Einführung in die Welt der Puranas

Michael Stibane

(Die  Texte  dieser Einführung in die Welt der Puranas wurden inhaltlich unverändert, und mit Genehmigung des Autors der Webseite von Michael Stibane entnommen.)


Deutsche Übersetzung Michael Stibane

Anlässlich der Veröffentlichung des Mahapurana Shrimad Devi Bhagavatam von Maharishi Veda Vyasa in deutscher Übersetzung in fünf Bänden präsentiere ich hier eine kleine Einführung in die Puranas, Werke der vedischen Geschichtsschreibung.

1. Die vedische Geschichtswissenschaft

Man kann sicherlich mit Freude die Puranas einfach lesen und Nutzen aus dieser Lektüre ziehen. Diese Einführung in die Welt der Puranas ist für diejenigen gedacht, die gerne ein tieferes Verständnis dieser Texte gewinnen möchten.

In der vedischen Literatur gibt es zwei Arten von Geschichtswerken: die Puranas und die Itihasas. Die Itihasas umfassen zwei Werke: die beiden großen Epen Ramayana und Mahabharata. Die Itihasas unterscheiden sich von den Puranas dadurch, dass deren Autoren Zeitzeugen der Ereignisse sind, die geschildert werden. Außerdem stehen Ereignisse auf der Erde im Mittelpunkt. Valmiki, der Autor des Ramayana, lebte am Ende des Treta-Yuga und Veda Vyasa, der Autor des Mahabharata, am Ende des Dvapara-Yuga. Das ist, was die vedische Tradition zur zeitlichen Einordnung sagt. Was die westlichen Wissenschaftler dazu sagen, lasse ich beiseite, weil ich es hier für unerheblich halte.

Auch wenn es gute Gründe für die Unterscheidung zwischen Puranas und Itihasas gibt, so haben doch beide das Thema Geschichtswissenschaft gemeinsam. Deshalb werde ich auch Texte aus dem Mahabharata und dem Ramayana mit berücksichtigen, wenn es um dieses Thema geht. Wenn ich im Folgenden "Purana" sage, schließe ich die Itihasas mit ein, auch wenn das etwas ungenau ist.

Purana (das erste a ist lang und betont: Puraana) bedeutet übersetzt "uralt". In den Puranas werden zwar auch des Öfteren Ereignisse auf der Erde geschildert, aber im Mittelpunkt stehen die kosmischen Kräfte, insbesondere die Devas und Asuras, deren Interaktion das Geschehen auf der Erde prägen. Maharishi Veda Vyasa ist der bedeutendste Autor der Puranas.

Die Besonderheiten der vedischen Geschichtsschreibung – gerade auch im Unterschied zum westlichen Geschichtsverständnis – beschreibt Maharishi Mahesh Yogi in seinem Kommentar zu Vers 1 des vierten Kapitels der Bhagavad Gita folgendermaßen:

"Das Studium der Geschichte hat einen bestimmten Zweck und Platz im Leben des Einzelnen. Es hat das Ziel, den Geist der Gegenwart durch Informationen über die Vergangenheit zu formen, um so eine bessere Gegenwart und eine bessere Zukunft sicherzustellen. Auf diese Weise nutzt jede Generation die Erkenntnisse aus der Vergangenheit und gelangt zu größerer Lebensweisheit.
Es ist allerdings nicht das Wissen um die chronologische Ordnung der Ereignisse, das die Studenten der Geschichte bildet, vielmehr ist der Nutzen der Ereignisse entscheidend, und gerade auf diesen Aspekt der Geschichtsschreibung haben sich die indischen Geschichtsforscher konzentriert. Sie haben für alle Generationen nur die Vorfälle aus dem großen Lauf der Zeit aufgenommen, die behilflich sein können, das menschliche Leben zu fördern. Ihre Absicht war es, sowohl den einzelnen Menschen als auch der ganzen Gesellschaft neue Anregungen zu geben.
Veda Vyasa, der Weise mit allumfassender Sicht, der als der größte Historiker der arischen Kultur Indiens angesehen wird, betrachtete eine riesige Zeitspanne. Als gewissenhafter und völlig integrierter Mensch konnte er nicht die Geschichtsschreibung dieses unmessbaren Zeitraums als eine Aufeinanderfolge von Tagen und Jahren aufzeichnen. Er konnte nur besondere Ereignisse auswählen und sie derart aufschreiben, dass sie die Menschen aller Zeiten auf dem Pfad der Evolution leiten und in der Vervollkommnung des Lebens unterrichten können. Aus diesem Grunde ist in der indischen Geschichtsschreibung keine chronologische Ordnung zu finden. Vyasa hielt es für absurd, jedes Ereignis chronologisch zu fixieren, nur um jeden Baustein an der richtigen Stelle auf der Straße der Zeit einzusetzen.
Außerdem ist es praktisch unmöglich, die Geschichtsschreibung von Millionen von Jahren in einer chronologischen Reihenfolge zu schreiben. Bei kleinen Ländern mit einer Zivilisation von einigen tausend Jahren ist es für die Geschichtsschreiber, die nur dieses kleine Gebiet in dieser kurzen Zeitspanne zu überschauen haben, durchaus durchführbar, eine chronologische Reihenfolge einzuhalten. Aber Vyasa hatte einen klaren Überblick über die Zeit, vom Tage der Schöpfung an. Ein solcher Geist würde und könnte der Chronologie keinen Wert beimessen."

2. Ein alternatives Verständnis der weltgeschichtlichen Prozesse

Das Studium der Puranas erlaubt ein neues, alternatives, sehr viel tieferes und umfassenderes Verstehen des historischen Geschehens. Das gilt zwar insbesondere für langfristige historische Prozesse, aber auch für sehr aktuelle Entwicklungen. Auch warum es sich dabei um ein alternatives Wissen handelt, das im Mainstream der westlichen Interpretation von Weltgeschichte nirgends zu finden ist, wird im Verlauf des Studiums der Puranas deutlich werden.

Um die Puranas wirklich zu verstehen, muss man die Fähigkeit entwickelt haben, das Verständnis von Welt und Geschichte, in dem man im deutschsprachigen und westeuropäischen Raum aufgewachsen ist, zu transzendieren und sich aus der Gedankenblase (Matrix) zu befreien, in die man durch das System der modernen Erziehung und Bildung eingesperrt wurde. Aus dem Inneren dieser Gedankenblase betrachtet werden die Puranas unter "Mythologie" oder "Religion" subsumiert und als Dokumente einer archaisch-primitiven, vorwissenschaftlichen Art der Weltsicht angesehen, welche die Menschheit glücklicherweise durch den "Fortschritt der Wissenschaft" hinter sich gelassen hat. Wir werden später sehen, dass das pure Asura-Propaganda ist. 

Das direkte Mittel, um den genannten geistigen Befreiungsprozess aus der Gedankenblase zu vollziehen, ist Yoga-Meditation, wie z. B. die von Maharishi Mahesh Yogi weltweit gelehrte Transzendentale Meditation (TM). Gleich am Anfang der Yoga Sutras von Maharishi Patanjali wird Yoga als das bewusste (wache) Zur-Ruhe-Kommen der angeregten (unruhigen) Zustände des Geistes beschrieben. Dies führt zu Samadhi, auch "Transzendentales Bewusstsein" (turiya chetana) genannt, einem Bewusstseinszustand, in dem das Bewusstsein in sich selbst wach und vollkommen still ist. Diese "Erfahrung" des Selbst, in der das Bewusstsein wach allein in sich selbst ruht und sich als ewig und vollkommen unbegrenzt wahrnimmt, ist die erste Erfahrung wirklicher Freiheit. Wenn man diese Erfahrung des Selbst (atman) durch regelmäßige Ausübung der Meditation kultiviert und im Alltag stabilisiert, gewinnt man mehr und mehr geistige Freiheit.

In der Chandogya-Upanishad heißt es daher:
"Wenn einer [außer sich selbst] kein andres sieht, kein andres hört, kein andres erkennt, das ist die Unbegrenztheit ... Wer also sieht und denkt und erkennt, am Selbst sich erfreuend, mit ihm spielend, mit ihm sich paarend und erfreuend, der ist souverän (svaraj), und ihm ist in allen Welten Freiheit; die es aber anders als so ansehen, die sind fremdbestimmt, kennen nur vergängliche Freuden und ihnen ist in allen Welten Unfreiheit" – Chandogya-Upanishad, Khanda 24-25.

Wer diese geistige Freiheit gewinnt, wird laut der Chandogya-Upanishad "Skanda" genannt, der "Transzendierer" (Ende von Khanda 26). Ein Skanda zu sein ist die Voraussetzung für ein erfolgreiches Studium des Veda, einschließlich des Studiums von Jyotish und der Puranas. In diesem Sinne herzlich willkommen bei meiner kleinen Einführung in die Welt der Puranas

3. Puranas - die Illustrationen des Veda

Maharishi Mahesh Yogi hat die Puranas einmal als "Illustrationen des Veda" bezeichnet, sozusagen als Präsentation des Veda in Bilderbuch-Form. Er führte aus, dass, wenn man sich dem Veda gleichsam von außen nähert, man als Erstes den Puranas begegnet.

Für jemanden, dessen Bewusstsein noch recht stark an die Welt der Sinne gebunden ist, bieten die sinnesfreudigen, illustrativen Puranas gewiss eine ausgesprochen einsteigerfreundliche Präsentation des vedischen Wissens.

Die Naturgesetze, die kosmischen Kräfte, die im Universum wirken, werden in den Puranas als Personen dargestellt. Das haben die Puranas übrigens mit Jyotish, der vedischen Astrologie gemeinsam, denn auch Maharishi Parashara stellt in seiner Brihat Parashara Hora Shastra (BPHS) die Grahas, die Planeten, von Anfang an als Personen vor. Parashara beschreibt Guru, den Planeten Jupiter, so: "Guru hat einen großen Körper, hellbraun-blonde Haare und helle Augen, ist phlegmatisch (Kapha-Dosha), intelligent und in allen vedischen Wissenschaften bewandert" - BPHS 3.27. Dies entspricht sicherlich nicht den Beschreibungen der westlichen Astronomen des Planeten Jupiter; aus deren Blickwinkel ist das ein "primitiver Anthropomorphismus".

Aus vedischer Sicht ist die illustrative Präsentation der Interaktion der kosmischen Naturkräfte, die sämtliche Prozesse im Universum gestalten, als Interaktion von Personen, ein geniales pädagogisches Mittel, um hochkomplexe Zusammenhänge und Vorgänge anschaulich zu erklären. Auf die Frage "Nur Illustration oder doch Realität?" werden wir später noch zu sprechen kommen.

4. Devas und Asuras – 2 Hauptgruppen von Naturgesetzen

In den Puranas, den Werken der vedischen Geschichtsschreibung, gibt es grundsätzlich zwei Hauptgruppen von Naturgesetzen oder Naturkräften, die das Weltgeschehen steuern: Bewusstseinskräfte und Materiekräfte. Diese sind polare Gegensätze. Ihr Zusammen- und Gegeneinander-Wirken prägt alle Aktivitäten im Universum und auch die geschichtlichen Ereignisse auf der Erde. Diese Naturgesetze "machen Geschichte"; sie treten in den Puranas als kosmische Personen in Erscheinung.

Die Devas, die Götter, verkörpern die Bewusstseinskräfte, und die Asuras, die Dämonen oder Titanen, verkörpern die Materiekräfte.

Der Ausdruck "Dämonen" (englisch "demons") für die Asuras wird in den Übersetzungen der Puranas generell verwendet. Er ist allerdings etwas unglücklich, weil er die Assoziation zu den größtenteils grausig-verunstalteten Monstern der modernen Kinofilme und Fernsehserien weckt. Der Begriff "Titanen" wird der Vorstellung von kosmischen Materiekräften eigentlich etwas besser gerecht, ist aber nur für diejenigen klärend, die sich mit griechischer Mythologie auskennen. In der germanischen Mythologie werden die Gegenspieler der Götter übrigens "Riesen" genannt. Auch die "Götter", die kosmischen Bewusstseinskräfte, treten in den Puranas anders in Erscheinung, als dies in den meisten populären Darstellungen in den modernen Medien der Fall ist.

Devas und Asuras sind Halbgeschwister. Ihr Vater ist Prajapati ("Herr der Geschöpfe"), so wird der große Gott Brahma als Erschaffer der Wesen genannt. Prajapati hatte zwei Frauen: Aditi und Diti. Aditi bedeutet Unendlichkeit, Diti Begrenztheit. Als Söhne der Aditi werden die Devas auch als Adityas bezeichnet, die Asuras als Söhne der Diti auch Daityas. Eine weiterer Name für die Devas ist Suras, Wesen mit lichtvoller Ausstrahlung (Sattva), im Gegensatz zu den Asuras als Wesen von dunkler Ausstrahlung (Tamas). Deva selbst bedeutet "göttlich, himmlisch, leuchtend".

4. Triloka – die drei Welten

Wir haben also die Welt der Menschen, das Geschehen auf der Erde, das sich als Weltgeschichte vollzieht, und die Welten der Devas und Asuras, die Welten der Bewusstseins- und der Materiekräfte, die das Geschehen auf der Erde steuern und prägen. Diese drei Realitätsebenen und ihr Zusammenwirken begegnen uns in den Puranas als das Konzept der "drei Welten", Triloka – tri heißt drei und loka bedeutet Welt oder Realitätsebene. Der Innenkreis in der folgenden Grafik stellt diese drei Welten dar:


Die Linien oberhalb und unterhalb der Erde deuten in der Grafik eine Reihe weiterer Himmelswelten und Unterwelten an, Zwischenwelten sozusagen: oberhalb die Welten der Menschen-Gandharvas, Götter-Gandharvas, Vidyadharas, Kinnaras, Pitris (Ahnen), Sidhas usw., unterhalb die Welten der Yakshas, Bhutas, Nagas, Vetalas, Rakshasas usw. (hier nicht unbedingt in der korrekten Reihenfolge genannt). Eine präzise und detaillierte Beschreibung dieser Zwischenwelten und ihrer Bewohner ist nicht Gegenstand dieser kurzen Einführung in die Puranas; es ist aber wichtig zu wissen, dass es sie gibt.

Einem einzelnen Menschen begegnet die Triloka-Struktur als Geist-Nervensystem-Körper.


Himmelswelten

Es folgen ein paar generelle Erläuterungen zu den verschiedenen Himmelswelten - den Welten oberhalb von Bhumi, der Welt der Menschen, bis hin zu Svarga, der Welt der Devas. wie es die Grafik zur Weltenstruktur in den Puranas illustriert.

Welten der Wunscherfüllung

Je höher die Himmelswelt, umso mehr nimmt das Sattva zu und die Anteile von Rajas oder erst recht Tamas nehmen ab. Die Himmelswelten sind Welten zunehmender Freude, Weite, Klarheit, Reinheit, Schönheit und verfeinerter Sinneswahrnehmung. Die ganze Welt erstrahlt in einem zauberhaften Glanz. Je höher die Himmelswelt, umso leichter lassen sich die Bewusstseinsimpulse ihrer Bewohner in die Realität umsetzen. In Svarga reicht ein zarter Wunschimpuls und das Gewünschte steht in kurzer Zeit vor einem und man kann sich daran erfreuen - kein Vergleich zu den Mühen (Rajas), die man auf sich nehmen muss und den Widrigkeiten (Tamas), denen man begegnet, wenn man auf der Erde seine Wünsche erfüllen will. Die Himmelswelten sind freudevolle Welten der Wunscherfüllung.

Punyam und der Aufstieg in die Himmelswelten

Es ist möglich, sich als Mensch dafür zu qualifizieren, nach dem Tode in einer der Himmelswelten einen verfeinerten Körper anzunehmen und sich dort lange Zeit seines Lebens zu erfreuen. Das ist ja auch das, was die Religionen als Lohn für ein gutes Leben versprechen. Was benötigt wird, um dieses Ziel zu erreichen, ist, eine ausreichende Menge an Punyam anzusammeln. Punyam ist der Sanskrit-Ausdruck für den Schatz an gutem Karma, den man durch gute Taten ansammeln kann. Durch jede gute Tat auf der Erde nimmt Punyam zu. Das Gegenteil von Punyam ist Papam (das erste a ist lang), das ist die Ansammlung von schlechtem Karma, die einen Menschen für längere Aufenthalte in den Unterwelten "qualifiziert".

Je höher die Himmelswelt, die man anstrebt, umso mehr Punyam ist notwendig, um sich für den Aufenthalt in dieser Himmelswelt zu qualifizieren. Die Puranas berichten, dass man beträchtlichen Aufwand betreiben muss, um in Svarga, die Welt der Devas, aufzusteigen. Die vedischen Technologien anzuwenden - zum Beispiel Yagyas oder Yoga-Meditation - ist im Grunde unerlässlich, um das hohe Ziel zu erreichen, in die Welt der Devas aufgenommen zu werden; einfach nur anständig zu leben, reicht da nicht aus.

Urlaubswelten - der Haken an der Sache

Die Erde ist die Arbeitswelt, die Himmelswelten sind Urlaubswelten. Diese Analogie ist äußerst zutreffend - und sie zeigt ein Problem auf:

Man kann sich hunderte oder tausende von Jahren des Lebens in einer Himmelswelt erfreuen, aber in jedem Moment des Aufenthaltes dort wird etwas von dem Punyam verbraucht, das man angesammelt hat. In der Bhagavad Gita sagt Shri Krishna zu Arjuna:

"Die Kenner der drei Veden, die von allen Sünden befreiten Trinker des Unsterblichkeitstrankes (Soma), verehren Mich durch ihre Opfer (Yagyas) und erbitten den Weg zum Himmel (Svarga). Wenn sie die heilige Welt des Götterkönigs Indra erreicht haben, genießen sie in der Himmelswelt die himmlischen Freuden der Götter (Devas). Nachdem sie sich der Weite der Himmelswelt (Svargaloka) erfreut haben und der Schatz der Früchte ihrer guten Handlungen (Punyam) sich erschöpft hat, treten sie erneut in die Welt der Sterblichen ein. Auf diese Weise dem Gesetz der drei Veden (Trayidharma) folgend, nach Sinnenfreuden begehrend, erlangen sie das Fortgehen und das Wiederkommen. Aber diejenigen, die, in ihrem Denken auf nichts anderes ausgerichtet, Mich verehren, diesen immer hingebungsvoll mit Mir Verbundenen gebe ich die Sicherheit des Yoga." - BG 9.20-22

Solange man Geld hat, werden der Hotelmanager und andere Bedienstete am Urlaubsort einen äußerst zuvorkommend behandeln und einem jeden Wunsch von den Augen ablesen, aber wenn das Geld aufgebraucht ist, muss man den schönen Urlaubsort verlassen und wieder "im Schweiße seines Angesichts" durch harte Arbeit Geld verdienen und diszipliniert für den nächsten genussvollen Urlaub sparen.

Die Himmelswelt erlangen zu wollen ist sicherlich ein edles Ziel, aber für jemanden, der die dauerhafte Freude im unveränderlichen Seligkeitsbewusstsein (sat-chit-ananda) des Zustands der Erleuchtung als Ziel hat, ist das unvermeidbare Auf und Ab von Aufenthalten in Himmelswelten und erneutem Leben auf der Erde nicht attraktiv. Auch schwingt selbst während des Aufenthaltes in der Urlaubswelt immer eine gewisse Bitterkeit mit, weil man im Grunde weiß, dass diese wunderbaren Freuden nicht von Dauer sein können.

Um Erleuchtung zu erlangen, muss man eine große Menge an Punyam ansammeln, die man dann als Opfer darbringt bzw. investiert, um Erleuchtung zu erlangen. Immer wieder das Punyam für vorübergehende Aufenthalte in den Himmelswelten zu verschwenden, ist für die Erlangung des höchsten Ziels nicht förderlich.

In den Yoga Sutras(YS) beschreibt Maharishi Patanjali, dass einen an einem bestimmten Punkt des Fortschritts auf dem Weg des Yoga die Devas aufsuchen und einem einen Platz in ihrer Himmelswelt anbieten. Patanjali warnt, dass man dieser Versuchung weder nachgeben noch stolz darauf sein soll, dass einem dieses Angebot unterbreitet wird, weil das sonst unerwünschte Folgen hat (YS 3.51, in einigen Ausgaben auch 3.52). Wenn man das Angebot annimmt, wäre man lange Zeit an eine Existenzform nahe des Zustands der Erleuchtung gebunden, ohne das Ziel erreichen zu können; Stolz oder Arroganz zu empfinden stellt immer eine große Gefahr dar.

Die Entscheidung, ob man in diesem Leben den Aufenthalt in einer Himmelswelt anstrebt oder sich ganz auf Erleuchtung ausrichtet, hängt vom eigenen Bewusstseins- und Gemütszustand ab und wird von jedem Menschen tief im eigenen Inneren getroffen.
5. Die kosmische Hierarchie

Oben die Welt der Devas, in der Mitte die Welt der Menschen ("Mittelerde") und unten die Welt der Asuras – diese Oben-Unten-Struktur stellt eine kosmische Hierarchie dar. Die Aufgabe der Devas ist es, zu herrschen, die Aufgabe der Asuras ist es, zu dienen und die Aufgabe der Menschen ist es, in ihrem Denken und Handeln Herrschen und Dienen in ein Gleichgewicht zu bringen.

Wichtig zu wissen ist, dass die Devas Wesen mit einem hoch entwickelten Bewusstsein sind – nicht erleuchtet, aber nahe an der Erleuchtung. Dass sie es sind, die herrschen, ist aufgrund dieser Qualifikation wichtig für das Wohlergehen des gesamten Universums. Die Asuras sind prinzipiell (aber nicht in jedem Einzelfall) Wesen mit einem niedrig entwickelten Bewusstsein. Es ist daher wichtig für ihr Wohlergehen und für das des gesamten Universums, dass sie dienen und gehorsam den Anweisungen der Devas folgen. In der Welt der Menschen ist mehrheitlich ein mittelmäßig hoher Bewusstseinszustand anzutreffen, aber prinzipiell sind hier alle Arten von Stadien der Bewusstseinsentwicklung vertreten, von der Erleuchtung bis hin zu extremer Dumpfheit (Gauß-Verteilung). Das Bewusstseins-Niveau der Menschen auf der Erde schwankt aber beträchtlich, inbesondere im Verlauf des Voranschreitens der Zeitalter vom Sat-Yuga bis hin zum Kali-Yuga.

6. Der optimale Zustand: Bewusstsein beherrscht Materie


Der Idealzustand ist es, wenn das Bewusstsein so kraftvoll und ganzheitlich ist, dass es die Welt der Materie vollständig durchdringt, beherrscht und segnet. In der menschlichen Welt zielen sämtliche Yoga-Methoden darauf ab, diesen Zustand zu verwirklichen. Auf der kosmischen Ebene hat dieser Idealzustand zur Folge, dass jeder Bewusstseinsimpuls, der von der Deva-Ebene ausgeht, ungehindert und unverfälscht sämtliche Existenzebenen durchläuft und auf jeder Ebene freudevoll aufgenommen und umgesetzt wird. Auf jeder Existenzebene – bis hin zur Welt der Asuras – bewirkt die getreue Umsetzung der Deva-Impulse Gedeihen, Wunscherfüllung und positive Entwicklung.

7. Probleme und Konflikte

Problematisch wird es, wenn die geistigen Impulse, die von der Deva-Ebene ausgehen, an Kraft und Ganzheitlichkeit verlieren – auf die Gründe dafür, dass das geschieht, kommen wir später noch zu sprechen – und infolgedessen bei ihrer Umsetzung auf den verschiedenen Existenzebenen nicht mehr ausschließlich segensreiche und lebensfördernde Auswirkungen hervorbringen. Wenn dies sich eine Weile fortsetzt, werden die geistigen Impulse, die von der Ebene der höheren Intelligenz der Devas kommen, auf den anderen Ebenen irgendwann nicht mehr so willkommen geheißen und nicht mehr so getreulich umgesetzt wie zuvor, sondern die geringere Intelligenz der niedrigeren Hierarchieebenen beginnt, eigene Impulse zu setzen, um den Fortschritt in denjenigen Bereichen zu gewährleisten, die von den geschwächteren und weniger ganzheitlichen Deva-Impulsen nicht ausreichend genährt und gefördert werden konnten.

Dadurch entstehen auf den niedrigeren Existenzebenen immer mehr ihrer spezifischen Ebene von Intelligenz entsprechende eigene Strukturen, die den nächsten Impulsen, die von der Deva-Ebene kommen, nicht mehr ganz entsprechen und die Umsetzung der reinen Deva-Impulse weiter behindern. Infolgedessen werden die positiven Auswirkungen der Deva-Impulse immer mehr gemindert. Allmählich entsteht so auf den unteren Ebenen eine Stimmung, dass das, was "die da oben" wollen, nicht wirklich förderlich ist für das, was "wir hier unten" brauchen.

Naturgemäß wird diese negative Stimmung sich am stärksten auf der niedrigsten Ebene der kosmischen Hierarchie ausbreiten, die am weitesten von der höchsten Ebene entfernt ist und am dringendsten der Förderung bedarf. In den Puranas gehen der Widerstand, die Rebellion und schließlich der Krieg gegen die Devas immer von der Welt der Asuras aus.

Wenn man die Puranas liest, wird offensichtlich, dass Frieden und Harmonie zwischen den Devas und Asuras die große Ausnahme sind und Feindschaft zwischen ihnen die Regel. Von einem der seltenen Fälle von halbwegs harmonischem Zusammenwirken der Devas und Asuras berichtet das Vishnu Purana in der Erzählung von der Quirlung des Milchozeans. Aber auch da ist die Zusammenarbeit von Egoismus und Missgunst geprägt und endet in einer kriegerischen Auseinandersetzung.

8. Die Erde, die Welt der Menschen

Die Menschen auf der Erde befinden sich mitten im Spannungsfeld zwischen den Devas und den Asuras.

Die Menschen pflegen vermittels der Durchführung von Yagyas (vedische Opferzeremonien) die Beziehung zu den Devas und erfreuen sich umgekehrt des Segens der Devas. In der Bhagavad Gita (BG) heißt es dazu:

"Der Schöpfer erschuf einst das Yagya zusammen mit den Wesen und sprach: Durch dieses (Yagya) sollt ihr gedeihen, dieses (Yagya) sei eure alle Wünsche erfüllende Himmelskuh. Mit diesem Yagya unterstützt ihr die Devas und umgekehrt unterstützen die Devas euch. Auf diese Weise euch gegenseitig unterstützend, werdet ihr das höchste Gut erlangen. Durch das Yagya unterstützt werden die Götter euch die Erfüllung eurer Wünsche gewähren, aber wer das von ihnen Gewährte genießt, ohne (vermittels des Yagya) auch umgekehrt zu geben, der ist in der Tat ein Dieb." - BG 3.10-12

Auf der Erde sind die von qualifizierten Brahmanen durchgeführten Yagyas ein sehr effektives Mittel, um die Devas zu stärken und umgekehrt in der Menschenwelt ihren Segen zu erlangen, aber prinzipiell kann auch jede Aktivität eines oder mehrerer Menschen, die auf Bewusstseinsentwicklung ausgerichtet ist, als Yagya bezeichnet werden. Im weitesten Sinne kann Yagya als "evolutionäre Aktivität" definiert werden, wobei mit Evolution die des Bewusstseins gemeint ist. In diesem Sinne führt jeder Mensch, der sich der Entfaltung von positiven Gedanken und Gefühlen und der Entwicklung seines Bewusstseins widmet, damit ein Yagya durch.

Ein besonders kraftvolles Yagya ist das Praktizieren von Yoga und insbesondere der Yoga-Meditation. In der Meditation wird durch das Schließen der Augen die Verbindung des Bewusstseins mit der materiellen Welt reduziert. Dann wendet sich das Bewusstsein nach innen und durchquert dabei immer höhere, stillere, sattvischere Bewusstseinswelten. Schließlich geht das Bewusstsein auch über die Welt der Devas hinaus, welche die feinste relative (mit dem gesamten Bereich der Aktivität verbundene) Bewusstseinsebene darstellt, und kommt in reinem, absolutem Bewusstsein (samadhi) in vollständiger Wachheit in sich selbst zur Ruhe. Jedes Mal, wenn das Bewusstsein des (oder der) Meditierenden in Samadhi eingeht, dort verweilt und dann aus dem Samadhi in den Bereich der feinsten Aktivität des Bewusstseins zurückkehrt, hat das eine enorme Stärkung der Bewusstseinskräfte, der Devas, zur Folge; dies ist ein äußerst kraftvolles und effektives Yagya. Tatsächlich bedeutet Stärkung der Devas und Bewusstseinsentwicklung ein und dasselbe.

 Mahishasuramardini

 Eine Geschichte aus dem Shrimad Devi Bhagavatam

Die Geschichte von Mahishasuramardini ist sehr gut als Anschauungsbeispiel geeignet, um die bisherigen Erläuterungen zur Weltsicht der Puranas zu dokumentieren. Das recht lange Sanskrit-Wort "Mahishasuramardini" kann im ersten Moment etwas verwirrend sein. Es setzt sich aus drei Bestandteilen zusammen:
  • Mahisha – der Name eines mächtigen Dämonenherrschers
  • Asura – Dämon, Titan, Feind der Götter
  • Mardini – Töterin
Diese Geschichte ist deshalb so interessant, weil sie die Mechanismen aufzeigt, wie sich im Universum durch das direkte Eingreifen von Mutter Natur in Gestalt der Devi die Transformation von einem extrem unseligen und unterdrückten Zustand in einen freudevollen Zustand des Gedeihens und der ungehinderten Weiterentwicklung vollzieht. Dies sind dieselben Mechanismen, die es einem Menschen ermöglichen, sich aus einem leidvollen, unglücklichen Zustand mit hohem Stressniveau zu befreien und zum Zustand eines Menschen in einem freudevollen, hohen Bewusstseinszustand zu erheben.

Die Geschichte ist im zweiten Band der deutschen Ausgabe des Shrimad Devi Bhagavatam zu finden.

Manche sensiblere Leser stören sich mitunter an Maharishi Veda Vyasas dramatischen Schilderungen der Kämpfe zwischen den Devas und den Asuras oder der Göttlichen Mutter mit den Asuras. Vielleicht hilft ihnen der Gedanke etwas, dass es sich hierbei um die anschauliche Beschreibung von Stresslösungsprozessen in der Physiologie handelt, die zwar aufwühlend, aber letztlich evolutionär sind, weil sie den Weg für dauerhafte Bewusstseinsentwicklung ebnen. Die Vernichtung von Negativität ist auf einer tieferen Ebene der Betrachtung etwas Positives. Auch wem diese Schilderungen etwas zu heftig sind, kann sich dann an der Beschreibung des freudevollen Ergebnisses dieser Ereignisse am Ende der Geschichte erfreuen.

Der Sieg der Großen Göttin über den Asura Mahisha wird noch heute in Indien – zusammen mit dem Sieg Ramas über Ravana am selben Tag des Jahres – als Vijaya Dashami, "Tag des dauerhaften Sieges", gefeiert. Der vedische Feiertag Vijaya Dashami schließt am zehnten Tag die neuntägigen Feierlichkeiten zu Ehren der Göttlichen Mutter ab (Navaratri - "neun Nächte"). Die Navaratri Feiertage gibt es im Frühling und im Herbst.

Es gibt auch eine Hymne über Mahishasuramardini, das Mahishasuramardini-Stotram. Diese Hymne wird dem berühmten vedischen Meister Adi Shankara zugeschrieben.Wenn man lernen möchte, diese Hymne zu rezitieren, ist das Youtube-Video des Sanskrit-Channels gut geeignet. Den Sanskrit-Text in Transliteration, zusammen mit der englischen Übersetzung der Verse gibt es als PDF-Datei. Auf Youtube kann man eine ganze Anzahl verschiedener Versionen der Rezitation dieser Hymne finden
9. Die absolute Realität jenseits der Devas

Indra, Brihaspati, Agni, Vayu, Varuna, Vishvakarman, Mitra, Aryaman, Surya, Chandra sind einige der Namen der Devas. Sie könnten ebenso Geisteskraft, Weitsicht, Liebe, Freude, Kreativität, Entschlossenheit, Prinzipientreue, Klarheit usw. heißen, denn sie sind Verkörperungen dieser von Sattva geprägten Bewusstseinsqualitäten.

In Svarga, der lichtvollen Himmelswelt der Devas, die sich auf der feinsten relativen Ebene der Existenz befindet, dominiert das Sattva. Aber das Licht der Devawelt ist nicht souverän, es ist der Abglanz der in sich selbst leuchtenden absoluten Realität jenseits von Svarga. In den Puranas befinden sich die Welten von Brahma, Vishnu und Shiva - Satyaloka, Vaikuntha und Kailasha, innerhalb der absoluten Realität. In den Puranas werden Ereignisse geschildert, in deren Verlauf die Asuras Svarga, die Welt der Devas, erobern, in Besitz nehmen und die Devas von dort vertreiben, aber niemals wird berichtet, dass die Asuras Satyaloka, Vaikuntha oder Kailasha erobern. Die Welt der absoluten, unvergänglichen Wirklichkeit jenseits der drei Gunas können die rebellischen Asuras nicht einmal wahrnehmen, geschweige denn betreten oder erobern.

Das Konzept des Absoluten als eine "flache", völlig eigenschaftslose Realität, die frei von jeglicher Form und Dynamik ist, entspricht dem Purusha in der Sankhya-Philosophie von Maharishi Kapila und den Bewusstseinszuständen 4 und 5, transzendentales Bewusstsein und kosmisches Bewusstsein (turiya chetana, turiyatit chetana) – Mehr dazu im Anhang 2 über die 7 Bewusstseinszustände. Ab dem 6. Bewusstseinszustand, dem Gottesbewusstsein (bhagavad chetana), wird erfahren, dass im Absoluten Welten innerhalb von Welten, Tiefen innerhalb von Tiefen verborgen sind – unendliche Dynamik in ewiger Stille; das vedische Karma Mimansa System von Maharishi Jaimini bringt dies ans Licht.

Auch die Welt der sieben Rishis befindet sich innerhalb des absoluten Bereichs, wie Ramakrishna in einer Meditationserfahrung beschreibt:

"Eines Tages stellte ich fest, dass mein Geist in Samadhi auf einem leuchtenden Pfad hochschwebte. Bald überschritt er das stellare Universum und betrat die subtilere Region der Ideen. Während er höher und höher aufstieg, fand ich auf beiden Seiten des Weges ideale Formen von Göttern und Göttinnen. Dann erreichte der Geist die äußeren Grenzen dieser Region, wo eine leuchtende Barriere die Sphäre der relativen Existenz von der des Absoluten (des Höchsten Brahman) trennte.
Als er diese Barriere überschritt, betrat der Geist das transzendentale Reich, in dem kein körperliches Wesen sichtbar war. Selbst die Devatas wagten es nicht, in dieses erhabene Reich zu schauen, sondern mussten sich damit begnügen, weit unten zu sitzen. Im nächsten Moment fand ich dort sieben ehrwürdige Weise in Samadhi sitzend. Es kam mir in den Sinn, dass diese Weisen nicht nur die Menschen, sondern sogar die Devatas an Wissen und Heiligkeit, an Entsagung und Liebe übertroffen haben mussten.
In Bewunderung versunken, dachte ich über ihre Größe nach, als ich sah, wie sich ein Bruchteil dieser undifferenzierten, leuchtenden Region zur Form eines göttlichen Kindes verdichtete. Das Kind kam zu einem der Weisen, umschlang zärtlich seinen Hals mit seinen reizenden kleinen Armen und versuchte, seinen Geist mit süßer Stimme aus dem Zustand des Samadhi herunterzuziehen.
Die magische Berührung erweckte den Weisen aus seinem überbewussten Zustand, und er richtete seinen unbeweglichen, halb geöffneten Blick auf das wunderbare Kind. Sein strahlendes Antlitz zeigte, dass das Kind der Schatz seines Herzens gewesen sein musste. In großer Freude sagte das fremde Kind zu ihm: "Ich gehe hinunter. Auch du musst mit mir gehen."
Der Weise blieb stumm, aber sein zärtlicher Blick drückte sein Einverständnis aus. Während er weiter auf das Kind blickte, versank er erneut in Samadhi. Ich war überrascht, als ich feststellte, dass ein Fragment des Körpers und des Geistes des Weisen in Form eines leuchtenden Lichtstrahls auf die Erde herabkam. Kaum hatte ich Naren [Vivekananda] gesehen, erkannte ich ihn als diesen Weisen."
(Aus dem Evangelium von Sri Ramakrishna Paramhamsa)

Die allerhöchste Brahmanwelt, die Relatives und Absolutes in vollkommener Einheit umfasst, wird im Mahapurana Shrimad Devi Bhagavatam als Mani Dvipa ("Juweleninsel") beschrieben, die Heimstatt der Devi, der Göttlichen Mutter, der Verkörperung von Brahman (para brahma svarupini).

Die Devas erstrahlen in ihrer größten Herrlichkeit und Macht, wenn sie sich bewusst sind, dass sie Werkzeuge der höchsten, absoluten Intelligenz sind und in deren Auftrag handeln. Sobald die Devas der Ego-Vorstellung anheimfallen "Wir sind die mächtigen Devas, die Beherrscher des Universums", werden sie immer mehr geschwächt und geraten in Gefahr und große Schwierigkeiten.

10. Änderungen der Machtverhältnisse im Universum

Alles in der relativen Welt ist ständiger Veränderung unterworfen. Das gilt auch für die Machtverhältnisse zwischen den Devas und den Asuras.

Im Shrimad Devi Bhagavatam (SDB) wird berichtet, wie die Devas einmal nach einem Sieg über die Daityas (Asuras) von Hochmut auf ihre unbesiegbare Macht und Herrlichkeit erfüllt wurden. Da erschien die Mahadevi, die Göttliche Mutter des Universums, in Gestalt eines strahlenden Lichtes vor ihnen. Im Verlauf eines längeren Gesprächs mit Indra, dem Herrscher der Devas, und nachdem sie aus Mitgefühl seinen Hochmut gedämpft hatte, sprach sie schließlich zu ihm:

"Durch meine Gnade hast du in der Schlacht den Sieg errungen. Wahrlich, du sollst wissen, dass ich euch alle wie Marionetten als meine bloßen Werkzeuge umhertanzen lasse. Du bist nichts anderes als mein Werkzeug und ich bin die vollintegrierte Ganzheit. Manchmal schenke ich dir den Sieg und manchmal schenke ich den Daityas den Sieg. Ja, ich tue alles, wie es mir gefällt, bewahre stets meine Unabhängigkeit und handle stets gerecht, den jeweiligen Karmas entsprechend.
O, ihr alle habt mich in eurem Stolz und eitlem Wahn vergessen. Durch euren wesenlosen Egoismus habt ihr euch tief in finsterste Täuschung verstrickt. Wisset, dass mein verehrungswürdiges göttliches Licht plötzlich erschien, weil ich euch Gutes tun will. Verbannt daher jetzt für alle Zeiten alle leere Prahlerei und eitlen Größenwahn aus euren Herzen. Nehmt mit ganzem Herzen, ganzem Kopf und ganzer Seele Zuflucht zu mir in meiner Gestalt als Sat-Chit-Ananda (unvergängliches Seligkeitsbewusstsein) und seid dadurch sicher." – SDB Buch 12, Kapitel 8

Die Devas leben auf der feinsten relativen Ebene der Existenz. Relativ bedeutet, dass sie sich innerhalb des Bereichs der drei Gunas befinden und mit allen anderen Ebenen der Existenz verbunden sind.

Man kann sich die von Sattva dominierte lichterfüllte und freudevolle Welt der Devas so vorstellen, dass sie prinzipiell ein Hochdruckgebiet ist und die von Tamas dominierte dunkle Welt verdichteter Materie der Asuras prinzipiell ein Tiefdruckgebiet. Hochdruckgebiet steht hier für Herrschaftsmacht und Sieg, Tiefdruckgebiet für einen dienenden Status und Niederlage. Aber Hoch- und Tiefdruckgebiete sind nicht unveränderlich, sondern in ständigem Austausch miteinander, und so kann es geschehen, dass infolge der Verwirbelungen und Ausgleichsprozesse irgendwann da, wo ein Hochdruckgebiet war, schließlich ein Tiefdruckgebiet ist und umgekehrt. Diese Analogie soll das Prinzip der Relativität verdeutlichen.

Die Devas können ihren Status dauerhaft nur dadurch sichern, dass sie sich auf die unveränderliche, absolute Realität ausrichten, die jenseits der drei Gunas ist. Zahlreiche Berichte der Puranas dokumentieren, dass ihnen das oft erst dann wieder bewusst wird, wenn sie bereits in Schwierigkeiten geraten sind.

11. Die Yugas (Zeitalter) als Quelle substanzieller Veränderungen


Das Grundprinzip der Veränderlichkeit der relativen Welt ist die Zeit. Die Zeit manifestiert sich in Zyklen, z. B. dem Zyklus von Tag und Nacht oder dem Zyklus der Jahreszeiten. Einen zumindest aus irdischer Perspektive sehr großen Zyklus beschreiben die Puranas als den Zyklus der vier Yugas: Sat-Yuga, Treta-Yuga, Dvapara-Yuga und Kali-Yuga, die in den westlichen Traditionen (Hesiod, Ovid) oft als goldenes, silbernes, ehernes (bronzenes) und eisernes Zeitalter bezeichnet werden.

Die vier Zeitalter teilen die Zeit nicht nur quantitav nach einer Anzahl von Jahren ein, sondern vor allem qualitativ. Das Dharma hat im Sat-Yuga volle Stärke und nimmt in jedem folgenden Zeitalter um ein Viertel ab. In den Puranas wird das Dharma als kosmische Kuh beschrieben, die im Sat-Yuga auf vier Beinen steht, im Treta-Yuga auf drei, im Dvapara-Yuga auf zwei und im Kali-Yuga nur noch auf einem Bein.

Der zentrale vedische Begriff "Dharma" bedeutet evolutionäre Kraft, kosmisches Gesetz, kosmische Ordnung und Rechtschaffenheit. Im Zusammenhang mit der vorigen Beschreibung der Struktur der drei Welten kann die Kraft des Dharma als die Intensität beschrieben werden, mit der das in sich selbst leuchtende Licht der absoluten Wirklichkeit (Sat) in die relative Welt ausstrahlt. Der Regler für die Intensität dieser segensreichen Ausstrahlung wird gleichsam im Fortschreiten der vier Zeitalter immer mehr heruntergedreht. Das ist aber kein gänzlich linearer Prozess. Im Sat-Yuga schwankt die Lichtintensität des Dharma zwischen 100% und 75%, im Treta-Yuga zwischen 75% und 50%, im Dvapara-Yuga zwischen 50% und 25% und im Kali-Yuga zwischen 25% und 0%. Beim Wechsel von einem Zeitalter zum nächsten findet jeweils ein markanter Phasenübergang statt, der dramatische Ereignisse mit sich bringt.

Wie das Dharma vermindert sich auch die Dauer der Zeitalter jeweils um ein Viertel. Das Kali-Yuga ist (zum Glück) mit einer Dauer von 432.000 Jahren das kürzeste der vier Zeitalter, das Dvapara-Yuga dauert 864.000 Jahre, das Treta-Yuga 1.296.000 Jahre und das Sat-Yuga 1.728.000 Jahre. Das derzeitige Kali-Yuga begann vor mehr als 5.000 Jahren am 20. Februar 3102 v. Chr., als Shri Krishna die Erde verließ.

Die Zeitalter werden von der absoluten Wirklichkeit selbst hervorgerufen und vorangetrieben. Im Vishnusahasranama (Tausend Namen Vishnus) wird Shri Vishnu als Repräsentant der absoluten Wirklichkeit als Erschaffer (yugadi-krid) und Vorantreiber (yugavarto) der Zeitalter bezeichnet.

Naturgemäß ist die Macht der Devas im Sat-Yuga am größten, im Kali-Yuga hingegen die Macht der Asuras. Es kann aber auch infolge von besonderen Ereignissen extreme Schwankungen in der Lichtintensität des Dharma geben. So ist es ist durchaus denkbar, dass mitten im Kali-Yuga die Lichtintensität eine Zeit lang nahezu 100% erreicht – gleichsam eine Phase des Sat-Yuga inmitten des Kali-Yuga.

12. Devas und Asuras in der Bhagavad Gita

Jeder Mensch, der sich der Bewusstseinsentwicklung widmet, sich nach innen wendet und Samadhi erfährt, stärkt dadurch die Devas, die Bewusstseinskräfte. Jeder Mensch, der sich ausschließlich über die Sinne der materiellen Welt zuwendet und sich immer wieder in der Überzeugung bestärkt, dass es nichts außer Materiellem gibt, stärkt dadurch die Asuras, die Materiekräfte. Dasselbe gilt auch für Staaten, Organisationen usw.

Das 16. Kapitel der Bhagavad Gita hat den Titel "Daivasura Sampad Vibhaga Yoga" – "Die Unterscheidung zwischen göttlichem und dämonischem Leben". Dort sagt Shri Krishna, die absolute Wirklichkeit in Person, zu Arjuna, dem Repräsentanten der menschlichen Ebene:
"In dieser Welt gibt es zwei Arten von Wesen: die von göttlicher und von dämonischer Art ... Es wird gesagt, das göttliche Leben führe zur Befreiung, das dämonische aber zur Bindung. Sorge dich nicht, du bist zu göttlichem Leben geboren, o Pandava." – BG 16.5-6

Shri Krishna fährt fort:
"Furchtlosigkeit, Reinheit des Wesens, Stetigkeit im Streben nach Verwirklichung von Erkenntnis, Freigebigkeit, Selbstbeherrschung, Ausführung von Yagya-Handlungen, Studium des Veda, Kasteiung und Aufrichtigkeit, Nicht-Verletzen, Wahrhaftigkeit, Nicht-zornig-Sein, Entsagung, innerer Friede, Nicht-schlecht-Reden über andere, Mitgefühl, Begierdelosigkeit, Sanftmut, Scham, Unerschütterlichkeit, Energievollsein, Geduld, Entschlossenheit, Nicht-Übelwollen, Freiheit von Arroganz – dies sind die Eigenschaften derjenigen, die zum göttlichen Leben geboren sind, o Bharata."

Die Eigenschaften eines hochentwickelten oder erleuchteten Menschen wurden bereits in den vorherigen Kapiteln der Gita ausführlich beschrieben. Daher gibt Krishna hier nur eine kurze Zusammenfassung.
"Hinterlist, Hochmut, Arroganz, Zornmütigkeit, Rohheit, Unwissenheit – dies, o Partha, sind die Eigenschaften derer, die zum dämonischen Leben geboren sind.
Die dämonischen Wesen wissen nicht, was zu tun und zu unterlassen ist. In ihnen ist weder Reinheit, noch rechtes Verhalten, noch auch Wahrheit zu finden. Sie behaupten: 'Es gibt im Universum keine Wahrheit, keine Substanz, keinen Gott und kein Gesetz. Der einzige Zweck des Lebens ist daher die Befriedigung der Sinne, was sonst?' Indem sie diese Vorstellung aufrecht erhalten, von geringem Intellekt, werden diese verlorenen Wesen zu Feinden des Universums und trachten danach, es zu zerstören.
Von unersättlichen Begierden besessen, voller Falschheit, Arroganz und im Rausch der Sinnengenüsse, von Wahn betört sich an falsche Vorstellungen klammernd, führen sie ein unreines Leben. Von unzähligen falschen Vorstellungen erfüllt, die zu ihrer eigenen Vernichtung führen, in der Überzeugung 'dies ist alles', die Befriedigung ihrer Begierden als das Höchste ansehend, von hundert Stricken falscher Hoffnungen gefesselt, der Begierde und dem Zorn verfallen, streben sie, um ihre Begierden zu erfüllen, auf unrechte Weise nach der Anhäufung von Reichtümern.
'Dieses habe ich heute erlangt, diesen Wunsch werde ich mir erfüllen, dies hier ist mein und auch jener Besitz wird alsbald mein sein, dieser Feind ist von mir getötet worden, und die anderen werde ich auch noch töten. Ich bin der Herr, ich bin der Genießer, ich bin erfolgreich, mächtig, glücklich, ich bin reich, ich bin von hoher Geburt, wo ist der, der mir gleicht? Ich werde opfern, ich werde Gaben schenken, ich werde fröhlich sein' – also denkend, in Unwissenheit und Verblendung gefangen, von einer Vielzahl falscher Vorstellungen verwirrt, im Netz ihres Wahns verstrickt, den Genüssen der Sinnenlust verfallen, stürzen sie in die finstere Hölle hinab.
Selbstherrlich, stur, vom Rausch des Reichtums und des Ruhms verblendet, führen sie voller Heuchelei sogenannte 'Yagyas' durch, die nicht den traditionellen vedischen Vorschriften für Yagyas entsprechen. Von Egoismus, Gewalt, Arroganz, Begierde und Zorn besessen, hassen Mich diese allzeit von Wut Erfüllten in sich selbst und in anderen.
Diese Hasserfüllten, Grausamen und Schlechten – die niedrigsten unter den Menschen, schleudere ich im Kreislauf von Geburt und Tod immer aufs neue in dämonische Mutterschöße. Stets aufs neue in dämonische Mutterschöße geratend, von Geburt zu Geburt dem Wahn verfallen – Mich so nicht erreichend, o Kaunteya, gehen sie dann den niedrigsten Weg."

Devas = gut, Asuras = böse – diese Formel stimmt in solcher Allgemeinheit nicht. Bewusstsein und Materie sind Pole, die beide ihre Existenzberechtigung haben und gemeinsam das Universum konstituieren. Die Bewertung "negativ" oder "böse" für die Asuras kommt dann ins Spiel, wenn es um die Ausdehnung ihrer Macht über ihren ursprünglichen Einflussbereich - Patala - hinausgeht. Dann wird der, was das Bewusstsein anbetrifft, am wenigsten entwickelte Zustand den Ebenen höher entwickelten Bewusstseins aufgezwungen und das ist übel.

Dass es weniger entwickelte und höher entwickelte Wesen gibt, liegt in der Natur der Dinge. Aber wenn sich immer mehr Asura-Persönlichkeiten als Menschen, insbesondere in Machtpositionen, inkarnieren und beginnen, das Leben auf der Erde zu bestimmen, ist das eine Katastrophe – was Krishna in seinen Ausführungen über den Charakter der asurischen Persönlichkeiten hinlänglich klar zur Sprache bringt.

Wenn im Mahapurana Shrimad Devi Bhagavatam die göttliche Mutter, die Natur selbst, Gestalt annimmt, um den übermäßigen Einfluss der Asuras im Universum zu beseitigen, nachdem diese die Devas besiegt und die Erde und sämtliche Himmelswelten in ihre Gewalt gebracht haben, lässt sie immer dem Oberherrscher der rebellischen Asuras die Botschaft überbringen: "Ziehe dich mitsamt deinen Heeren in deine Unterwelt Patala zurück oder tritt gegen mich auf dem Schlachtfeld an." Es geht dabei also nicht darum, sämtliche Asuras zu vernichten, sondern darum, ihre unzulässige Gewaltherrschaft über das Universum zu beenden.

Wenn die Devas die Erde beherrschen, schaffen sie den 'Himmel auf Erden'. Wenn die Asuras die Erde beherrschen, schaffen sie die 'Unterwelt auf Erden' – der Ausdruck 'Hölle auf Erden' ist ebenso zutreffend. Dann stagniert weltweit die Bewusstseinsentwicklung und auf allen Ebenen des menschlichen Lebens steigt das Stressniveau immer weiter an.

 Der Göttliche Plan

Der folgende Text  besteht aus Auszüge aus der Deutschen Übersetzung einer Broschüre von Maharishi Mahesh Yogi, die erstmals 1962 auf Englisch unter dem Titel "The Devine Plan" erschien. Die Deutsche Übersetzung der Broschüre war für mich der Schlüssel zu einem tieferen Verständnis der Puranas. Er vermittelt zugleich einen Weitwinkel-Blick auf das gegenwärtige Geschehen auf unserem Planeten und die Erfordernisse der Zeit. Interessant an diesem Text ist, dass darin Begriffe wie "Purana", "Deva", "Asura", "Devi" oder "Göttliche Mutter" überhaupt nicht vorkommen und dennoch ein grundlegendes Verständnis dieser puranischen Begriffe vermittelt wird.

"Das gesamte Weltall ist so ersonnen, dass sich alles weiterentwickeln muss - Engel, Menschen, Tiere, Vögel, Insekten. Dies alles muss weiter auf der Straße der Entwicklung vordringen und muss schließlich die letzte Bestimmung in der Bewusstwerdung Gottes erreichen. Aber wenn der Mensch in negativer Weise, die ihn in Leiden und Elend im Leben führen würde, zu handeln beginnt - dann ist der Göttliche Plan gestört. In seinem reinen Zustand soll der Göttliche Plan jedes Wesen auf eine höhere Stufe heben. Der Göttliche Plan soll jedem helfen, sich zu entfalten. Die Naturgesetze sind so angelegt, dass sie beständig den Gang der Entwicklung vorantreiben ...

Wenn die negativen Einflüsse im Leben übermächtig werden, wird die Menschheit von kollektivem Elend heimgesucht. Erdbeben, Überschwemmungen, Kriege und Katastrophen aller Art entstehen, um die Erzeuger der negativen Einflüsse zu vernichten und dadurch das reibungslose Arbeiten der Naturgesetze wieder in Gang zu bringen. Frieden und Glück kommen im Gottesbewusstsein wieder zum Vorschein. Das Kind Gottes genießt die Gnade des Allmächtigen Vaters. Aber wenn es wieder boshaft wird, wiederholt sich derselbe Kreislauf.

Unsere Zeit ist nicht gleich der, die vergangene Generationen erlebt haben. Heute unterliegen wir einem äußerst feinen Druck der Vernichtung. Heute geht es nicht um Kampf zwischen Religionen, nicht um Kampf zwischen Rassen, nicht um Kampf zwischen verschiedenen Lebensweisen. Heute geht es um den Kampf zwischen Geist und Materie.

Die Materie scheint derartig an Zauber und Blendwerk gewonnen zu haben, dass sie die Gültigkeit der Seele bestreitet. Es ist nun Sache des Göttlichen Planes, die Harmonie zwischen materiellem und geistigem Sein wiederherzustellen, damit wirklicher Fortschritt möglich ist.

Materie und Geist sind die beiden Seiten eines ganzheitlichen, gesunden Lebens - sie sind nicht getrennt. Der negative und der positive Pol eines Magneten machen beide den Magneten aus. Der eine ist unvollständig ohne den anderen. Wenn der positive Pol die Gültigkeit des negativen zu bedrohen und der negative Pol den positiven unwirksam zu machen beginnt, ist der Göttliche Plan darauf bedacht, einen neutralen Punkt zwischen die beiden zu setzen. Der neutrale Punkt, der die Positivität des positiven Pols und die Negativität des negativen Pols aufrechterhält, dient, indem er beide Pole stützt, dazu, einen guten, leistungsfähigen Magneten zu schaffen.

Heute, da der Zauber des materiellen Lebens die Gültigkeit der Seele in den Schatten stellt, muss der Göttliche Plan einen neutralen Punkt zwischen die beiden setzen - einen starken neutralen Punkt, der die Gültigkeit beider aufrechterhalten kann, damit das Leben behauptet und zu Stärke, Kraft und Vollkommenheit entwickelt werden kann.

Was hat sich heute in der Atmosphäre ereignet? Der neutrale Punkt, die Zentralgewalt, die prüfende, beherrschende und steuernde Kraft, ist schwach geworden, so dass der negative Pol die Gelegenheit bekam, den positiven Pol bis zu einem furchterregenden Ausmaße unwirksam zu machen. Die positive Ausrichtung des Lebens, die Freiheit und die selige Geborgenheit im Gottesbewusstsein, ist verloren gegangen, und Furcht und Spannungen haben ihren Platz eingenommen.

Der positive Pol ist die Seele im Inneren des Menschen, die göttliche Natur des inwendigen Menschen. Das geistige Feld des Innenlebens ist der Einflussbereich des positiven Pols. Der negative Pol des Lebens ist das materielle Wesen der äußeren Aspekte des Menschen. Der materielle Aspekt des Lebens ist der negative Pol. Der geistige Aspekt des Lebens ist der positive Pol. Beide zusammen schaffen einen kraftvollen Lebensmagneten.

In der Welt von heute ist der Glanz des materiellen Lebens so groß geworden, dass man unbedingt versuchen muss, einen Weg zu finden, um die materiellen und geistigen Werte des Lebens miteinander in Einklang zu bringen. Deshalb kommt jetzt dem Göttlichen Plan gemäß die Geistige Erneuerungsbewegung.

Es ist so, als ob der Wert des Geistigen geschmälert wird - und nicht nur in den Hintergrund gedrängt, sondern ganz und gar bestritten wird und dass die materiellen Werte den ganzen Vordergrund des Lebens beherrschen. Es ist so, als ob das inwendige Königreich des Himmels aus der Sicht ausgeschaltet worden ist und das Reich der Materie vor dem inwendigen Königreich des Himmels den Vorrang hat. Jetzt ist die Zeit gekommen, dieses Himmelreich wieder hervorzubringen und es auf solche Weise zu tun, dass der Glanz des stofflichen Reiches durch das Licht des inwendigen erhellt werden kann ...

Was meinen wir damit, wenn wir sagen, dass es einen Kampf zwischen Materie und Geist gibt? Wir wollen etwas tiefer in die Sache eindringen. Wir wollen ein Beispiel nehmen: Wir sehen eine Blume, vor uns ist die Schönheit der Blume. Wenn sich der prüfende Betrachter vollständig in dem Erlebnis der Blume verloren hat, wenn das Subjekt vollständig vom Erfahren des Objekts in Anspruch genommen wird, dann ist es so, als hätte das Objekt die ganze Existenz des Subjektes besiegt. Das Subjekt hat die Herrlichkeit seiner eigenen Wesensnatur durch den sie überschattenden Einfluss vom Eindruck des Objektes verloren. Man sieht die Schönheit der Blume; allein die Blume ist da, und die Existenz des Subjektes ist nicht ausfindig zu machen; das Subjekt ist weg, und nur das Objekt bleibt im Bewusstsein.

Dieses ist der Sieg der Materie über den Geist, ihr Sieg über das geistige Innere. Die Materie hat den Erfahrenden in den Hintergrund geworfen, den Geist in den Hintergrund gedrängt. Nur die Materie bleibt, und in dem Gefühl "Ach, diese Blume ist so schön" gelingt es dem Geist nicht, sich zu vergegenwärtigen, dass gleichzeitig damit sein eigenes glückseliges Wesen vernichtet worden ist. Der Erfahrende selbst ist nicht vorhanden, wenn nur die Blume übrig bleibt.

Was ist zu tun? Der Erfahrende sollte sich an der Blume erfreuen, jedoch nicht seine eigene Identität verlieren. Dann genießt man die Schönheit der Blume und das Dasein des Erfahrenden geht trotzdem nicht verloren. Dies ist der Zweck der Geistigen Erneuerungsbewegung. Im heutigen Leben scheint das glückselige Wesen des Geistes in den Hintergrund gedrängt worden zu sein. Der Geist ist natürlich da als der Betrachtende, aber er ist sich seiner eigenen Natur nicht bewusst. Er nimmt nur das Wesen des Objektes wahr. Die freudenreiche Wesensnatur des Geistes befindet sich nicht mehr auf der Bewusstseinsebene. Die Not des materiellen Lebens scheint die Oberhand im allgemeinen Leben von heute gewonnen zu haben. Überall findet man wachsende Spannungen. Deshalb ist eine geistige Erneuerung des modernen Lebens nötig. Dies ist ein dringendes Bedürfnis der Jetztzeit ...

Bei der Ausübung der tiefen Meditation tritt die Seele in Berührung mit dem Glückseligkeitsbewusstsein des Geistes und wird friedvoller, glücklicher, schöpferischer und machtvoller. Dieser Seelenzustand bereichert alle Werte des materiellen Lebens ...

Dies ist alles schon da gewesen; es ist nichts Neues. Es geschieht von Zeit zu Zeit. Es ist sehr wichtig, zu verstehen, dass das gegenwärtige Zeitalter die Zeit des Kampfes der Materie gegen den Geist ist. Jetzt ist es an der Zeit, dass starke Geistigkeit die Oberhand gewinnt, und wenn das Geistige im Leben die Oberhand gewinnt, dann wird das materielle Leben viel kraftvoller und herrlicher; es wird wesentlicher und lebenswerter. Aber ohne dieses innere Wesen des Lebens wird das äußere Leben inhaltslos, genauso wie der Baum dürr und nutzlos wird, wenn er die Verbindung zur Wurzel verliert. Im inneren Menschen liegt der Bereich aller Fülle ...

Die große innere Kraft ist da, und unbewusst trägt sie den Baum des Lebens. Notwendig ist, bewusste Kenntnis von diesen Möglichkeiten zu bekommen. Die Sache selbst ist vorhanden, man muss sie nur kennen. Die Verbindung zwischen dem inneren und dem äußeren Leben ist schon da, nur fehlt sie auf der Bewusstseinsebene. Wenn sie auf der Bewusstseinsebene fehlt, dann tappen wir im Dunklen in Bezug auf unsere eigenen Möglichkeiten, unsere eigene Kraft, unsere eigene Macht und Weisheit, unser eigenes Glück, unseren eigenen Frieden. Wir fühlen uns auf der Bewusstseinsebene allein deshalb unglücklich, weil der bewusste Geist des Ozeans an Glückseligkeit da unten in den tieferen Bewusstseinsschichten nicht gewahr wird.

Man braucht nur die Aufmerksamkeit von außen nach innen zu wenden und sie glücklicher wieder herauskommen zu lassen. Dies tut die Meditation; sie richtet die Aufmerksamkeit vom äußeren Erfahrungsbereich weg und hin zu dem inneren Erfahrungsbereich absoluten Glückes, das das große Reservoir an Frieden, Glück, Kraft, Weisheit, Kreativität und aller Wissenszweige ist."

Anhang 1 
Die drei Gunas

Da die Welten der Devas, Menschen und Asuras – Svarga, Bhumi und Patala – sich eindeutig den drei Gunas – Sattva, Rajas und Tamas – zuordnen lassen, geben diese Begiffe, die in der Bhagavad Gita ausführlich dargestellt werden einigen Aufschluss über die Eigenarten der Devas, Menschen und Asuras.

Die drei Gunas: Sattva, Rajas und Tamas

Die Lehre von den drei Gunas ist ein ganz grundlegendes Konzept des Veda. Die Gunas finden in fast allen Schriften der vedischen Literatur Erwähnung - in der Bhagavad Gita, den Puranas, der Sankhya- Philosophie, den Yoga-Sutras usw. Viele Vorgänge im Leben kann man überraschend gut einordnen, wenn man dieses Konzept einmal verstanden hat. Deshalb soll hier erklärt werden, was die Gunas sind.

Die 3 Gunas - Grundkräfte der Prakriti

Das gesamte Universum mitsamt aller Aktivität ist Ausdruck der Prakriti, der Natur. Nur die absolute Wirklichkeit des Selbst, des Purusha, des Atman, ist jenseits des Bereichs von Prakriti. Prakriti bedeutet soviel wie "Das, was Aktivität (kri) hervorbringt (pra)" und kennzeichnet den gesamten Bereich der Relativität.

Guna bedeutet Eigenschaft, Qualität oder Zustand. Die Gunas sind die Grundkräfte der Natur. Alle Formen und Prozesse im Universum werden als Wechselspiel der drei Gunas beschrieben.

Die 3 Gunas: Aufbau - Erhaltung - Zerstörung


Die drei Gunas heißen Sattva, Rajas (wird Radschas gesprochen) und Tamas. Sie verkörpern in dieser Reihenfolge die Kräfte der Erschaffung, des Aufrechterhaltens und der Zerstörung.

Das Hauptmerkmal von Prakriti, das auch in ihrem Namen zum Ausdruck kommt, ist permanente Veränderung. Alle drei Gunas sind in jedem Punkt der Schöpfung - immer und überall - zusammen am Wirken, aber nicht überall im gleichen Verhältnis. Sattva beinhaltet einen entwickelteren Zustand höherer Ordnung, der von Rajas in Form von lebendiger Aktivität verwirklicht wird, während Tamas den alten Zustand aufrechterhalten will und die Entwicklung so verzögert – in diesem Sinn ist Tamas zerstörerisch für den Entwicklungsprozess.

Herrscht an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit Sattva vor, so beobachtet man dort einen hohen Grad von Ordnung, von Leben, von Freude, Ganzheit, Wachheit, Intelligenz. Herrscht Rajas vor, so stehen die sehr dynamischen Umordnungsprozesse im Vordergrund, die einen Zustand geringerer Ordnung (Leben, Freude ...) in einen Zustand höherer Ordnung transformieren. Wo Tamas dominiert, ist Stagnation zu beobachten, die zu Zerstörung, Verfall, Verfaulen führt – die Evolution gerät ins Stocken.

Die drei Gunas im Bewusstsein des Menschen

Im menschlichen Leben sind es die tiefen, stillen, klaren Ebenen des inneren Bewusstseins, die von Sattva dominiert sind. Sattva bedeutet Klarheit, Licht, Reinheit, Stille, Freude, Sanftheit, Liebe, Wachheit, Wissen, Ordnung. Das Tamas herrscht in der Materie vor und tritt im menschlichen Bewusstsein - wo es nicht hingehört! - in Erscheinung als Dumpfheit, Trägheit, Schlaf, Wahn, Triebhaftigkeit, Gleichgültigkeit, Vergessen. Tamas verdeckt, verbirgt die wahre Wirklichkeit. Das Rajas dominiert im Bereich der Wechselwirkung von Geist und Körper, Bewusstsein und Materie. Im der Welt des Denkens und Fühlens nimmt Rajas die Form von Leidenschaft und Aktivität an: Begierde und Hass, Lust und Schmerz, Zuneigung und Abneigung. Rajas steht in der Mitte zwischen Sattva und Tamas.

Die drei Gunas und die Evolution

Leben bedeutet Entwicklung, Evolution. Die Entwicklung geht dabei immer von einem Zustand von Tamas über Rajas zu Sattva, d.h. von der Dumpfheit des unentwickelten Tamas-Zustandes über die heftige Aktivität von Rajas hin zur lauteren, freudevollen Stille von Sattva. Man kann auch sagen: unter dem Einfluß von Sattva verwandelt sich Tamas in Rajas und läutert sich schließlich zu Sattva. Sattva und Tamas sind Gegenspieler; sie können sich nie direkt begegnen. Es entsteht immer eine Schicht von Rajas zwischen beiden.

Sattva und Tamas sind Zustände von Ruhe: Tamas das dumpfe, unbewusste Verharren im rohen Anfangszustand, Sattva die geläuterte Stille des höchsten Ordnungszustandes. Dazwischen tobt das Rajas. Rajas bedeutet Krieg, Unruhe, Schmerz und verzehrende Leidenschaft. Darum sagt Veda Vyasa im Mokshadharma des Mahabharata: "Der ganz Weise [Sattva] und der ganz Unwissende [Tamas] sind frei von Kummer. Aber der dazwischen ist [Rajas], hat zu leiden."  Der Weise hat das Leiden hinter sich gelassen, dem ganz Unwissenden steht es erst noch bevor!

In jedem Prozess im Universum - vom winzigsten Partikel bis zur Aktivität von Galaxien und  auch in allen Formen geistiger und emotionaler Aktivität - sind stets alle drei Gunas gegenwärtig, allerdings in unterschiedlichem Verhältnis zueinander. Die gesamte kosmische Aktivität kann als das Spiel der drei Gunas beschrieben werden.

Am einfachsten kann man dies verstehen, wenn man es so auffasst, dass in jedem Prozess ein kleiner oder großer Anteil von Bewusstsein (Sattva) sich auf ein Objekt (Tamas) richtet und infolge dessen zwischen den beiden eine Wechselwirkung (Rajas) stattfindet.

In einem "unbelebten Objekt", wie z.B. einem Stein, dominiert das Tamas, d.h. der Objektanteil in Gestalt von Tamas ist hier so überwältigend groß, dass der winzige Anteil von Bewusstsein (Sattva) - der aber nichtsdestoweniger vorhanden ist! - die Aktivität (Rajas) des Steins nur sehr geringfügig prägen kann, so dass diese fast ganz von der Tamas-Dominanz in Gestalt von Trägheit bestimmt wird.

In den höher organisierten "Aktivitäts-Strukturen" von Lebewesen sind in den Prozessen und Unterprozessen höhere Anteile von Rajas und Sattva zu finden. Je höher entwickelt das Lebewesen, umso mehr Möglichkeiten hat das Bewusstsein (Sattva), die Prozesse (Rajas) zu gestalten und in höherem Grade Herr über die objektive Welt (Tamas) zu werden, anstatt von ihr bestimmt und eingeschränkt zu werden.

Die folgende Tabelle ordnet verschiedene Aspekte des Lebens den drei Gunas zu. Es darf dabei nicht vergessen werden, dass nie und nirgends eines der drei Gunas für sich allein auftritt. Es ist immer eine Frage, welches Guna vorherrscht.
 

Die Tabelle ließe sich beliebig fortsetzen, da alle psychischen und physischen Aktivitäten im Universum Ausdruck des Zusammenwirkens der drei Gunas sind.

Die drei Gunas und Bewusstseinsentwicklung

Was die Bewusstseinsentwicklung eines Menschen betrifft, so ist es das Ziel, im Bewusstsein die Vorherrschaft von Sattva zu verwirklichen. Nur Satto-Guna oder Sattva ist fähig, die Realität des Selbst, die jenseits der drei Gunas - also auch jenseits von Sattva - ist, im Geist widerzuspiegeln.

Wenn wir den Geist mit einem See vergleichen und die Wirklichkeit des Absoluten, des Selbst, des Purusha, mit dem Vollmond am Himmel, so entspricht die klare, stille Oberfläche des Sees dem von Sattva dominierten Geist - der Vollmond ist nicht im See, aber er spiegelt sich klar in ihm wider: rund, lichtvoll, ruhig. Bei Vorherrschen von Rajas ist das Wasser des Sees aufgewühlt, voller Wellen, und der eine, vollendet runde Mond erscheint als eine Vielfalt sich unruhig hin und her bewegender Lichtreflexe - das eine, ewige, unveränderliche Selbst wird unter dem Einfluß von Rajas fälschlicherweise als die Vielfalt der Formen, Wesen und Dinge der Welt wahrgenommen. Das Tamas entspricht einem von einer Schicht von Wasserlinsen bedeckten See. Selbst wenn Rajas schwach und der See somit ruhig ist, ist vom Mond nichts zu erkennen - erst nach Beseitigung der Wasserlinsen (die den See notwendigerweise in Unruhe versetzen wird) ist überhaupt an eine Wahrnehmung des Lichtes des Mondes oder des Mondes in seiner vollendeten Gestalt zu denken. Unter dem verhüllenden Einfluß von Tamas weiß der Geist nichts von einem Selbst.

Die Bewusstseinsentwicklung gleicht einem Prozess der Sortierung, des Ordnens: Rajas gehört in den Bereich der Handlung, Tamas in den Bereich der Materie - beide sollten nicht im Bewusstsein vorherrschen, wo naturgemäß das Sattva beheimatet ist. Die in der Meditation erfahrene ruhevolle Wachheit läßt das Sattva im Bewusstsein anwachsen. Da, wo das sich ausdehnende Sattva auf Tamas trifft, entstehen Umordnungsprozesse in Form von Rajas. Das Rajas selbst beruhigt sich unter dem Einfluß von Sattva und wird schließlich zu Sattva. In dem von Sattva dominierten Geist leuchtet die Realität des Atman, des Selbst auf.

In seinem Werk "Das Kleinod der Unterscheidung" beschreibt Shri Shankara, einer der bedeutendsten Meister der vedischen Tradition, die Funktion der Gunas; Maya ist hierbei eine andere Bezeichnung für Prakriti, die kosmische Matrix:
"Ebenso, wie die Erkenntnis des Seils als Seil die Illusion, es sei eine Schlange, zerstört, so wird Maya (Täuschung) durch die Erfahrung des reinen freien Brahman, des Einen ohne Zweiten, zerstört. Maya besteht aus den Gunas - den Kräften, die als Rajas, Tamas und Sattva bekannt sind. Diese haben unterschiedliche Merkmale.
Rajas hat die Kraft der Projektion. Seine Natur ist Tätigkeit. Durch seine Kraft beginnt die Welt der Erscheinungen, die in Maya unmanifestiert ist, sich zu manifestieren. Es entstehen Bindung, Begierde und ähnliche Regungen, sowie Kummer und ihm verwandte Stimmungen.0
Lust, Ärger, Habgier, Hochmut, Eifersucht, Egoismus, Neid und andere solche Laster sind die negativen Merkmale von Rajas. Wenn ein Mensch von ihnen überwältigt wird, bindet er sich an das Handeln in der Welt. Daher ist Rajas die Ursache von Bindung.
Tamas hat die Macht, die wahre Natur eines Gegenstandes zu verhüllen und ihn anders erscheinen zu lassen, als er ist. Es ist die Ursache für die nie endende Unterwerfung unter das Rad von Geburt und Tod. Es ermöglicht auch die Auswirkung der Macht von Rajas.
Ein Mensch kann intelligent, klug und gelehrt sein. Er mag die Fähigkeit zu strenger Selbstanalyse besitzen. Doch wenn er von Tamas überwältigt ist, kann er die wahre Natur des Atman [des inneren Selbst] nicht verstehen, selbst wenn sie ihm auf verschiedenste Weise deutlich erklärt wird. Er hält die Erscheinung, das Ergebnis seiner Unwissenheit, für die Wirklichkeit und wird somit in Täuschungen verstrickt. Diese verdunkelnde Macht des Tamas ist überaus groß.
Die charakteristischen Merkmale von Tamas sind die Unfähigkeit, den tatsächlichen Gegenstand in seiner wirklichen Gestalt wahrzunehmen, das Fluktuieren der Gedanken und der Irrtum, Trugbilder für die Wirklichkeit zu halten. Solange der Mensch an Tamas gebunden ist, kann er sich von diesen Eigenschaften nicht befreien. Auch wird ihn Rajas solange unablässig beunruhigen.
Tamas hat noch weitere charakteristische Merkmale: Unwissenheit, Trägheit, Dumpfheit, Schlaf, Täuschung und Dummheit. Ein Mensch unter seinem Einfluß kann nichts verstehen. Ein solcher Mensch lebt wie ein Schlafwandler oder wie ein unbewusster Holzklotz.
Sattva ist Reinheit. Selbst wenn es, wie Wasser mit Wasser, mit Rajas und Tamas vermischt ist, erleuchtet es den Weg zur Befreiung. Sattva offenbart den Atman wie die Sonne die gegenständliche Welt erhellt.
Mit den anderen Gunas vermischt sind die charakteristischen Merkmale von Sattva: Demut, Reinheit, Zufriedenheit und Ernst, der Wunsch, die vedischen Schriften zu studieren, Gottergebenheit, Unschuld, Wahrhaftigkeit, Enthaltsamkeit, Begierdelosigkeit, Glauben, Hingabe, Sehnsucht nach Befreiung, Abneigung gegen die Dinge dieser Welt und andere Tugenden, die zu Gott führen.
In seinem reinen Zustand hat Sattva folgende Merkmale: Stille, unmittelbare Wahrnehmung des Atman, vollkommener Frieden, Zufriedenheit, Freude und ständige Hingabe an den Atman. Durch diese Eigenschaften findet der Gottsucher immerwährende Glückseligkeit.
Maya wird als eine Verbindung der drei Gunas beschrieben ... Wisse, dass Maya und alle ihre Wirkungen - vom kosmischen Intellekt bis zum grobstofflichen Körper herab - vom Atman verschieden sind. All dies ist unwirklich wie eine Fata Morgana in der Wüste."

Die Bedeutung der Erkenntnis der drei Gunas

In der Bhagavad Gita sagt Shri Krishna zu Arjuna: "Sei ohne die drei Gunas, Arjuna." (BG 2.45).
Dies ist gleichbedeutend mit der Aufforderung, das Selbst zu verwirklichen, denn einzig und allein das Selbst, der Purusha, ist ohne die drei Gunas, d.h. jenseits und unberührt von ihnen. Dies bedeutet: transzendiere den Bereich der drei Gunas, meditiere, erfahre reines Bewusstsein, die Wirklichkeit des Atman jenseits der Gunas.

Krishna betont aber nicht nur, dass es notwendig ist, in der Erfahrung über den Bereich der drei Gunas hinauszugehen, sondern er hebt auch hervor, dass es für die Erlangung der Erleuchtung sehr wichtig ist, auf der Ebene des Wissens die drei Gunas, ihr Wirken und ihre Beziehung zum Selbst (Purusha) zu verstehen:
"In Wahrheit werden sämtliche Aktivitäten im Universum von den drei Kräften (Gunas) der Natur (Prakriti) durchgeführt – aber der im Wahn des Ich-Bewusstseins Befangene denkt: Ich bin der Handelnde. Wer jedoch erkannt hat, o Starkarmiger, dass das Selbst von den Gunas und ihren Aktivitäten getrennt ist, der verstrickt sich nicht in Bindung, sondern denkt: Die Gunas wirken auf die Gunas ein." (BG 3.27-28)
"Wer so den Purusha und die Prakriti mitsamt den Gunas kennt, wird nicht wieder geboren, unter welchen Umständen auch immer er leben mag." (BG 13.23)

 Das Selbst zu verwirklichen und ewige Befreiung im Zustand kosmischen Bewusstseins zu erlangen ist gleichbedeutend damit, die unterscheidende Erkenntnis zu etablieren zwischen dem, was das Selbst ist und dem, was das Nicht-Selbst ist. Für die geforderte klare Erkenntnis des Bereichs des Nicht-Selbst ist ein tiefgehendes Verständnis der Philosophie der drei Gunas notwendig. So ergänzen sich Wissen und Erfahrung auf dem Weg zur Erleuchtung.

In der Bhagavad Gita ist das Kapitel 14 der Entfaltung des Wissens über die drei Gunas gewidmet - dieses Wissen wird in den Kapiteln 17 und 18 erweitert und anhand von zahlreichen Beispielen erläutert.

Die drei Gunas in der Bhagavad Gita


Die von Maharishi Veda Vyasa verfasste Bhagavad Gita ist ein Kompendium des gesamten vedischen Wissens. Ich habe hier die Stellen in der Gita aufgeführt, die sich unmittelbar auf die drei Gunas beziehen. Die drei Gunas sind ein bzw. sogar das Hauptthema des Veda - "traigunyavishaya veda" heißt es in der Gita kurz und bündig:
"Die Veden handeln von den drei Gunas" - BG 2.45
"Wahrlich, niemand vermag auch nur einen Augenblick lang ohne Tätigkeit zu sein, sondern durch die aus der Prakriti hervorgehenden Gunas wird jeder, sogar gegen seinen Willen, zum Handeln gezwungen." - BG 3.5

Die drei Gunas sind die drei Grundkräfte der Natur (prakriti), welche die gesamte mentale und physische Aktivität des Universums hervorbringen. Nur der Purusha, der Atman, das Selbst, die in sich wache Stille des absoluten Bewusstseins, ist jenseits der Prakriti und der drei Gunas und frei von ihnen.
"In Wahrheit werden sämtliche Aktivitäten im Universum von den drei Gunas der Prakriti durchgeführt – aber der im Wahn des Ich-Bewusstseins Befangene denkt: 'Ich bin der Handelnde.' Wer jedoch erkannt hat, o Starkarmiger, dass das Selbst von den Gunas und ihren Aktivitäten getrennt ist, der verstrickt sich nicht in Bindung, sondern denkt: 'Die Gunas wirken auf die Gunas ein'. Die von den Gunas der Prakriti Verwirrten sind an die Aktivität der Gunas gebunden. Wer die Wahrheit kennt, soll jedoch die Unwissenden, deren Intellekt verdunkelt ist, nicht (noch mehr) durcheinander bringen." - BG 3.27-29

Das 14. Kapitel der Bhagavad Gita heißt "Gunatraya Vibhaga Yoga" - das Kapitel über die Unterscheidung der drei Gunas.
"Sattva, Rajas und Tamas – dies sind die aus der Prakriti hervorgehenden Gunas. Sie fesseln, o Starkarmiger, den unvergänglichen Bewohner des Körpers an den Körper. Unter ihnen ist das Sattva infolge seiner Makellosigkeit strahlend und frei von Leid. Es bindet durch Hängen an Freude und durch Hängen an Wissen, o Sündloser. Wisse, dass das Wesen von Rajas die Leidenschaft ist. Es erzeugt den Durst und das Anhaften. Es bindet, o Sohn der Kunti, den Verkörperten an die Aktivität (Karma). Wisse, dass Tamas aus Unwissenheit besteht – es verblendet alle Verkörperten. Es bindet durch Sinnenrausch, Trägheit und Schlaf, o Bharata. Sattva bindet an die Freude, Rajas an das Handeln, o Bharata. Das Tamas aber verhüllt das Wissen und bindet an Sinnenrausch und Gleichgültigkeit." - BG 14.5-9
"Das Sattva dominiert, wenn es Rajas und Tamas überwältigt, o Bharata, ebenso dominiert das Rajas, wenn es Sattva und Tamas überwältigt und desgleichen dominiert das Tamas, wenn es Sattva und Rajas überwältigt." - BG 14.10
"Wenn in allen Toren des Körpers (den Sinnen) das Licht des Wissens aufleuchtet, dann soll man wissen, dass Sattva zugenommen hat. Begierde, Tatendrang, Durchführen von Handlungen, Rastlosigkeit und Verlangen - diese entstehen, wenn Rajas zunimmt, o Bester der Bharatas. (Geistige) Finsternis, Passivität, Berauschtheit und Wahn – diese entstehen, wenn Tamas zunimmt, o Freude der Kurus." - BG 14.11-13
"Wenn der Bewohner des Körpers bei vorherrschendem Sattva zur Auflösung geht, dann gelangt er in die makellosen Himmelswelten derer, die um das Höchste wissen (die Devas). Wenn er im Zustand von vorherrschendem Rajas zur Auflösung geht, wird er unter den an der Aktivität Haftenden (in der Welt der Menschen) wieder geboren. Im Zustand von vorherrschendem Tamas dahingeschieden, wird er in dumpfen Mutterschößen (Tierreich oder Welt der Asuras) wieder geboren." BG 14.14-15
"Die Frucht guter Handlungen, so sagt man, ist sattva-artig und makellos. Die Frucht des Rajas ist Leid und die Frucht des Tamas ist Unwissenheit. Aus Sattva entsteht Wissen, aus Rajas aber Begierde. Aus Tamas entstehen Berauschtheit, Wahn und Unwissenheit." - BG 14.16-17
"Nach oben in die Himmelswelten gehen die im Sattva Gegründeten. In der Mitte (in der Welt der Menschen) verweilen die Rajasartigen. Die in die Aktivität des niedrigsten Gunas eingebundenen Tamasartigen sinken hinab (in die Tier- und Unterwelt)." - BG 14.18

Im 18. und letzten Kapitel der Gita wird das Thema der drei Gunas noch einmal fortgeführt.
""Die Erkenntnis, die Handlung und der Handelnde sind jeweils von dreifacher Art entsprechend der Unterscheidung der Gunas – so wird es in der Lehre der Gunas verkündet. Höre auch angemessen von dieser:" - BG 18.19
  • Die drei Gunas in Bezug auf die Erkenntnis: "Durch welche man in allen Wesen das eine, unvergängliche Sein erschaut, ungeteilt in den geteilten – eine solche Erkenntnis, so wisse, ist sattva-artig. Diejenige Erkenntnis aber, die in allen Wesen wegen ihres Getrenntseins viele unterschiedliche Wesen sieht – eine solche Erkenntnis ist rajas-artig. Wenn aber jemand engstirnig an einem einzelnen Ding anhaftet, als wäre es das Ganze, ohne sich um die Ursache und die wahre Wirklichkeit zu kümmern – eine solche Erkenntnis wird als tamas-artig bezeichnet." - BG 18.20-22
  • Die drei Gunas in Bezug auf das Handeln:  "Eine vorgeschriebene Handlung, die ohne Anhaften und frei von Zuneigung und Abneigung von jemandem ausgeführt wird, der nicht nach ihrer Frucht verlangt, wird sattva-artig genannt. Eine Handlung aber, die von jemandem, der nach Sinnenfreuden begehrt oder von Egoismus erfüllt ist, mit großer Anstrengung ausgeführt wird, wird rajas-artig genannt. Eine Handlung, die aus Verblendung ausgeführt wird, ohne Rücksicht zu nehmen auf die Folgen, auf Schädigung und auf die eigene Befähigung, wird tamas-artig genannt." - BG 18.23-25
  • Die drei Gunas in Bezug auf den Handelnden: "Frei von Anhaften, kein „Ich“-Sager, voller Entschlossenheit und Tatkraft, unverändert in Erfolg und Misserfolg – ein solcher Handelnder wird sattva-artig genannt. Leidenschaftlich, nach den Ergebnissen (Früchten) der Handlungen gierend, habsüchtig, von verletzendem Wesen, unrein, von Freude und von Kummer erfüllt – solch ein Handelnder ist als rajas-artig bekannt. Ohne Selbstbeherrschung, niedriggesinnt, stur, falsch, boshaft, träge, kleinmütig und zögerlich – ein so Handelnder wird tamas-artig genannt." - BG 18.26-28 
"Höre nun von der dreifachen Unterscheidung des Intellekts (Buddhi) und der Entschlossenheit entsprechend den Gunas, wie es von Mir im einzelnen und in aller Ausführlichkeit verkündet wird, o Dhananjaya."
  • Die Arten des Intellekts den Gunas entsprechend: "Der Intellekt (Buddhi), der rechtes Handeln und rechtes Sich-Enthalten, zu Tuendes und zu Unterlassendes, zu Fürchtendes und nicht zu Fürchtendes, Bindung und Befreiung erkennt, der ist sattva-artig, o Partha. Der Intellekt, welcher das Gesetz (Dharma) und das Gesetzwidrige (Adharma) sowie das zu Tuende und das zu Unterlassende nicht in der rechten Weise erkennt, der ist, o Partha, rajas-artig. Der von Finsternis umhüllte Intellekt, welcher das Gesetzwidrige (Adharma) für das Gesetz (Dharma) hält und alles verkehrt bewertet – der ist, o Partha, tamas-artig." - BG 18.29-3
  • Die Arten der Entschlossenheit den Gunas entsprechend: "Die Entschlossenheit, mit der man die Aktivitäten des Geistes (Manas), des Lebensatems (Prana) und der Sinne beherrscht – diese durch Yogapraxis unerschütterlich gewordene Entschlossenheit ist, o Partha, sattva-artig. Die Entschlossenheit, mit der man am Dharma, an den Wünschen und am Besitz festhält, o Arjuna, daran haftend und die daraus hervorgehenden Früchte begehrend – diese Entschlossenheit, o Partha, ist rajas-artig. Die Entschlossenheit, mit der ein Unwissender nicht von Dumpfheit (Schlaf), Furcht, Sorge, Niedergeschlagenheit und Sinnenrausch ablässt – die, o Partha, ist tamas-artig." - BG 33-35
Drei Arten von Freude
  • "Nun aber höre von Mir von den drei Arten der Freude, o Bester der Bharatas. Die Freude, die man nach einer langen Zeit regelmäßiger Übung genießt und mit ihr das Ende des Leidens erreicht, welche am Anfang wie Gift und am Ende wie der Nektar des Unsterblichkeitstrankes ist – diese aus der Stille des eigenen Bewusstseins entstehende Freude wird sattva-artig genannt. Die Freude, welche aus der Verbindung der Sinne mit den Sinnesgegenständen entsteht und die am Anfang wie Nektar, am Ende aber wie Gift ist – eine solche Freude gilt als rajas-artig. Die Freude, welche sowohl am Anfang als auch nachfolgend nichts als Selbsttäuschung ist und aus Dumpfheit (Schlaf), Trägheit und dem Rausch des Vergessens der Sorgen entsteht, wird tamas-artig genannt." - BG 18.36-39
"Weder auf der Erde noch im Himmel, noch auch unter den Göttern gibt es ein Wesen, welches von diesen aus der Prakriti entstandenen drei Gunas frei wäre." - BG 18.40
"Die vorgeschriebenen Aktivitäten der Priester (Brahmanen), Krieger (Kshatriyas), Kaufleute (Vaishyas) und Arbeiter (Shudras), o Bedränger der Feinde, werden, ihrem eigenen Wesen und den Gunas entsprechend, verteilt." BG 18.41
Diese Einteilung der Hauptberufe (varna) wird die vierfache Ordnung genannt. Sie beruht darauf, welches der drei Gunas dominiert und welches an zweiter Stelle steht. Sattva-Rajas: Brahmanen. Rajas-Sattva: Kshatriyas. Rajas-Tamas: Vaishyas. Tamas-Rajas: Shudras.
  1. "Innere Stille, Selbstbeherrschung, Askese, Reinheit, Geduld und Wahrhaftigkeit, Wissen, Weisheit und Ausrichtung auf die höchste Wirklichkeit – das sind die Kennzeichen der Aktivität der Priester (Brahmanen), die aus ihrem eigenen Wesen hervorgehen." - BG 18.42
  2. "Tapferkeit, Stärke, Entschlossenheit, Geschicklichkeit und Nichtfliehen im Kampf, Freigebigkeit und Autorität – dies sind die Kennzeichen der Aktivität der Krieger (Kshatriyas), die aus ihrem eigenen Wesen hervorgehen." - BG 18.43
  3. "Ackerbau, Viehzucht und Handel sind die Formen der Aktivität der Kaufleute (Vaishyas), die aus ihrem eigenen Wesen hervorgehen." - BG 18.44
  4. "Das Dienen ist das Kennzeichen der Aktivität der Arbeiter (Shudras), die aus ihrem eigenen Wesen hervorgeht." - BG 18.45
"Durch hingebungsvolle Ausführung der dem eigenen Wesen entsprechenden Handlungen erlangt ein Mensch Vollkommenheit (Siddhi)." - 18.45


Anhang 2 
Die 7 Bewusstseinszustände

Im Zentrum des vedischen Systems der Wissensvermittlung steht die Einsicht, dass Wissen in verschiedenen Zuständen des Bewusstseins des Erkennenden unterschiedlich ist. Ändert sich der Zustand des Bewusstseins des Erkennenden, so ändert sich mit ihm auch sein Wissen. Das Wissen wiederum bestimmt, was für den Erkennenden "Realität" ist.

Wenn wir im folgenden die sieben unterschiedlichen Bewusstseinszustände eines Menschen kennenlernen, die der Veda beschreibt, wird deutlich werden, dass die von der modernen Erkenntnistheorie aufgezeigten Probleme der Erkenntnis charakteristisch für die Erlangung von Wissen im Wachzustand des Bewusstseins sind, in dem das erkennende Subjekt und das Objekt, das erkannt werden soll, sich in der Dynamik des Erkenntnisprozesses unablässig gegenseitig beeinflussen und verändern.

Der Veda unterscheidet folgende sieben Hauptbewusstseinszustände des Menschen:
  1. Tiefschlaf (sushupti chetana)
  2. Träumen (svapna chetana)
  3. Wachen (jagrat chetana)
  4. Transzendentales Bewusstsein (turiya chetana)
  5. Kosmisches Bewusstsein (turiyatit chetana)
  6. Gottesbewusstsein (bhagavad chetana)
  7. Einheitsbewusstsein (brahmi chetana)
Jedem dieser sieben Bewusstseinszustände entspricht ein ganz bestimmter Zustand der Erkenntnis oder des Wissens, eine spezifische Methodik der Erlangung von Wissen sowie als Ergebnis des Erkenntnisprozesses eine für diesen Bewusstseinszustand charakteristische Logik und Sichtweise der Realität oder Philosophie.

Der jeweilige Bewusstseinszustand bestimmt dabei stets die Voraussetzungen des Wissens, die Möglichkeiten und Grenzen der Erkenntnis und die Grundstruktur der Weltsicht. Es ist der Zustand des Bewusstseins des Erkennenden, der festlegt, was für ihn Realität ist, was nicht Realität ist und wie der Erkennende seine Realität erfährt, erkennt und beschreibt.

Ein simples Beispiel soll dies verdeutlichen:

Wenn ein Mensch erzählt: "Ich ging aus meinem Haus, erhob mich in die Luft und landete dann auf dem Dach meines Hauses. Da verwandelte sich mein Haus in einen prächtigen Palast. Aus einem Fenster des Palastes sah meine Großmutter hervor. Sie sah wie eine ganz junge Frau aus und ..."

Geht der Zuhöhrer davon aus, daß von einem Erlebnis im Wachbewusstsein berichtet wird, so wird er das Gehörte an den Gesetzmäßigkeiten der Realität des Wachzustandes messen und schlussfolgern: "Dieser Mann spricht nicht die Wahrheit. Er lügt oder ist verrückt. Was er sagt, ist vollkommen unrealistisch. Seine Großmutter ist seit Jahren tot, er kann nicht fliegen, sein Haus sich nicht in einen Palast verwandeln usw."

Der Erzähler hingegen hat ein wahres Erlebnis aus dem Traumzustand seines Bewusstseins geschildert. Wenn man das weiß und die Möglichkeiten der Realität des Traumbewusstseins kennt, wird man finden, daß seine Schilderung durchaus glaubwürdig ist.

Ähnliches gilt, wenn jemand berichtet, wie das Universum mitsamt aller Wesen sich in seinem Bewusstsein bewegt wie wellen im Ozean:

"Oh, mit bunten Wogen von Wesen jählings erhob sich in mir, dem unendlichen Weltmeer, als der Wind des Geistigen aufstand, die Welt. In mir, dem unendlichen Weltmeer, wenn der Wind des Geistigen zur Ruhe sich legt, versinkt unselig das Schiff der Welt samt seinem Kauffahrer, dem Lebensfunken. In mir, dem unendlichen Weltmeer - o wunderbar - steigen die Wellen der Lebensfunken auf, brechen sich, spielen und gehen in mich ein, wie sie ihr Wesen heißt."

Wenn der Zuhöhrer sich im Wachbewusstsein befindet und davon ausgeht, dass der Erzähler vom selben Zustand des Bewusstseins aus spricht, wird er - je nach eigener Befindlichkeit - zu der Auffassung gelangen, der Sprecher sei verrückt, größenwahnsinnig, betrunken, rauschgiftsüchtig usw. und wird finden, er sei reif für die Psychiatrie, die Ausnüchterungszelle oder den Scheiterhaufen.

Ein Zuhörer, der sich - wie Aschtavakra, der Sprecher des obigen Auszuges aus der Ashtavakra-Gita - im Zustand des Einheitsbewusstseins befindet, wird die Aussagen hingegen ohne weiteres als eine sehr präzise, vernünftige, realistische und angemessene Beschreibung der Wirklichkeit anerkennen.

Es soll aufgezeigt werden, weshalb das Verständnis der sieben Bewusstseinszustände der Schlüssel ist zum Verständnis des Veda, der vedischen Schriften, von Jyotish sowie des Vermächtnisses vieler großer Philosophen, "Mystiker", Religionsstifter und Erleuchteter der großen Kulturen aller Zeiten der Menschheitsgeschichte und auch der Schlüssel zum Verständnis davon, was Erkenntnis ist.

Um zu verstehen, welches die Methoden der vedischen Wissenschaft sind, um verlässliches Wissen hervorzubringen, soll nun jeder der sieben Bewusstseinszustände einzeln beschrieben und in Bezug auf seine Möglichkeiten der Erlangung von Erkenntnis hin untersucht werden.

Die drei "relativen" Bewusstseinszustände: Wachen, Träumen, Schlafen

Diese drei sich stets einander abwechselnden Zustände des Bewusstseins sind von der herkömmlichen westlichen Medizin bzw. Psychologie eingehend erforscht worden. Bedeutsam ist, daß jeder dieser drei Bewusstseinszustände eindeutig identifiziert werden kann nach der ihm entsprechenden Physiologie. Ohne einen Menschen zu befragen, kann man anhand der Messung von Stoffwechselrate, Atemfrequenz, elektrischer Gehirnaktivität (Gehirnwellen) usw. unzweifelhaft feststellen, in welchem der drei Zustände er sich gerade befindet.

1. Der Tiefschlaf

Jeder Mensch kennt den Bewusstseinszustand des traumlosen Tiefschlafs. Oder, besser gesagt: üblicherweise kennt ihn niemand, denn wenn man sich im Zustand traumlosen Schlafes befindet, ist man ohne Bewusstsein. "Ich habe gut geschlafen" heißt: "Ich erinnere mich an nichts".

Welche Erkenntnis ist in diesem Bewusstseinszustand möglich? - nada, nichts, "zappenduster". Abwesenheit von geistiger Aktivität und Abwesenheit von Wachheit kennzeichnen diesen erholsamen, vielgepriesenen, sorgenfreien Zustand des Bewusstseins.

Wird dieser Bewusstseinszustand längere Zeit lang nicht "erfahren", so sind schwere psychotische Störungen der Persönlichkeit und physischer Zusammenbruch die Folge.

2. Der Traumzustand des Bewusstseins (svapna chetana)

Im Traumzustand ziehen Bilder durch das Bewusstsein. Aus einer Ich-Perspektive heraus macht man alle Arten von Erfahrungen. In dieser Phase finden in der vom Schlaf erzeugten Ruhe Stressverarbeitungsprozesse im Körper statt, die entsprechende Aktivitäten auf Seiten des Gehirns und Geistes mit sich bringen. Das Bewusstsein ist weder wach noch ruhig.

Von der Schlafforschung wird die Traumphase auch REM-Phase genannt. REM bedeutet hier "Schnelle Augen-Bewegung" (Rapid Eye Movement) - das Flattern der Augenlider ist ein sicheres Kennzeichen, daß in diesem Moment nicht Tiefschlaf existiert, sondern Traumaktivität stattfindet.

Wenn der Traumzustand für längere Zeit nicht erfahren wird - zum Beispiel, wenn während eines Experimentes die Versuchsperson immer sofort geweckt wird, sobald die REM-Phase beginnt - so treten neurotische Zustände auf.

Wie sieht es mit Erkenntnis im Traumzustand des Bewusstseins aus? Diese Frage bezieht sich wohlbemerkt auf die Erkenntnis im Traumzustand selbst, nicht auf eine mögliche Analyse der Erinnerung an Traumerlebnisse im Wachzustand!

Im Traum wechseln die Erfahrungen rasch, sie unterliegen sehr wenig der Kontrolle des Erfahrenden, der vom Strom der Bilder mitgerissen wird. In der Abwesenheit von Wachheit und Stabilität ist die Erkenntnis hier ebenso schwankend und hilflos wie der Erfahrende selbst. Verlässliches, allgemeingültiges, wissenschaftliches Wissen kann von daher in diesem Zustand nicht erlangt werden.

3. Der Wachzustand des Bewusstseins (jagrat chetana)

Im Wachzustand des Bewusstseins ist der Geist aktiv und gleichzeitig wach. Ein steter Strom von Gedanken durchfließt das Bewusstsein. Mit "Gedanken" ist hier jede Form von mentaler Aktivität gemeint, also auch Gefühle, Erinnerungen, Phantasien, Wahrnehmungen usw.

Der Wachzustand gilt gemeinhin als der "normale" Zustand des menschlichen Bewusstseins. Von ihm aus gesehen erscheint der Schlaf als eine Unterbrechung der wachen Gedankenaktivität und der Traum als eine Illusion. Wenn man vom Traum erwacht, empfindet man die Welt des Wachzustandes spontan als Realität; was vorher war hat man - je nach Art des Traumes zum Glück oder leider - "nur geträumt". Vom Wachzustand aus gesehen erscheint das Traumgeschehen nicht mehr als real. Zwar gibt es die schönen Verse des chinesischen Dichters Tschuang-Tse:

"Ich, Tschuang Tse, träumte einst, ich sei ein Schmetterling, ein hin und her flatternder Schmetterling, ohne Sorge und Wunsch, meines Menschenwesens unbewusst. Plötzlich erwachte ich; und da lag ich: wieder 'ich selbst'. Nun weiß ich nicht: war ich da ein Mensch, der träumt, er sei ein Schmetterling, oder bin ich jetzt ein Schmetterling, der träumt, er sei ein Mensch? Zwischen Mensch und Schmetterling ist eine Schranke. Der Übergang wird Wandlung genannt."

Ein sehr schönes philosophisches Gedicht, in dem poetisch ausgedrückt wird, dass jeder Bewusstseinszustand seine eigene Realität aufbaut und das auch noch ein kleines Geheimnis um den Übergang von einem Bewusstseinszustand zum anderen andeutet. Nichtsdestoweniger wird beim Eintritt in das Wachbewusstsein der Traumzustand aber nicht spontan als eine gleichberechtigte Realität empfunden, sondern der zuvor erlebte Traum als unreal bewertet.

Wie sieht es nun mit den Möglichkeiten der Erkenntnis im Wachzustand aus? Diese Frage fällt in der traditionellen westlichen Philosophie unter die Rubrik Erkenntnistheorie, in der modernen naturwissenschaftlichen Weltsicht wird sie unter dem Titel Wissenschaftstheorie abgehandelt. Wenn man sich mit diesen Theorien beschäftigt, stellt man fest, dass es offenbar sehr schwierig ist, verlässliches Wissen oder sichere Erkenntnis zu erlangen, denn die meisten modernen Theoretiker sind diesbezüglich sehr skeptisch und reflektieren eher die Probleme, die sich der Erkenntnisgewinnung entgegenstellen, als dass sie Lösungen für erfolgreiche Wissensgewinnung aufzeigen.

Als ein Hauptproblem tritt hierbei die Tatsache in Erscheinung, dass bei der Wissensgewinnung stets eine Dreiheit von Erkennendem, Erkanntem und Erkenntnisprozess ins Spiel kommt. Auch wenn der Erkennende sich noch sehr sehr um "Objektivität" bemüht: schon mit der Fragestellung des Theoretikers oder der Versuchsanordnung des Forschers mischt sich der Erkennende in den Erkenntnisprozess ein, verändert das zu erkennende Objekt und prägt von vornherein den Vorgang der Wissensgewinnung.

Vom Veda aus gesehen sind diese Probleme durchaus verständlich. Hier erscheinen sie jedoch nicht als Probleme der Erkenntnis allgemein, sondern als sehr spezielles Probleme der Erkenntnis in einem ganz bestimmten Zustand des Bewusstseins: dem Wachbewusstsein.

Dabei ist es nicht der Aspekt der Wachheit, der die Erkenntnisprobleme erzeugt, sondern die ständige geistige Aktivität des Erkennenden im Zustand des Wachbewusstseins. Die Aktivität des Erkennenden bringt mit sich, dass er als Subjekt das Objekt der Erkenntnis permanent beeinflusst und damit den Erkenntnisprozess verfälscht. Außerdem bedeutet Aktivität Veränderung - und wenn ein sich ständig verändernder Faktor die Wissensgewinnung beeinflusst, wie soll dann das Ergebnis zuverlässig sein und sicheres Wissen entstehen können?

Die westliche Wissenschaft versucht dieses Problem mit der Forderung nach Objektivität zu lösen: die Störungsquelle der schwankenden menschlichen Subjektivität soll dadurch ausgeschaltet werden, daß der Erkennende, das Subjekt, sich möglichst vollständig aus dem Erkenntnisprozess heraushält. Diese Forderung ist jedoch praktisch nicht erfüllbar - eine Tatsache, die zum Kernpunkt der Wissenschaftskritik der modernen Wissenschaftstheorie geworden ist.

Aus vedischer Sicht liegt es in der durch permanente Aktivität gekennzeichneten Natur des Wachzustandes des Bewusstseins, dass es in ihm niemals einen "reinen Beobachter" geben kann, der das zu erkennende Objekt nicht beeinflusst, sondern es so wahrnimmt, wie es ist.

Im Wachzustand des Bewusstseins wird stets eine Interaktion zwischen dem Erkennenden und dem Objekt der Erkenntnis erfahren. Dies hat zur Folge, dass der Erkennende niemals das Objekt erkennt, sondern nur die Wechselwirkung seiner selbst mit dem Objekt. Auch erkennt das Bewusstsein des Erkennenden im Wachzustand niemals sich selbst, sondern immer nur sich selbst in Wechselwirkungen mit Objekten - über die Sinne wahrgenommenen physischen Objekten oder Gedanken- und Gefühls-Objekten, denn auch Gedanken und Gefühle sind Objekte für das sie wahrnehmende Bewusstsein.

Die vedische Wissenschaft löst das Problem auf andere Weise - sie stellt als verlässliche Grundlage für die Wissensgewinnung einen Zustand der Subjektivität zur Verfügung, der unveränderlich ist: einen Zustand des Erkennenden, einen Bewusstseinszustand, der in sich ohne jede Aktivität und gleichzeitig vollkommen wach ist: Transzendentales Bewusstsein, den vierten Bewusstseinszustand.

4. Transzendentales Bewusstsein (turiya chetana)

Transzendentales Bewusstsein ist der erste der im System der vedischen Wissenschaft beschriebenen "höheren Bewusstseinszustände". Transzendentales Bewusstsein wird durch eine Transformation des Wachbewusstseins mittels Methoden erlangt, die unter dem Oberbegriff "Yoga" zusammengefasst werden

Es besteht ein großer Unterschied zwischen dem, was der moderne Durchschnittsbürger sich unter Yoga vorstellt oder in der Wellness- und Esoterik-Szene als Yoga gehandelt wird und der Methodik des Yoga innerhalb der vedischen Wissenschaft. In letzterer wird Yoga als Methode definiert, das Bewusstsein vom Zustand des Wachbewusstseins in den Zustand des Transzendentalen Bewusstseins zu transformieren.

In den Yoga Sutras von Maharishi Patanjali, der klassischen "Formelsammlung" des vedischen Yoga Systems, wird gleich zu Beginn folgende Definition von Yoga gegeben:
"1. Nun zur Abhandlung über Yoga.
2. Yoga ist das Zur-Ruhe-Kommen der angeregten Zustände des Geistes.
3. Dann ruht der Erkennende in seiner eigenen Form....
5. Zu anderen Zeiten nimmt er die Form der angeregten Zustände an."

Was somit in der Ausübung von Yoga geschieht, ist, dass der Wachzustand des Bewusstseins, in dem es sich in einem angeregten Zustand befindet und mit gedanklicher Aktivität befasst ist, in den Zustand des transzendentalen Bewusstseins - im Yoga-System Samadhi genannt - umgewandelt wird, in welchem das Bewusstsein wach in sich selbst ruht (Sutras 2 und 3).

Im Wachzustand ist das Bewusstsein auf Objekte ausgerichtet - auf physische Objekte in der ganz nach aussen gerichteten Sinneswahrnehmung oder auf mentale Objekte in einer verfeinerteren Wahrnehmung des Denkens und Fühlens. In diesem Zustand nimmt das Bewusstsein die Form der Objekte an, auf die es ausgerichtet ist. Da die gesamte Welt der Objekte in permanenter Veränderung begriffen ist, ist daher auch das Bewusstsein im Wachzustand in permanenter Veränderung begriffen (Sutra 5).

Im Wachzustand des Bewusstseins kennt das Bewusstsein niemals sich selbst, sondern immer nur die speziellen Zustände von sich, in denen es mit Objekten interagiert. Weder erkennt das Bewusstsein in diesem Zustand sich selbst, noch werden die Objekte als das erkannt, was sie sind - was wahrgenommen wird ist stets ein Prozess, der durch die Wechselbeziehung und wechselseitige Beeinflussung zwischen erkennendem Subjekt und erkanntem Objekt gekennzeichnet ist.

In der Ausübung von Yoga wird die geistige Aktivität, in der das Bewusstsein sich auf Objekte ausrichtet, Schritt für Schritt verfeinert und reduziert, bis schließlich das Bewusstsein auch die Ausrichtung auf Objekte in Form allerfeinster Gedanken und Gefühle aufgibt und wach in sich selbst zurück bleibt. Die direkteste Yoga-Methode, diesen Zustand zu verwirklichen, ist Dhyana, d.h. Meditation. Da Körper und Geist beim Menschen eine untrennbare Einheit bilden, gibt es aber auch Yoga-Methoden, welche die Aktivität des Körpers, des Nervensystems oder des Atmens so verfeinern, dass dadurch die geistige Aktivität verfeinert und schließlich transzendiert wird. Das primäre Ziel aller Yoga Methoden ist aber nicht körperliche Fitness oder schmerzfreies Atmen, sondern - wie es Patanjalis Definition von Yoga zweiffelsfrei ausdrückt - die Erlangung des Zustandes des Bewusstseins, der Samadhi genannt wird.

Samadhi oder Transzendentales Bewusstsein ist kein halbwacher Zustand von Trance oder geistigem "Weggetretensein", sondern ein Zustand von völliger Stille des Bewusstseins, in dem es vollkommen wach in sich selbst ist und jede Form aktiver Objektbezogenheit hinter sich gelassen (transzendiert) hat. In diesem Zustand erkennt das Bewusstsein sich selbst, d.h. seine eigene Natur, in einer unmittelbaren Wahrnehmung seiner selbst, die nicht durch Objekt-Wahrnehmung überschattet ist.

Die Technik der Transzendentalen Meditation (TM) nach Maharishi Mahesh Yogi ist derzeit die verbreitetste und wissenschaftlich am besten untersuchte Methode von Dhyana, von Yoga-Meditation.

Bezeichnungen für den 4. Bewusstseinszustand

Bezeichnungen in der wissenschaftlichen- und der vedischen Literatur für den vierten Bewusstseinszustand sind:

Transzendentales Bewusstsein: Alle geistige Aktivität ist überschritten (transzendiert)
Reines Bewusstsein: Kein Objekt ist im Bewusstsein, es ist sich ausschließlich seiner selbst bewusst.
Ruhevolle Wachheit: Das Bewusstsein ist in sich wach und zugleich vollkommen still
Selbst: Der unveränderliche Grundzustand des Bewusstseins
Atman. Vedischer Ausdruck für das Selbst
Purusha: "Mensch" - vedischer Ausdruck für das Selbst, den Grundzustand des menschlichen Bewusstseins
Samadhi: Begriff aus den Yoga-Sutras: Subjekt und Objekt sind vereinigt (sama)
Turiya: "Der Vierte" (nach Schlafen, Wachen und Träumen) - klassischer vedischer Begriff
Sat-Chit-Ananda: Unveränderliches (Sat) Bewusstsein (Chit), das durch unermessliche Freude (Ananda) gekennzeichnet ist

Die hochinteressanten wissenschaftlichen Untersuchungen an Ausübenden der Transzendentalen Meditation haben gezeigt, dass auch der vierte Bewusstseinszustand sich - wie im Fall des Wachens, Träumens und Schlafens - eindeutig durch den ihm entsprechenden physiologischen Zustand identifizieren läßt. Dies bestätigt die vedische Auffassung, daß es sich hier um einen natürlichen vierten Hauptbewusstseinszustand des Menschen handelt.

Wenn man die Bewusstseinszustände nach den Merkmalen von Ruhe und Wachheit einteilt, kann man sehen, dass transzendentales Bewusstsein das Schema der Bewusstseinszustände um das fehlende Element ergänzt: ruhevolle Wachheit.

Matrix der 4 Hauptbewusstseinszustände: Ruhe + Wachheit

Ruhe und Aktivität

Wie steht es nun um die Möglichkeiten der Erkenntnis im vierten Bewusstseinszustand? Wenn wir uns an die Problematik der Erkenntnis im Wachbewusstsein erinnern, so haben wir im transzendentalen Bewusstsein den entscheidenden Vorteil, dass in ihm der Erkennende nicht nur wach ist, sondern zugleich auch unveränderlich, das heißt ohne jede eigene Aktivität, die den Vorgang der Erkenntnis stören oder verfälschen könnte. Daher ist in diesem Zustand erstmals sichere und verlässliche Erkenntnis gegeben!

Selbsterkenntnis

Was wird nun im vierten Bewusstseinszustand erkannt? - Antwort: Das Selbst erkennt sich selbst. Reines Bewusstsein ist in sich selbst wach für sich selbst. Da nichts als das Selbst da ist, kann nichts die Selbsterkenntnis stören oder überschatten. Eine große Errungenschaft! Die ganze Welt der Unmöglichkeit von sicherer Erkenntnis im Wachbewusstsein ist verschwunden. Der Erkennende ist zu sich selbst erwacht. Erstmals gibt es Erkenntnis, die diesen Namen verdient.

Damit ist die Forderung des Orakels zu Delphi erfüllt, welches in der Wiege der modernen westlichen Wissenschaft im antiken Griechenland dem Sucher nach Erkenntnis die Ermahnung "Erkenne dich selbst!" mit auf den Weg gab, da sonst das Wissen keine verlässliche Basis haben kann.

Nun könnte man kritisch einwenden, dass es ja eine wunderbare Sache sei, dass im vierten Bewusstseinszustand der Erkennende sich in unmittelbarer Wahrnehmung selbst erkennt und damit das erkennende Bewusstsein erstmals ein Wissen über sich selbst hat, welches den Namen "Wissen" wirklich verdient - aber was nützt dies für die Erkenntnis der Welt der Objekte, wenn doch dieser Zustand des Bewusstseins dadurch definiert ist, dass in ihm kein Objekt irgendwelcher Art wahrgenommen wird?

Tatsächlich werden in Samadhi, im Zustand des transzendentalen Bewusstseins, nicht nur keine physischen Objekte wahrgenommen, sondern selbst jede Form von Denken hat aufgehört. Sobald auch nur der zarteste Gedanke entsteht, verschwindet sofort die Selbst-Wahrnehmung des Bewusstseins und wenn das Bewusstsein zu seiner Selbst-Wahrnehmung zurückkehrt, ist keinerlei Objektbezug mehr vorhanden. Wachbewusstsein und Transzendentales Bewusstsein schliessen einander aus - dies jedenfalls ist die Situation, wenn ein Mensch, der vorher nur die einander abwechselnden Zustände des Wachens, Träumens und Schlafens kannte, mit Hilfe von Yoga erstmals Samadhi erfährt - den selbstrückbezüglichen Zustand des Bewusstseins, Transzendentales Bewusstsein.

Wir werden sehen, dass die Grossartigkeit der Errungenschaft des vierten Bewusstseinszustandes im Bereich der Erkenntnis und Wissenschaft erst dann in seinem vollen Wert abgeschätzt werden kann, wenn dieser stille, vollkommen selbstbezogene Zustand des Bewusstseins beginnt, als Grundlage des aktiven, auf Objekte ausgerichteten Zustandes des Wachbewusstseins zur Verfügung zu stehen. Dies geschieht allmählich im Verlauf einer Entwicklung, die schließlich zum 5. Bewusstseinszustand, dem Zustand Kosmischen Bewusstseins führt, in dem die drei relativen Zustände des Bewusstseins und der vierte Bewusstseinszustand voll integriert sind und koexistieren.

5. Kosmisches Bewusstsein (turiyatit chetana)

Kosmisches Bewusstsein wird durch die regelmäßige Abwechslung der Erfahrung des vierten Bewusstseinszustandes - vermittels der Transzendentalen Meditation (TM) oder anderer ebenso effektiver Yoga-Methoden - mit den drei relativen Bewusstseinszuständen des Wachens, Träumens und Schlafens verwirklicht.

Durch regelmäßige Meditation im Wechsel mit normaler Aktivität entwickeln Geist, Nervensystem und Körper im Laufe der Zeit die Gewohnheit, die in der Meditation erfahrene ruhevolle Wachheit mehr und mehr auch inmitten der nachfolgenden Tagesaktivität aufrechtzuerhalten. Es ist eine Erfahrung von Meditierenden, dass die während der Meditation erfahrenen Qualitäten von Stille, Wachheit, Energie, innerer Geordnetheit und Freude nicht nach Beenden der Meditation sofort verschwunden sind, sondern spontan eine Weile erhalten bleiben. Wird die Gewohnheit der Meditation über einen längeren Zeitraum hinweg aufrechterhalten, so intensiviert sich diese Erfahrung: zunehmend tiefere Ebenen von Stille, Wachheit usw. bleiben dann selbst inmitten von sehr dynamischer geistiger und körperlicher Aktivität bestehen, so dass man zur gleichen Zeit nach außen hin sehr aktiv ist und dennoch im Inneren im Selbst gegründet bleibt.

Dies geschieht wohlgemerkt nicht dadurch, dass man sich während der Aktivität einredet: "Ich bin innerlich ganz still" oder "Meine Natur ist reines Bewusstsein". Eine solche "Stimmungsmache" oder Selbstsuggestion würde den Geist nur spalten und schwächen, so dass man weder im Handeln erfolgreich sein noch die inneren Qualitäten des Bewusstseins aufrechterhalten könnte. Vielmehr wird durch den regelmäßigen Wechsel von Stille und Aktivität die angeborene unendliche Flexibilität des menschlichen Geistes und Nervensystems so vervollkommnet, dass schließlich auf natürliche Art und Weise die beiden Pole des Lebens - unendliche Stille im Inneren und große Dynamik im Äußeren - gleichzeitig erfahren werden. Die Perfektion dieser Fähigkeit wird Kosmisches Bewusstsein genannt - oder in der vedischen Sprache "turiyatit chetana" oder "nitya-samadhi" (nitya bedeutet ewig, dauerhaft). Dieser Vorgang braucht Zeit, weil infolge der engen Verbindung von Körper und Geist nicht nur das Bewusstsein sich ausdehnt, sondern damit zugleich auch eine Transformation des Körpers, der Physiologie vor sich geht - und das braucht Zeit. Kosmisches Bewusstsein ist keine Denkgewohnheit oder das Aufrechterhalten einer Stimmung, sondern ein sehr realer Zustand.

Vom "kosmischen Bewusstsein" spricht man erst dann, wenn ein Mensch immer - 24 Stunden am Tag - inmitten der wechselnden Zustände des Wachen und Träumens und sogar während der Nicht-Aktivität des Tiefschlafs in reinem Bewusstsein gegründet bleibt und dieser Zustand nicht mehr verloren gehen kann. Dies wird auch Selbstverwirklichung genannt - die wechselnden Erfahrungen der relativen Bewusstseinszustände finden vor dem unveränderlichen Hintergrund des Gewahrseins des Selbst statt - der unendlichen, in sich selbst wachen Stille im Inneren. Das Licht des Bewusstseins ist konstant geworden - das ist Erleuchtung.

Ein Hauptmerkmal des kosmischen Bewusstseins ist das der Unterscheidung - der Unterscheidung zwischen dem Selbst und dem was nicht das Selbst ist, zwischen der unwandelbaren, unbegrenzten Realität des Bewusst-Seins und der Welt der ständigen Veränderungen, zwischen Absolutem und Relativem, Purusha und Prakriti. Das Bewusstsein des Erkennenden hat aufgehört, sich fälschlicherweise mit physischen- oder mentalen Objekten im Bereich der Welt der Veränderungen und der Aktivität zu identifizieren und hat sich als die unbegrenzte Stille des reinen Bewusstseins erkannt. Er ist nur Das. Obwohl Handeln, Wahrnehmen, Denken und Fühlen stattfinden, ist es nicht mehr sein Handeln, Wahrnehmen, Denken und Fühlen, sondern alle diese Tätigkeiten werden als integrierter Bestandteil eines Feldes universaler Aktivität (Kshetra) erfahren. Er selbst hat damit nicht das Geringste zu tun, sondern er ist nur der unbeteiligte, stille Zeuge all dessen, was geschieht, der Kenner des Feldes (Kshetragya) - mehr dazu findet sich im Kapitel 13 der Bhagavad Gita.

Diese Erfahrung des Unbeteiligtseins des Selbstes verhindert dabei in keiner Weise, dass das Handeln dynamisch und erfolgreich, das Denken lebendig und interessiert und die Gefühle warmherzig und liebevoll sind: es ist nur nicht mehr der Aspekt von "meine" Handlungen, Gefühle darin enthalten. Da die Gegenwart des Selbst als Sat-Chit-Ananda - unveränderliches Glückseligkeits-Bewusstsein erfahren wird und der Erleuchtete somit 24 Stunden am Tag in persönlicher Erfüllung lebt, tauchen in seinem Denken und Fühlen keinerlei egoistische Bestrebungen mehr auf, die seine Wahrnehmung "verbiegen" und egozentrisch verzerren oder sein Handel korrumpieren könnten: er lebt vollkommen im Einklang mit dem Dharma, dem Naturgesetz, mit jener kosmischen Kraft, die sämtliche Aktivitäten im Universum durchführt und auf allen Ebenen der Existenz Evolution hervorbringt.

Aus dieser Beschreibung kann man ersehen, welch hervorragende Bedingungen für die Erlangung von Wissen im Zustand kosmischen Bewusstseinszustand gegeben sind. Alle Erkenntnis findet vor dem Hintergrund reinen Bewusstseins statt und spiegelt - unverfälscht von einem begrenzten individuellen Blickwinkel - die Wirklichkeit wider. In den Veden wird dies "ritam bhara pragyan" genannt: der Zustand des Intellekts (Pragya), der die Wahrheit (Ritam) in sich trägt - nur die Wahrheit und nichts als die Wahrheit.

In den Yoga Sutras heisst es:
"ritam bhara tatra pragya"
Dies ist der Zustand des Intellekts, der nur die Wahrheit zulässt (YS 1.48)."

Vor dem Hintergrund der vollkommen stillen Wachheit des Selbst-Bewusstseins werden alle Objekte, alle Prozesse im Universum als das wahrgenommen, was sie sind - nicht mehr verfälscht durch die Eigenaktivität des Bewusstseins, die im unerleuchteten Zustand des Wachbewusstseins Erkenntnis korumpiert. Ein einfaches Beispiel soll dies verdeutlichen:

Vergleichen wir einen Teich oder See mit dem Bewusstsein des Erkennenden und den Vollmond am Himmel mit dem Objekt, das sich im See spiegelt und dadurch erkannt wird.

Im Tiefschlaf ist der See des Bewusstseins ruhig, aber vollständig mit Wasserlinsen bedeckt (Das Bewusstsein ist von Dumpfheit überschattet) - der Mond spiegelt sich in ihm nicht wieder, wird nicht erkannt. Im Traumbewusstsein ist der See mit etwas weniger Wasserlinsen bedeckt, aber voller Wellen und im Wachbewusstsein weitgehend frei von Wasserlinsen aber voller Wellen, so dass sich in ihm nicht die vollendet runde Gestalt des Vollmondes widerspiegelt, sondern wechselnde Fetzen von Licht und Dunkelheit das Abbild des Mondes im See ausmachen. Im Kosmischen Bewusstsein ist der See vollkommen ruhig und klar und der Mond spiegelt sich in ihm deutlich wieder.

In diesem Zustand des Bewusstseins ist das Denken nicht mehr von einem System von Vorstellungen, nicht mehr von Konzepten über die Wirklichkeit bestimmt, die der Wahrnehmung übergestülpt werden und sie unablässig verfälschen. Ein Mensch im Zustand des Kosmischen Bewusstseins lebt immer in der Gegenwart, seine Wahrnehmung ist weder von prägenden Erlebnissen der Vergangenheit noch von Erwartungen an die Zukunft beeinflusst.

Hat ein Mensch den Zustand kosmischen Bewusstseins erlangt, so ist er für immer der Unwissenheit und dem Leiden entkommen. Dies wird auch Moksha genannt - ein Zustand ewiger Freiheit. Auf diesem sicheren Fundament kann das Bewusstsein beginnen, sich zum Zustand des Gottesbewusstseins zu erheben, um schließlich im Einheitsbewusstsein vollkommene Erleuchtung, vollkommene Erkenntnis und vollkommene Erfüllung zu finden.

In den Büchern von Pyar Troll oder Eckart Tolle und in den Protokollen von Gesprächen mit Nisargadatta Maharaj geben Menschen, die den Zustand kosmischen Bewusstseins verwirklicht haben, einen lebendigen Eindruck davon, wie die Realität in diesem ersten Zustand der Erleuchtung erlebt wird. Auch Sokrates und Buddha haben das kosmische Bewusstsein verwirklicht.

Innerhalb der vedischen Wissenschaft ist es das Sankhya-System, welches die Sicht der Wirklichkeit im fünften Bewusstseinszustand systematisch beschreibt.

6. Gottesbewusstsein (bhagavad chetana)

Im Zustand kosmischen Bewusstseins wird das Selbst, reines Bewusstsein, als unveränderliche Grundlage der wechselnden Erfahrungen des Wachens, Träumens und Schlafens aufrechterhalten. Wird dieser Zustand eine Weile gelebt und ist das Wissen darum vorhanden, daß es darüber hinaus noch weitere Möglichkeiten der Entwicklung des Bewusstseins gibt, so beginnt in der Gegenwart des reinen Bewusstseins ein Prozeß der Verfeinerung der Wahrnehmung, der schließlich zum Gottesbewusstsein führt. So wie zuvor in der Meditation zunehmend feinere Ebenen des Denkens erfahren wurden, dringt jetzt die Sinneswahrnehmung immer tiefer in die äußere Wirklichkeit ein.

Obwohl das kosmische Bewusstsein ein einheitlicher, integrierter Zustand des Bewusstseins ist, muß man feststellen, daß er durch eine Dualität, eine Zweiheit geprägt ist: das ewige, unbegrenzte Kontinuum in sich wacher Stille auf der einen Seite und das sich unablässig verändernde Feld universaler Aktivität auf der andereren Seite. Absolutes und Relatives, das Selbst und die Welt der Erscheinungen als Nicht-Selbst, Purusha und Prakriti koexistieren zwar, sind aber durch die Kraft der Unterscheidung völlig voneinander getrennt.

Trotz der Erfüllung, die in diesem Zustand erfahren wird, bleibt ein leiser Zweifel, ob diese Trennung wirklich das letzte Wort in Bezug auf Erkenntnis und Erfüllung ist. Auf dem Weg vom kosmischen Bewusstsein zum Gottesbewusstsein dringt die Sinneswahrnehmung in immer tiefere Ebenen der relativen Wirklichkeit ein, bis schließ die allerfeinste, "himmlische" Ebene der Wirklichkeit zugleich mit dem Selbst wahrgenommen wird. Wenn dies der Fall ist, rückt eine Realität in den Mittelpunkt des Bewusstseins, die in überwältigender Totalität die unendliche Stille des absoluten, reinen Bewusstseins und die unendliche Dynamik des Relativen umfaßt. Dies wird Gottesbewusstsein genannt.

Es wird gesagt, daß es die Qualitäten des Herzens - wachsende Liebe und Hingabe (Bhakti) - sind, die in der Entwicklung vom kosmischen Bewusstsein zum Gottesbewusstsein zum Tragen kommen und mit ihrer vereinigenden Kraft das Bewusstsein über die Dualität des kosmischen Bewusstseins hinausführen. In seinem Buch "Die Wissenschaft vom Sein und die Kunst des Lebens" beschreibt Maharishi Mahesh Yogi dies mit den Worten:

"Ein Mensch mit kosmischem Bewusstsein hat ein unbegrenztes, grenzenloses Maß an Liebe, das überallhin und zu allen Dingen überfließt. Wenn sich diese überfließende, grenzenlose, kosmische, universelle Liebe in Hingabe an Gott konzentriert, dann erreicht dieser konzentrierte Zustand der universellen Liebe einen solchen Grad, dass er dem Leben die höchste Erfüllung zu geben vermag.
Weit konzentrierter ist dieser Zustand des kosmischen Bewusstseins in der Hingabe an Gott, als jede vorstellbare Liebe in irgend einem Existenzbereich. Diesen Zustand konzentrierter, universeller Liebe zu leben, bedeutet die höchste Erfüllung des Lebens. Es ist eingrenzenloses Strömen von Liebe bei allem, was man sieht, bei allem, was man hört, was man riecht oder schmeckt, bei allem, was man berührt. Das gesamte Leben in seiner mannigfaltigen Verschiedenheit ist nichts als die Fülle der Liebe, der Seligkeit und Erfüllung, ewig und absolut.
Die Fähigkeit zur Erfüllung wird einem Individuum gegeben, wenn es durch ständige Ausübung der Transzendentalen Meditation kosmisches Bewusstsein erlangt und sich dann in Hingabe zu Gottes Füßen neigt. Wenn nicht der Zustand des kosmischen Bewusstseins erreicht ist, dann ist nicht einmal andeutungsweise der wirkliche Sinn des Wortes Hingabe erfasst. Ein Mensch, dessen Herz nicht von universeller Liebe überfließt, gewinnt nicht viel aus der Hingabe, denn wirkliche Hingabe führt zur Selbstaufgabe und das bedeutet, dass man seine eigene Identität verliert und die des Geliebten gewinnt. Der Pfad der Liebe, der Pfad der Hingabe wird mit Erfolg nur von kosmisch bewussten Seelen beschritten.
Ein Mensch, der sich nicht zu kosmischem Bewusstsein erhoben hat, der in seine begrenzte Individualität gehüllt ist und nur in der Identität seines eigenen Ich wach zu sein vermag, kann keine klare Vorstellung von Liebe oder Hingabe haben. Obwohl Menschen auf allen Bewusstseinsebenen Liebe im Herzen und Hingabe zu Gott fühlen und praktizieren, ist das Glück der Hingabe im Zustand kosmischen Bewusstseins jenseits aller Vorstellung.
Hingabe und Liebe gehören in ihrem eigentlichen Wert nur zum Leben im kosmischen Bewusstsein, vorher haben sie wenig Bedeutung oder Wert. Der Hingabe eines nicht verwirklichten Menschen ist ein bloßer Versuch, ein Bestreben, ein Bemühen. Im besten Fall führt sie zu der Vorstellung von größeren und intensiveren Formen der Liebe. Die Liebe und Hingabe eines kosmisch entwickelten Menschen jedoch haben einen bedeutsamen und wirklichen Wert, der die Ewigkeit umfasst und diese Liebe und Hingabe binden die Ewigkeit in eine einzige, universale Individualität. So groß ist die Macht der Liebe, so gewaltig ist die Macht der Hingabe.
Unterhalb der Ebene kosmischen Bewusstseins sind Liebe und Hingabe begrenzt und unbedeutend. Deshalb seien alle diejenigen, die den Pfad der Hingabe beschreiten wollen, dazu eingeladen, die Praxis der Transzendentalen Meditation zu beginnen, die das Individuum befähigt, sich zum Zustand des kosmischen Bewusstseins zu erheben, ohne Kampf oder Anstrengung, ohne Buße oder Askese.

Wenn schließlich das Gottesbewusstsein verwirklicht ist, sagt Maharishi weiter  
"dann ist die Selbstbezogenheit des Menschen das selbstbezogene Ziel Gottes, der individuelle Menschengeist der kosmische Geist Gottes, der individuelle Atem des Menschen der kosmische Atem Gottes, die individuelle Sprache des Menschen ein Ausdruck der kosmischen Stille.
Der Herr spricht durch ihn; allgegenwärtiges, kosmisches Leben gewinnt in seinen Handlungen Ausdruck; das Allwissende wird in den Grenzen seiner individuellen Persönlichkeit offenbar; die kosmische Intelligenz findet in seinem individuellen Geist Ausdruck ... Er schreitet auf Erden und doch im Geschick des Himmels. Er sieht, doch was er sieht, ist der Glanz Gottes; er hört, doch was er hört, ist die Stille; er spricht und spricht das Wort Gottes; er spricht und spricht Gottes Absicht aus; er spricht und zeichnet damit den Zweck des kosmischen Lebens; er spricht und verleiht den kosmischen Zielen Ausdruck; er spricht und doch drücken seine Worte ewiges Sein aus. Der Mensch ist der lebende Ausdruck der allgegenwärtigen, allwissenden kosmischen Existenz ... In der Ausstrahlung seines relativen Lebens findet das Absolute einen Ausdruck seines Seins. Engel und Götter freuen sich seiner Existenz auf Erden; Erde und Himmel erfreuen sich der Seligkeit des ewigen Seins, das da im Bild des Menschen verkörpert ist. So geschieht es, wenn der Atem des Individuums zum Impuls des ewigen Lebens wird, dass die Individualität universale Existenz atmet. Dann ist die Erfüllung des Lebens gewonnen."

Unter den berühmten Persönlichkeiten, die Gottesbewusstsein direkt verwirklicht haben, sind Jakob Böhme und andere Mystiker sowie Shri Ramakrishna und Jesus von Nazareth.

Das Gottesbewusstsein findet schließlich seine Erfüllung im Einheitsbewusstsein.

7. Einheitsbewusstsein (brahmi chetana)

Genau betrachtet, ist auch im Gottesbewusstsein noch ein Hauch von Dualität vorhanden: Die allumfassende Realität des Göttlichen einerseits und andererseits das Bewusstseins des Menschen, der in Liebe und Hingabe auf diese Wirklichkeit ausgerichtet ist. Obwohl durch die Kraft der Liebe und Hingabe in überwältigendem Maße die Verbindung und die Einheit von beiden im Mittelpunkt des Bewusstseins stehen, wird doch zugleich durch sie ein Hauch von Zweiheit aufrechterhalten, um überhaupt eine Beziehung zwischen beiden zu ermöglichen.

Hingabe an Gott bedeutet, dass der, der sich hingibt, sich selbst immer mehr vergisst und sein Bewusstsein mehr und mehr nur von Gott eingenommen wird. Die Haltung der Hingabe kann nur solange fortbestehen, wie der Sich-Hingebende noch einen Teil von sich zurückhält und damit die Hingabe noch nicht vollständig ist.

In der Entwicklung vom Gottesbewusstsein zum Einheitsbewusstsein findet die Hingabe und Liebe Erfüllung und auch dieser letzte Rest von Dualität wird überwunden - was bleibt, ist die eine, einzige, unteilbare, allesumfassende WIRKLICHKEIT des Lebens.

Die Wahrnehmung transzendiert auch die feinste relative Ebene der Wirklichkeit und findet im Relativen dieselbe Fülle wieder, die im Kosmischen Bewusstsein bereits als das Selbst verwirklicht wurde. Die Realität des Absoluten ist dieselbe geblieben. Aber im kosmischen Bewusstsein wurde sie "nur" als die innere Realität des eigenen Bewusstseins, als Atman wahrgenommen, während sie nun im Einheitsbewusstsein in allem, als Brahman, wahrgenommen wird.

Der Übergang vom Gottesbewusstsein zum vollendeten Gottesbewusstsein im Bewusstsein der Einheit kann, wie einige Erfahrungsberichte zeigen, mit einer Krise verbunden sein, weil die ganze Welt der überwältigend-glückseligen Gefühle von Liebe und Hingabe an Gott verschwindet und eine zunächst seltsam abstrakte Realität den gesamten Raum des Bewusstseins erfüllt. Das Bewusstsein kann dadurch den Eindruck bekommen, alles verloren zu haben. An diesem kritischen Punkt der Bewusstseinsentwicklung, so sagt die vedische Tradition, ist es sehr hilfreich, einen Meister zu haben, der selbst bereits längere Zeit im Einheitsbewusstsein lebt und dem Schüler bestätigt: "DAS ist ES" - erst dann erwacht die bereits etablierte Realität von Brahman zu ihrer alles erfüllenden Glückseligkeit - Brahmanandam, die selbst die Seligkeit des Gottesbewusstseins bei weitem übertrifft.

Der Geschmack der vollkommenen Erfüllung erwacht im Schüler durch die Worte des Meisters, der das voll erwachte Brahman repräsentiert. Dies sind die sogenannten Mahavakyas, die "großen Worte" der Upanishaden wie: "Ich bin Brahman" oder "Ich bin DAS, du bist DAS, all dies ist DAS".

Innerhalb der vedischen Wissenschaft ist es das Vedanta-System, das die Sicht der Wirklichkeit im Einheitsbewusstsein in den Brahma-Sutras von Veda Vyasa systematisch beschreibt. Der am höchsten bewertete Kommentar zu den Brahma-Sutras stammt von Adi Shankara.

Der Erleuchtete Dattatreya beschreibt in der Avadhuta-Gita die natürliche Sichtweise eines Menschen im Einheitsbewusstsein mit den Worten:
"Es gibt keine Verbindung noch Trennung für dich oder mich. Du bist nicht du. Ich bin nicht ich. Die Welt ist nicht die Welt. Tatsächlich ist alles nichts als Selbst."

Die Upanishaden sprechen von Purnamadah Purnamidam - Dieses ist die Fülle (Purna) und Jenes ist die Fülle
"Dies (das Absolute) ist die Fülle und Jenes (die Welt) ist die Fülle. Aus dieser Fülle geht jene Fülle hervor. Wenn jene Fülle aus dieser Fülle heraustritt, bleibt immer noch die Fülle zurück."

In der Einheit von Erkennendem, Erkanntem und Prozess der Erkenntnis ist Erkenntnis total geworden. Dies ist die Erfüllung des Wissens und des Wissenden zugleich. Einheitsbewusstsein ist der Zustand der Erleuchtung.

In der Chandogya-Upanishad spricht der Kriegsgott Sanatkumara zu dem Rishi Narada:
"Wenn einer kein andres sieht, kein andres hört, kein andres erkennt: das ist die Unbegrenztheit. Wenn er ein andres sieht, hört, erkennt, das ist das Begrenzte. Die Unbegrenztheit ist das Unsterbliche, das Beschränkte ist sterblich."
"Aber worauf gründet denn sie sich, o Herr?"
"Sie gründet sich auf ihre eigene Größe, oder, wenn man will, nicht auf die Größe.
Denn unter Größe versteht man in dieser Welt viel Kühe und Rosse, Elefanten und Gold, Sklaven und Weiber, Feld und Land. Aber das meine ich nicht, meine ich nicht", so sprach er, "denn da gründet sich immer eines auf das andere.
Sie aber (die Unbegrenztheit) ist unten und ist oben, im Westen und im Osten, im Süden und im Norden - sie ist die ganze Welt.
Daraus folgt für das Ich-Bewusstsein: Ich bin unten und oben, im Westen und im Osten, im Süden und im Norden - ich bin diese ganze Welt.
Daraus folgt für das Selbst: das Selbst ist unten und ist oben, im Westen und im Osten, im Süden und im Norden - das Selbst ist diese ganze Welt.
Wer also sieht und erkennt, am Selbst sich freuend, mit ihm spielend, mit ihm sich verbindend und ergötzend, der ist selbstbestimmend und ihm ist in allen Welten Freiheit. Die es aber anders als so ansehen, die sind fremdbestimmt, genießen vergängliche Freuden und ihnen ist in allen Welten Unfreiheit.
Für den, fürwahr, welcher also sieht und denkt und erkennt, stammt aus seinem Selbst das Leben, aus seinem Selbst die Hoffnung, aus seinem Selbst die Erinnerung, aus seinem Selbst der Weltraum, aus seinem Selbst die Glut, aus seinem Selbst das Wasser, aus seinem Selbst Schöpfung und Vernichtung, aus seinem Selbst die Nahrung, aus seinem Selbst die Kraft, aus seinem Selbst die Erkenntnis, aus seinem Selbst die Meditation, aus seinem Selbst das Denken, aus seinem Selbst der Entschluss, aus seinem Selbst der Geist, aus seinem Selbst die Rede, aus seinem Selbst die Hymnen und Mantras des Veda, aus seinem Selbst die heiligen Werke, aus seinem Selbst diese ganze Welt."

Beispiele für Menschen, die Einheitsbewusstsein verwirklicht haben, sind: Meister Eckehart, Laotse, Adi Shankara, Parmenides, Suzan Segal, Ramana Maharshi, Ramakrishna, Vivekananda, Swami Brahmananda Saraswati, Maharishi Mahesh Yogi.