtzeit, Jahreszeit, in jedem Zeitalter. Er ist lebendig. Er wirkt ewig und ordnet aus sich selbst heraus die Aktivität des aus Galaxien bestehenden Universums.«
Maharishi zur Bedeutung der vedischen Hymnen
Aus einem Vortrag von Maharishi Mahesh Yogi, Humboldt, 1971:
Die Hymnen bestehen aus Worten, und jedes Wort hat auf jeder Bewusstseinsebene seine Bedeutung; deswegen ist es unmöglich, ihren wahren Gehalt zu kennen. Ein Wort, ein Klang, hat eine Bedeutung, die entweder richtig oder vollkommen falsch gedeutet werden kann. Auf jeder Bewusstseinsebene hat es eine andere Bedeutung.
Darum konnten die Interpreten der Veden, die Kommentatoren, die Veden nur von ihrer Bewusstseinsebene aus kommentieren. Der Seher hat die Hymnen auf einer besonders feinen Ebene geschaut, die aber zu allen Zeiten auch für jeden anderen Seher erreichbar ist. Wer allerdings nicht auf dieser Ebene gegründet ist, wer die Wirklichkeit auf dieser Ebene nicht erkennt, kann die volle Wahrheit einer Hymne des Veda niemals erfassen.
Aber auch, wenn nur ein Teil der Bedeutung erfasst wird, wenn es nur ein kleiner Teil der ewigen Wahrheit ist, ergibt das bereits auf jeder Ebene des Lebens einen Sinn, je nachdem einen sehr groben oder sehr feinen. Nehmen wir einmal das Wort »usha« mit der Bedeutung »Morgenröte«. Für einen Dichter mag Morgendämmerung einfach so etwas wie »das Ende der Nacht« bedeuten. Aber das Wort Morgendämmerung kann auf jeder Bewusstseinsebene einen anderen Sinn ergeben.
Es kann das Heraufdämmern des Einheitsbewusstseins bedeuten. Es kann bedeuten, dass uns das Gottesbewusstsein dämmert. Es kann bedeuten, dass Kosmisches Bewusstsein aufdämmert. Es kann bedeuten, dass Transzendentales Bewusstsein dämmert. Es kann die Morgendämmerung bedeuten, bevor die Sonne aufgeht. Es kann bedeuten, dass der Mond aufgeht.
Je nach Bewusstseinsebene des Erkennenden ergibt sich eine andere Bedeutung von »usha«. Und deshalb gelten die Veden als unergründlich – »endlos ist der Veda« heißt es. Unergründlich ist das Wissen des Veda. Denn das ist die Natur des Lebens. Das Leben ist unergründlich. Jemand kann auf einer bestimmten Ebene stecken bleiben und doch das Leben in den glühendsten Worten preisen. Dichter haben zu allen Zeiten das Leben besungen, und jedes Lied hat seinen eigenen Wert, seinen eigenen Reiz und seine eigene Bedeutung. Und jeder findet eine Deutung auf seiner Ebene des Bewusstseins, findet darin seine eigene Wahrheit. Alle großen Denker der Vergangenheit wie Platon, Aristoteles und andere, sie alle haben von ihrer Bewusstseinsebene aus gesprochen.
Und genau das sagt die bekannte Hymne des Veda:
»Die vedischen Worte sind im allgegenwärtigen Feld der Transzendenz strukturiert. Wer damit nicht vertraut ist, was kann dieses Wissen ihm bringen? Doch wer damit vertraut ist, der ist gegründet in Ausgeglichenheit, im Gleichgewicht des Lebens.«
Im Gleichgewicht zwischen der Rauheit des Relativen und der Anmut des Absoluten, im Zustand der Einheit. Und das alles durch das Wissen des Vedas. Das Wissen des Vedas reicht vom feinen, zarten Aufbau der Form im Namen bis in den Bereich der greifbaren Form. Das ist das Wissen des Vedas. Von der feinsten Struktur der Form im Namen bis zu ihrem ausgeprägten, konkreten Ausdruck in der tatsächlichen Form – dieses ganze Wissen. Das Verstehen dieses ganzen Wissens hebt das Leben an bis zu seinem höchsten Wert.
Maharishi zur Bedeutung des Wortes Devata
Maharishi in der Weltpresse-Konferenz vom 09.07.2003:
Devata wurde vollkommen falsch als »Gott« interpretiert. Interpreten des Vedas aus fremden Ländern haben es »Gott« genannt und damit eine heillose Verwirrung gestiftet: ein Gott? Viele Götter? Damit ging der ganze Gelehrtenstreit los mit hanebüchenen Argumenten voller Unkenntnis.
Wir nennen Devata »kreative Intelligenz«. Und es gibt tausend Eigenschaften kreativer Intelligenz im Feld der Dynamik und tausend Eigenschaften kreativer Intelligenz im Feld der Stille. Tausend Namen von Shiva und tausend Namen von Vishnu und tausend Namen verschiedener Devatas. Alle Devatas sind unterschiedliche Eigenschaften kreativer Intelligenz. Devata im Sinne von Gott zu interpretieren, ist irreführend. Aber es spielt keine Rolle, wie wir es nennen. Die Bedeutung ist Vielfalt in der Einheit der Stille. Und Vielfalt in der Einheit der Dynamik. Die Einheit der Dynamik und die Einheit der Stille, beides ist nur eins: Einheit.
Das ergibt ein schönes, umfassendes Bild. So praktisch, dass es jeder verstehen kann. Deswegen erklären wir es jedem. Und wer das Glück beim Schopfe packt, der nutzt es, um damit sein eigenes kosmisches Potential zum vollen Erblühen zu bringen, und hilft damit der ganzen Welt.
Wir nennen Devata »kreative Intelligenz«. Und es gibt tausend Eigenschaften kreativer Intelligenz im Feld der Dynamik und tausend Eigenschaften kreativer Intelligenz im Feld der Stille. Tausend Namen von Shiva und tausend Namen von Vishnu und tausend Namen verschiedener Devatas. Alle Devatas sind unterschiedliche Eigenschaften kreativer Intelligenz. Devata im Sinne von Gott zu interpretieren, ist irreführend. Aber es spielt keine Rolle, wie wir es nennen. Die Bedeutung ist Vielfalt in der Einheit der Stille. Und Vielfalt in der Einheit der Dynamik. Die Einheit der Dynamik und die Einheit der Stille, beides ist nur eins: Einheit.
Das ergibt ein schönes, umfassendes Bild. So praktisch, dass es jeder verstehen kann. Deswegen erklären wir es jedem. Und wer das Glück beim Schopfe packt, der nutzt es, um damit sein eigenes kosmisches Potential zum vollen Erblühen zu bringen, und hilft damit der ganzen Welt.
Jan Müller ist Buchautor und Verleger. Er studierte Kunst und Germanistik und arbeitete unter anderem als Übersetzer für Englisch und Sanskrit, Journalist, Marktforscher, Werbetexter, Grafiker, Illustrator und Lehrer für Transzendentale Meditation. In seinem Verlag Alfa-Veda - für bewusstseinsbezogenen Lern- und Lesespaß veröffentlicht er Märchen, Geschichten, Gedichte, gehirn-gerechte Lernspiele, Anthologien und E-Books. Seit 2006 betreut er ein Zeichenforum im Internet und gibt online-Workshops.