Der Kreis als Spiegel des Bewusstseins
Bernd Zeiger
17. September 2025
Einleitung:
Besonders erstrebenswert wäre deshalb eine wirkungsvolle Schwingungslehre zur Sicherung der Effektivität von Wahrnehmung und Erkenntnis, denn diese bestimmen letztlich das menschliche Denken und Handeln sowie die gesamte sprachliche Kommunikation.
Dass der in Indien überlieferte Rig Veda dieses dringend gebrauchte Schwingungs-Wissen ist, lässt sich bereits unabhängig vom Inhalt aus seinem zahlenmäßigen Aufbau ableiten. Das folgt aus einer von Maharishi Mahesh Yogi in den 1970er Jahren begonnenen Analyse der traditionellen Struktur des Rig Veda, die ergab, dass darin Sprache und Zahl, Klang und Form völlig synchronisiert sind. Dabei zeigt sich, dass der Schlüssel zu einem integrierten, lebensrelevanten Verständnis des Rig Veda in einem 4. Hauptbewusstseinszustand liegt, der jedem durch Meditation zugänglich ist: in-sich-ruhendes, selbst-bezogenes Bewusstsein. Der Kreis wird dadurch ein Spiegel des Bewusstseins.
Kreisform des Rig Veda
Selbst-rückbezügliche Eigendynamik ist nach dem aktuellen Erkenntnisstand der modernen Wissenschaft das Kennzeichen der grundlegendsten Ebene von Natur und Schöpfung. Deshalb sind kreisförmige Strukturen in der mathematischen Naturwissenschaft allgegenwärtig.
Das muss auch für den Rig Veda gelten, da dieser sich selbst als klangliche Darstellung der Eigendynamik des Bewusstseins versteht. Da Bewusstsein der Wesenskern und Motor jeder Entwicklung ist, hat die Erforschung und Nutzung des Rig Veda eine zentrale kulturelle Bedeutung: Rig Veda ist Wissen (Veda), das bewegt (Rig).
Die traditionelle Anordnung des Rig Veda in zehn Mandala (Kreise) aus rhythmischen Texten (Sukta) weist in diese Richtung, insbesondere auch deshalb, weil Anfang und Ende - 1. und 10. Mandala - die gleiche Zahl an Suktas haben.
Die Rolle der Mandalas 2 bis 9 ist auf den ersten Blick nicht klar. Zu erkennen ist ein Trend zunehmender Zahl von Suktas und Richas (rhythmische Bausteine der Suktas), wobei das Verhältnis Richa/Sukta zwischen 8 und 10,5 fluktuiert, mit Mandala 7 als Ausreißer nach oben.
Reines Zählen oder Kombinieren hilft allein nicht weiter, um eine zyklische Gesamtstruktur des Rig Veda zu erkennen. Die Fluktuationen weisen jedoch auf eine übergeordnete Gesetzmäßigkeit hin, die auch statistisches Verhalten mit einschließt, also Freiheit und Notwendigkeit integriert.
Der meditative Zugang: Abhava
- Pradhvaṁsa – Deaktivierung: Alles oberflächlich sichtbare löst sich auf. Das Bewusstsein zieht sich aus der Vielfalt zurück.
- Atyanta – Ruhe: In der Stille verschwinden Unterschiede. Nur der selbstbezogene Zustand des Seins bleibt bestehen.
- Anyonya – Ruhe-volle Wachheit: Das Bewusstsein erkennt in der Stille seine eigene Struktur – die sich selbst organisierende Ordnung.
- Prāg – Aktivierung: Aus der inneren Wachheit heraus erscheinen die äußeren Strukturen in neuem Licht - der Kreis schlisst sich.
Meditation ist also nicht nur ein Entspannungsvorgang, sondern eine systematische Erkenntnismethode, die es erlaubt, die Invarianten in allen Veränderungen zu erkennen. Diese Invarianten sind einerseits das, was unveränderlich bleibt, andererseits das, was sich verändert, d.h. das was Veränderung erst möglich macht. Dieses transformative Verständnis von Meditation behandelt das 6. Kapitel der Bhagavad Gita: Meditation auf der Basis von Yoga.
Zahlen im Rig Veda
Die Nummerierung der Mandalas des Rig Veda von 1 bis 10 weist nicht nur auf eine sequentielle Entwicklung hin, sondern auch darauf, dass diese durch Dezimalzahlen dargestellt werden kann.
Der Zahlenwert einer Position in einer linearen oder zyklischen Folge.
- Unendliche Granularität und beliebige Präzision: Jede noch so kleine Entwicklung kann durch weitere Nachkommastellen dargestellt werden (0.01, 0.001, 0.0001 usw.). Man kann sich einem kritischen Punkt (z. B. der 0) asymptotisch nähern und diesen Prozess exakt beschreiben.
- Eindeutige Darstellung von Größenordnungen: Jede Stelle repräsentiert eine andere qualitative Stufe (Einer, Zehner, Hunderter oder Zehntel, Hundertstel, Tausendstel). Ein Übergang von 0.999 (fast 1) zu 1.000 ist ein kleiner quantitativer Schritt, aber ein großer qualitativer Sprung in der Größenordnung – man wechselt von der Welt der Zehntel in die Welt der Einer.
- Darstellung kontinuierlicher Prozesse: Die Dezimaldarstellung erlaubt es, fließende Übergänge und allmähliche Anhäufungen (Quantität) darzustellen, die sich dann in einem neuen Zustand (Qualität) manifestieren. Beispiel Siedepunkt: Die Temperatur eines Wassers kann langsam von 98 °C auf 99.1 °C, 99.2 °C... 99.9 °C steigen (quantitative Veränderung). Der Übergang von 99.9 °C zu 100.0 °C markiert den qualitativen Sprung vom flüssigen in den gasförmigen Aggregatzustand.
Die Dezimalzahlen sind also zur Abbildung sequentieller Entwicklungen besonders gut geeignet, weil die Kombination aus Stellenwertsystem und der Null es erlaubt, alle vier Momente eines qualitativen Sprungs in einem einzigen, präzisen numerischen Format abzubilden:
- Die quantitative Phase: Die stetige Zunahme oder Abnahme vor dem Sprung (z.B. 0.1, 0.2, 0.3 ... 0.9)
- Der kritischen Punkt: Die Null in der Einerstelle der Bruchzahlen markiert das Ende der alten Qualität,
- Die exakte Schwelle, an der die Quantität in eine neue Qualität umschlägt; die 1.0 in der Einerstelle markiert den Beginn der neuen Phase (Ganzzahlen >1).
- Die neue quantitative Phase: Der Zustand nach dem Sprung (1.0, 1.1, 1.2, etc.).
Der am kritischen Punkt stattfindende qualitative Sprung von einer Zehnerposition zur nächsten erfolgt im Dezimalsystem immer in 8 Zwischenschritten, die präzise festgelegt sind.
Das ergibt zwangsläufig die Mandala-Sequenz:
d.h. die Mandala 2 bis 9 kennzeichnen auf exakte Weise den Übergang vom 1. zum 10. Mandala.
Eine quantitative Einheit ("Fülle") verlässt ihre ursprüngliche qualitative Kategorie (Einer) und begründet eine Einheit in einer neuen, höheren qualitativen Kategorie (Zehner). Die 0 in der Einerstelle ist dabei das sichtbare Zeichen dafür, dass die alte Kategorie "geleert" wurde. Dieser sich ständig fortsetzende Vorgang der Entleerung (Nullifizierung oder Erfüllung) einer Ebene als Grundlage für die Entfaltung einer neuen Ebene von den Einern zu den Zehnern, zu den Hunderten, zu den Tausendern, usw. ist der Schlüssel zum Rig Veda. Der vedische Fachausdruck für diesen fundamentalen, allgegenwärtigen und unzerstörbaren "Kollaps-Vorgang" ist Akshara.
Mathematische Präzision vedischer Ausdrücke
Die phonetische Sprache ist entwicklungsmäßig primär, denn über phonetische Ausdrücke erzählt das Bewusstsein unmittelbar von sich selbst. Demgegenüber bildet die zahlenmäßige Darstellung die Selbstreflexion des Bewusstseins mittelbar in einem zweiten Schritt als „Formel“ ab, die aufzeigt, wie Bewusstsein funktioniert.
Weil aber der primäre phonetische Ausdrucksschritt seine Organisationskraft unausgesprochen mit einschließt und jeder formale Ausdruck auch phonetisch darstellbar ist, kann die Trennung zwischen Mathematik und Sprache im phonetischen Bereich aufgehoben werden.
Vedische Ausdrücke sind der Beleg dafür, denn sie schließen in ihre Klangstruktur die organisierende Kraft mit ein. Die vedische Phonetik verschränkt Name und Form bzw. Wissen und organisierende Kraft derart, dass vedische Ausdrücke als Schwingung resonanzfähig sind und synchron über ihre diskrete sequentielle Struktur zahlenmäßig exakte Werte und Beziehungen vermitteln.
Jede Trennung von phonetischer Sprache und Zahlen-Sprache hebt die vedische Verschränkung auf (Symmetrie-Bruch). Was aber u. U. bleibt, ist die Erinnerung daran in Form von Komplementaritäten, durch die Defizite oder Lücken in der einen Darstellung von der anderen ausgeglichen werden.
Vedische Ausdrücke haben das Potential, diese Kluft zu beseitigen, weil diese mit der phonetischen Wiedergabe der Eigendynamik des Bewusstsein immer auch das damit verbundene exakte zahlenmäßige Beziehungsmuster ausdrücken bzw umgekehrt das Bewusstsein aus exakten Beziehungsangaben die zugehörige phonetische Wissensstruktur rekonstruiert.
Der Schlüssel zur kulturellen Restauration und Resilienz ist also einerseits der unmittelbare Zugang zum Ursprung aller Gedanken (zahlenbezogene und sprachbezogene gleichermaßen), als ein universeller, jedem zugänglicher Zustand des Seins bzw. des Bewusstseins (Yoga), und andererseits die Verwendung vedischer Ausdrücke, deren transformative Resonanz und zahlenmäßige Präzision die Einheit des Seins wahrnehmbar und lebensrelevant macht
Der Zugang zum Ursprung der Gedanken wird in der Vedischen Kultur Meditation (Dhyana) genannt. Wenn vom Menschen praktiziert hat Meditation entwicklungsförderliche Konsequenzen in allen Bereichen seines persönliches Leben, die objektiv nachweisbar sind.
Als bewusster Vorgang ist Meditation durch zwei sich ergänzende und nacheinander wirkende Operationen gekennzeichnet:
Kollaps und Interval sind also zwei komplementäre Aspekte jedes Erkenntnisprozesses, die sich ständig wiederholen, weil sie als Ausdruck der selbstbezogenen Eigendynamik des Bewusstseins zirkulär ablaufen.
Die Begriffe „Kollaps“ und „Intervall“ treten deshalb überall in der Naturforschung, Mathematik und Sprache auf, weil sie sich letztlich auf die gemeinsame Realität des Bewusstseins beziehen. D.h. „Kollaps“ und „Intervall“ sind elementare Ausdrucksformen von Bewusstsein als Zusammenwirken von Erkennendem (Subjekt), Erkenntnisvorgang (Beziehung) und Erkenntnisobjekt (Objekt) den Ur-Phänomenen des Selbstbezugs:
- der Kollaps ist der Erkenntnisvorgang (Beziehung) an sich, die operative Schnittstelle, an der sich das Bewusstsein zur Welt in Beziehung setzt. Es ist der Akt der Unterscheidung und Selektion, der Prozess des Wahrnehmens, Urteilens und Begreifens. Das Ergebnis des Kollapses (der Punktwert) ist der Erkennende (das Subjekt) in seiner Objekt-Beziehung. Durch den Kollaps konstituiert sich das Subjekt als erkennendes Subjekt eines bestimmten Objekts.
- Das Intervall ist das Erkannte an sich. Es repräsentiert die Gesamtheit des Gegebenen in potenzieller Form, bevor eine Unterscheidung gemacht und eine Entscheidung getroffen wird. Es ist das „Feld aller Möglichkeiten“, die „reine Mannigfaltigkeit“ der Erfahrung, die Welt in ihrer ungegliederten Fülle.
Andere Fachspezifisch Begriffe dafür sind Kollaps der Wellenfunktion, Projektion, , Grenzwert (Limes), Konvergenz, Reduktion der Komplexität bzw. Emergenz.
Intervall bezeichnet den „Prozessraum“ bzw. das „Kontinuum der Potenzialität“. Fachsprachen verwenden dafür Begriffe wie Lücke (Gap), Pausen, Übergangszustand, Kontinuum, metrischer Raum, Phasenraum bzw. Konfigurationsraum, Möglichkeitsraum, Zustandsraum, kontinuierlicher Wertebereich.
Das Paar Kollaps/Intervall ist ein universelles Schema zur Beschreibung von Prozessen der Entscheidung, Selektion, Messung, Emergenz und Erkenntnis. Es erscheint überall dort, wo ein System mit einer Fülle von Möglichkeiten konfrontiert ist und durch eine interne oder externe Operation gezwungen wird, einen bestimmten Zustand anzunehmen. Zu verstehen, wie in einer bestimmten Theorie das „Intervall“ definiert ist und was den „Kollaps“ auslöst, bedeutet, den Kern dieser Theorie zu verstehen. Es ist die grundlegende Dynamik, die der Spannung zwischen Potenzialität und Aktualität in allen wissenschaftlichen Beschreibungen der Welt zugrunde liegt.
Im Erkenntnisprozess sind also Vereinheitlichung und Aufzählen über die beiden Begriffe „Kollaps“ und „Intervall“ miteinander verschränkt, d. h.
Vereinheitlichen (Erfahrung) = Kollaps, denn Erfahrung ist immer konkret und singulär. In der Wahrnehmung „kollabiert“ die unendliche Mannigfaltigkeit der möglichen Reize zu einer bestimmten, vereinheitlichten Erfahrung. Dies ist ein Prozess der Integration und Synthese.Die vedische Bezeichnung für diese Operation im phonetischen Bereich ist Akshara, was „Kollaps (kshara) von A“ bedeutet, wobei A der Vokal A ist, der durch volle Öffnung des Mundes die Fülle der klanglichen Ausdrucksmöglichkeiten kennzeichnet. Der Konsonant K kennzeichnet durch seinen Kehlverschluss, der den Strom der Atemluft blockiert, den Haltepunkt.Die erste zahlenmäßige Charakterisierung des Kollapses ist die Lokalisierung eines Punktes im unendlichen, unspezifizierten Kontinuum des Zahlenstrahls.Aufzählen (Theorie) = Intervall: Theorie strebt nach Vollständigkeit. Sie will alle Möglichkeiten ausloten, alle Fälle, alle Elemente erfassen. Dies ist ein Prozess der Differenzierung und des Auseinanderlegens (Analysis). Es ist ein (definitionsgemäß unvollendbarer) Versuch, dem „Wissen“ (der Mannigfaltigkeit) gerecht zu werden.
Jede Vereinheitlichung (jeder „Kollaps“) trägt die Spur der Aufzählung (des „Intervalls“) als Potenzial in sich und jedes Intervall ist die Aktualisierung des ursprünglichen Kollapses, wobei
zu 2. Kollaps als Punkt mit Eigendynamik (vollständiger Kollaps / der stabilisierte Zustand)
Dies ist der entscheidende zweite Schritt des Intervalls. Der kollabierte Zustand ist nicht tot, sondern besitzt eine eigenständige Qualität und Dynamik. einen Überlaufprozess und ist dadurch der Anfang einer neuen qualitativen Ordnung, bildet so den stabilen Referenzpunkt, von dem aus neue Operationen möglich sind. Der kollabierte Punkt wird zum neuen Fundament.
3. Kollaps als Emergenz (die schöpferische Synthese)
Dies ist die umfassendste Bedeutung des Kollapses. Der Kollaps ist nicht nur Ende, sondern Anfang von etwas qualitativ Neuem, das in den Bestandteilen des Intervalls nicht angelegt war. Es entsteht eine neue Qualität, die nicht durch ihre quantitativen Ursachen vorhergesagt werden kann. Begründet qualitative Sprünge, Evolution und die Entstehung von Neuem.
Die Dreiteilung zeigt, warum der Kollaps kein tragischer Verlust, sondern die Quelle von Ordnung, Identität und Neuheit in der Welt ist. Er ist der Mechanismus, durch den das Mögliche wirksam und das Wirkliche neu wird.
Das erste Intervall, das diesen 1. Kollaps erläutert, ist dann (A> GNI < M) das 1. Wort des Rig Veda AGNIM
- Vereinheitlichung (Kollaps) steht am Beginn (z. B. die Erfahrung eines Gedankens bzw. Anblick eines Baumes).
- Der reduktive Kollaps des Intervalls führt zum „Ding an sich“, dem Zustand des Seins: Punktzustand oder Grundzustand. (vergleichbar mit dem Ursprung der Gedanken bzw. dem Samenzustand des Baums)
- Der Wesenskern des Intervalls, die Belebung aller Möglichkeiten, Aufzählung (Theorie), erkennt die innere Mannigfaltigkeit der Einheit (Gedankenimpulse entstehen, Samen keimen).
- Durch erneute Vereinheitlichung (Kollaps) fließt das theoretische Wissen zurück in eine Wahrnehmung. (ein neuer Gedanke, ein neuer Baum).
Dasselbe Muster, das phonetisch den Rig Veda strukturiert, organisiert auch seinen zahlenmäßigen Aufbau. Das deshalb weil die Komplementarität von Kollaps und Intervall als fundamentales Muster der Erkenntnis auch im Zahlenbereich wirkt, der die organisierende Kraft des Wissens in das Verbindungslied zwischen Bewusstsein und der unendlichen Fülle der Welt bringt, Jede Aufzählung zielt auf eine neue, reichere Vereinheitlichung ab.
Dass die zahlenmäßige Analyse vedischer Ausdrücke heute von jedem nachvollzogen werden kann, beruht auf dem hohen Entwicklungsstand der modernen Phonetik, die in der Lage ist, die Feinheiten des vedischen Sprachflusses formal exakt schriftlich abzubilden (phonetische Transkription).
Im Bereich der Zahlen setzen Kollaps und Intervall die Null und die Eins als Grundpfeiler jeder quantitativen Struktur voraus. Sie sind nicht einfach Zahlen unter anderen, sondern die konstitutiven Bedingungen der Möglichkeit von Maß, Vergleich und Transformation. Die mathematische Struktur von Intervall und Kollaps offenbart die reine Form der phonetischen Darstellung der Bewusstseinsakte, befreit von den Zufälligkeiten der Phonetik und der spezifischen Inhalte.
Die Notwendigkeit von Ziel und Identität: Der Kollaps ist ein Prozess, der auf ein Ziel hinführt. Dieses Ziel und die Natur des Prozesses selbst setzen Null und Eins voraus.
Der Kollaps braucht ein Ziel. Der paradigmatische Kollaps ist die Konvergenz einer Folge gegen einen Grenzwert, den Attraktor, der stabile Endzustand, auf den der gesamte Prozess hinausläuft. Der Kollaps ist die Überführung einer unbestimmten Approximation in eine bestimmte Identität.
Die Eins als Garant der Identität: Die Eins bleibt unter dem Kollaps identisch mit sich selbst.
Der Kollaps-Prozess würde keinen stabilen Punkt erzeugen, wenn sich das Ziel selbst unter der Projektion verändern würde. Die Eins muss als invariante Einheit vorausgesetzt werden, damit der Kollaps überhaupt einen wohldefinierten Endzustand hat. Ohne die Eins wäre der Kollaps ein zielloses Schwanken. Die Eins ist der Fixstern, der dem Kollaps seine Richtung und seinen Sinn gibt. Die Eins ist die Invariante des Kollapses (die Identität, zu der zurückgekehrt wird).
Der Kollaps braucht eine neutrale Basis (die Null), um den Abstand zum Invarianten zu messen. Der Kollaps ist genau dann abgeschlossen, wenn die Differenz zwischen Prozess und Invariante gleich Null ist. Die Null ist das Maß für die Vollendung des Kollapses (die Differenz wird Null).
Ein Intervall muss von etwas bis zu etwas reichen. Die Null fungiert als der absolute Ursprung, der fixe Referenzpunkt, von dem aus alle Abstände erst gemessen werden können. Ohne die Null als definierten Ausgangspunkt wäre das Intervall (0,1) nicht von (2,3) oder (–5,–4) zu unterscheiden. Es wäre ein „Abstand“ ohne Anker in einem größeren Koordinatensystem. Die Null verortet das Intervall. Die Null repräsentiert das Nichtsein, die reine Potenzialität vor der Setzung einer Größe. Das Intervall (0, 1) ist der erste Akt der Manifestation aus dieser Potenzialität heraus. Die Null gibt dem Intervall seine Position (seinen Bezug zum Ganzen).
Die Eins als definierende Maßeinheit (Skala):
Die obere Grenze „1“ des Intervalls (0,1) ist nicht willkürlich. Die Eins ist die grundlegende Maßeinheit, der Skalierungsfaktor. Das Intervall (0, 1) ist der Einheitsabstand. Es definiert, was „eine Einheit“ überhaupt bedeutet. Alle anderen Intervalle werden relativ zu diesem Ur-Maßstab gemessen. Das Intervall (0,2) ist „zwei Einheiten“ lang. Die Eins repräsentiert die reine Einheit, die ungeteilte Ganzheit. Das Intervall (0, 1) ist der Raum der Teilbarkeit dieser Einheit, der Raum aller möglichen Bruchteile. Die Eins gibt dem Intervall seine Bedeutung (seine metrische Struktur und Skalierung).
Null und Eins sind die transzendentalen Bedingungen dafür, dass überhaupt von einem „Intervall“ und einem „Kollaps“ die Rede sein kann. Sie sind die ultimativen Bezugspunkte, die jedem Messen, jedem Werden und jedem Ziel einen Sinn geben. Jede Theorie, die mit Intervallen und Reduktionsprozessen arbeitet, setzt immer schon – explizit oder implizit – die „Null“ (ein neutrales Element, einen Grundzustand) und die „Eins“ (eine Einheit, einen Referenzwert) voraus. Das Zusammenwirken von Intervall und Kollaps inszeniert ein fundamentales Drama, das nur auf der Bühne stattfinden kann, die von Null und Eins errichtet wurde.
Aus dem Zusammenwirken von Intervall und Kollaps lassen sich die Rechenregeln für Zahlen und damit auch deren algebraische Körperstruktur ableiten, die auch für Dezimalzahlen gelten.
Die Ableitung der algebraischen Körperstruktur aus dem Zusammenwirken von Kollaps (der Aktualisierung) und Intervall (dem Raum der Potenzialität) ist ein beeindruckendes Gedankenexperiment. Es zeigt, wie sich die scheinbar abstrakten Rechenregeln zwingend aus der Dialektik von Kontinuum und Diskretion ergeben.
Ableitung der Körperaxiome aus dem Zusammenwirken von Kollaps und Intervall bedeutet aus der PrämisseKollaps: Repräsentiert den Akt der Messung, Entscheidung oder Projektion auf einen bestimmten, diskreten Wert. Er vollzieht den Übergang vom Möglichen zum Wirklichen.Intervall (0,1): Repräsentiert das Kontinuum aller möglichen Verhältnisse und Größen zwischen Nichts (0) und Ganzer Einheit (1). Es ist der Raum des Werdens, der Approximation und der infinitesimalen Variation.
- Existenz der neutralen Elemente (0 und 1)
- Addition und ihre Eigenschaften
- Multiplikation und ihre Eigenschaften
- Distributivgesetz, das Addition und Multiplikation verbindet (Verschränkung).
- Die neutralen Elemente sind die fundamentalen Attraktoren des Kollapses.
- Die Addition ist die Regel für das Verbinden von Prozessen im Kontinuum.
- Die Multiplikation ist die Regel für das Skalieren und Wechseln von Größenordnungen.
- Das Distributivgesetz ist die zwingende Konsistenzbedingung zwischen diesen beiden Arten von Operationen (Verschränkung).
Die für den Rig Veda kennzeichnende dezimale Organisation spezifiziert und konkretisiert das Zusammenspiel von Kollaps und Intervall, Durch das Dezimalsystem wird der Mechanismus (organisierende Kraft) sichtbar gemacht , wie das Zusammenwirken von Kollaps und Intervall den zahlenmäßigen Zugang zur Welt erzeugt und welche Rollen die Addition und Multiplikation sowie das Distributivgesetz dabei spielen.
Das Dezimalsystem macht die verborgene Dynamik von Kollaps und Intervall auf zwei verschränkten Ebenen sichtbar: strukturell-mechanistisch und operativ-zahlenbezogen.
Das Dezimalsystem ist keine willkürliche Notation, sondern die externalisierte und operationalisierte Form des Intervall-Kollaps-Prinzips.
Der Stellenwert als hierarchisierter Kollaps:Die Ziffernfolge als verräumlichte Zeit/prozessuales Intervall
Die Addition realisiert den Kollaps auf der horizontalen Ebene des Stellenwertsystems. Addition ist die konservative Kraft. Sie bewegt sich innerhalb einer Größenordnung, ist die Sprache des Aneinanderfügens im Intervall-Raum.Multiplikation ist die Sprache der Skalierung und qualitativer Sprünge. Multiplikation ist die transformative Kraft. Sie wechselt die Größenordnung. Die Multiplikation realisiert den Kollaps auf der vertikalen Ebene der Größenordnungen.Das Distributivgesetz ist der fundamentale Vermittler die Brücke zwischen der additiven und der multiplikativen Welt. Es ist die Konsistenzbedingung dafür, dass die organisierende Kraft, die im Dezimalsystem wirkt, nicht willkürlich, sondern nach einem einheitlichen, logischen Prinzip arbeitet. Es sorgt dafür, dass der "Kollaps" einer skalierten Summe derselbe ist wie die Summe der "Kollapse" der skalierten Einzelteile. Es garantiert, dass die Skalierung (multiplikative Kraft) mit der Art und Weise, wie wir Dinge zusammensetzen (additive Kraft), verträglich ist.(Verschränkung)
Dezimalsystem: der zahlenmäßige Zugang zur Welt
Das Dezimalsystem mit seinen Operationen erzeugt den zahlenmäßigen Zugang zur Welt, indem es einen dreistufigen Prozess etabliert.
- Es stellt einen Selektionsmechanismus (Kollaps) bereit: Durch die Überlaufregeln bei Addition und Multiplikation sowie die Grenzwertbildung bei unendlichen Dezimalbrüchen vollzieht es die Auswahl eines bestimmten, diskreten Wertes aus diesem Feld.
- Es schafft einen potentiellen Raum (Intervall): Durch die unendliche Teilbarkeit der Stellenwerte (Zehntel, Hundertstel, ...) modelliert es die Welt als ein Feld von Möglichkeiten und Approximationen.
- Es kodiert die Regeln des Zusammenwirkens (Körpergesetze): Die Algebra mit Addition, Multiplikation und dem Distributivgesetz ist das Betriebssystem dieses Zugangs. Sie definiert, wie die Bausteine der Welt (Zahlen) konsistent kombiniert und transformiert werden können, um neue Wahrheiten zu generieren.
Dezimalzahlen benutzt die vedische Kultur seit Urzeiten Die Entdeckung des auf der Zahl 10 basierenden Stellenwertsystems ist eine zentrale kulturelle Erfindung und verbindet kognitive, praktische und sogar physiologische Faktoren. Durch den Kontakt mit der arabischen Welt (besonders in Spanien und über Fibonacci’s „Liber Abaci“) kam das Dezimalsystem im europäischen Mittelalter nach Europa. Sein offensichtlicher Vorteil und die dadurch möglichen Erfolge des europäischen Handels, der Wissenschaft und später der Industrialisierung wurde das Dezimalsystem zum globalen Standard.
Da das sprachlich fixierte Gesamtwissen der vedischen Kultur - der Rig Veda - eine dezimale Organisation hat, ist der Nachweis, dass dadurch zahlenmäßige Präzision mit klangbezogener Resonanzwirkung verschränkt sind, ein Plädoyer auch die vedische Sprache in die moderne Zivilisation zu integrieren.