Dezimale Selbst-Organisation des Rig Veda

Bernd Zeiger

(20. 10. 2025)

Dezimalzahlen haben den Umgang mit Zahlen so kinderleicht gemacht, dass ihre Wurzel im menschlichen Bewusstsein in Vergessenheit geraten ist. In dem das Rechnen heute weitestgehend Rechenmaschinen überlassen wird, bleibt das kulturtragende und Resilienz fordernde Potenzial der Dezimalzahlen ungenutzt. Der Rig Veda, das älteste Wissen der Menschheit, kann hier eine Kehrtwende bewirken, denn er führt zum Ursprung der Dezimalzahlen im Bewusstsein zurück, weil er selbst eine dezimal strukturierte Resonanzarchitektur des Bewusstseins ist. Die dezimale Organisation wurde dem Rig Veda nicht von außen aufgeprägt, sondern kommt von innen, ist der spontane unmittelbare Ausdruck der selbstorganisierenden Kraft des Bewusstseins. Die Wurzel des „phonertisch-akustischen Dezimalbaums“ ist das stille Feld selbstbezogenen Bewusstseins und die 10 Mandalas des Rig Veda umfassen die gesamte Spannweite von Erkenntnis, Erfahrung und Ausdruckskraft. Dass die 10 Mandalas insgesamt als Zyklus organisiert sind (und nicht bloß linear), ist entscheidend, denn erst dadurch ist der Rig Veda ein geschlossenes, selbstregeneratives Resonanzsystem. Seine zyklische Architektur macht den Rig Veda zum kultur- und resilienzfördernden Katalysator in jedem Wissenszweig, für jede Ebene der Schöpfung und in jedem Lebensbereich auf sich ständig selbst erneuernde Art und Weise.

Durch mehrere unterschiedliche und unabhängige Entwicklungen näherten sich im 20. Jahrhundert moderne und vedische Wissenschaft einander an. Kern und Zentrum der vedischen Wissenschaft ist der Rig Veda und in der modernen Wissenschaft ist es die vereinheitlichende Quantentheorie der Superstrings. Die formalen Übereinstimmungen sind offensichtlich, z. B. haben beide eine 10-  dimensionale Struktur, die hier beim Rig Veda, ausgehend von den Pionierforschungen Maharishi Mahesh Yogi´s (1918 - 2008) genauer untersucht wird.


Zehndimensionalität des Rig Veda


Letztlich muss die Zehndimensionalität des Rig Veda auf den elementaren Tatsachen beruhen, dass (1) Selbstbezug das Kennzeichen des Bewusstseins ist und damit das einfachste strukturierende Prinzip, (2) Wissen eine dynamische Struktur des Bewusstseins ist  und (3) Wissenschaft systematisches Wissen. 

Zur bewusstseinsbezogenen Analyse der Struktur des Rig Veda geht Maharishi Mahesh Yogi von zwei Grundphänomenen des Bewusstseins aus: Kollaps und Interval(Gap)  die er als Grundbegriffe benutzt  und aus der phonetischen Struktur der 1. Silbe(Akshara) des Rig Veda  AK  und des 1.Wortes des Rig Veda AGNIM ableitet

erstes Akshara des Rig Veda  AK   =    Kollaps:    A > K
erstes Wort des Rig Veda  AGNIM =   Intervall : A> GNI < M)

Zur theoretischen Begründung beruft Maharishi Mahesh Yogi sich dabei auf Richa 1.164.39 des Rig Veda wo es heisst:
Richo akshare parame vyoman yasmin deva adhi vishve nisheduh
Yastanna veda kim richa karishyati ya it tad vidus ta ime samasate.
(Rik Veda 1.164.39)
The  Richas (of the Veda) exist in the collapse of fullness (the kshara of 'A') in the transcendental field in which reside all the Devas, the impulses of Creative Intelligence, the laws of nature, responsible for the whole manifest universe. He whose awareness is not open to this field, what can the Richas accomplish for him? Those who know this level of reality are established in eveness, wholeness of life.

Die Richas (des Veda) existieren im Kollaps der Fülle (dem Kshara von „A“) im transzendentalen Feld, in dem alle Devas, die Impulse der schöpferischen Intelligenz,  die Naturgesetze, wohnen, die für das gesamte manifestierte Universum verantwortlich sind. Was können die Richas bei jemandem bewirken, dessen Bewusstsein für dieses Feld nicht offen ist? Wer diese Ebene der Wirklichkeit kennt, ist im Gleichgewicht in der Ganzheit des Lebens gegründet.

Die Kollaps–Intervall-Sequenz als Grundmechanismus der Selbstreflexion impliziert stets:
eine gerichtete Entfaltung: (Kollaps → Intervall) und
eine Rückführung (Intervall → Kollaps).

Diese Sequenz beinhaltet wegen der völligen Reversibilität selbstbezogenen Bewusstseins notwendig einen Umkehrpunkt, an dem die Entfaltung in ihre Rückbindung übergeht. 

Auf der Ebene der einzelnen Sukta-Mandalas des Rig Veda (Mandala=Kreis) erfordert das Kollaps-Intervall-Schema die Existenz einer Sukta, die die Rolle des Umkehrpunktes spielt, ab dem die Sequenz der Suktas eines Mandalas wieder zum Ursprung zurückführt und sich der Kreis schließt. Diese Umkehr-Sukta wird durch die Punktsymmetrie eines Mandala eindeutig festgelegt: 

die Umkehr-Sukta liegt der 1. Sukta diagonal gegenüber. Bei Mandala mit ungerader Suktazahl impliziert das die Existenz einer leeren oder unmanifesten Sukta, für die Maharishi Mahesh Yogi  die Bezeichnung "Avyakta.Sukta" geprägt wurde

Spiegelung an einem Punkt (Bindu) wird Punktspiegelung, Inversionssymmetrie[ oder Zentralsymmetrie genannt. Dieser Punkt entspricht im zyklischen Modell des Rückbezugs ( z. B. als reversibler Kreisprozess) der Mitte eines Kreises. Das Symmetriezentrum eines Kreises ist der Schnittpunkt aller Diagonalen. Durch Bindu-Spiegelung wird also eine Figur an einem Symmetriepunkt auf sich selbst abgebildet. 

Auf der Ebene des Bewusstseinsverlaufs bedeutet das:

Die erste Sukta eines Mandala entspricht dem Impuls der Manifestation (z.B. Agni), die Umkehr-Sukta (diagonal zur ersten Sukta) markiert dann das Maximum der Differenzierung des Selbstbezugs, insbesondere
repräsentiert das Avyakta Sukta den Übergang zur reinen Potenzialität zurückkehrt. Eine Avyakta-Sukta gibt es für Mandala 1, 2, 5, 6, 8, 10 .

Wie in den folgenden  Abschnitten ausführlich begründet wird, verringert sich bei zyklischer Gesamtstruktur aller 10 Mandalas zusammen die Zahl der Avyakta-Sukta im gesamten Rig Veda von 6 auf 4. Im Sinne des Selbstreflexion des Bewusstseins wäre damit die Struktur des Rig Veda  in sich vollständig ausgewogen.

Mit der zyklischen Gesamtstruktur beschäftigte sich in den 1970er Jahren Pandit Parameshvara Iyer  und notiert in Chart-Form die Beobachtungen:       
  1. Bei zyklischer Anordnung der 10 Mandala des Rig Veda kompensieren sich die Drehsinne der 10 Mandalas der Reihe nach paarweise, denn die ungradzahligen Mandala 1, 3, 5, 7 und 9 haben negativen Drehsinn haben (entgegen dem Uhrzeiger) und die gradzahligen Mandala 2, 4, 6, 8 und 10 positiven Drehsinn (im Uhrzeigersinn) .
  2. Der gesamte Rig Veda bezüglich der durch die Paare 1 und 10, 2 und 9, 3 und 8, 4 und 7 sowie 5 und 6 definierten Achse spiegelsymmetisch ist.

Robin Bradshaw zeigt in seiner Dissertation(2005), dass die gesamte Struktur des Ṛig Veda bereits in der ersten  Richa in Samenform enthalten ist wie das Maharishi Mahesh Yogi erstmals nachgewiesen hat. Bradshaw interpretiert diese erste Richa als zweidimensionale Matrix der Transformationen zwischen der zehn-dimensionalen Basis (dim 10) des unveränderlichen, regelmäßigen Prinzip  "Ak" (Kollaps) und der  vier-dimensionalen Basis (dim 4) des veränderlichen, unvorhersehbaren Prinzips  "Rig"(Intervall).  
Diese beiden Prinzipien erzeugen aus den  24 Aksharas (absolut) und 43 Varnas (relativ) der ersten Richa des Ṛig Veda eine Matrix mit 24x43 = 1.032 Beziehungs-Möglichkeiten, was 1.032 Sūktas für den gesamten Ṛig Veda entsprechen würde. D.h. der Ṛig  Veda ist dann  der vollständige Kommentar der 1.032 möglichen Kombinationen aus Aksharas und Varnas.  

Seit den Arbeiten von Maharishi Mahesh Yogi, Pandit Parameshvara Iyer und Robin M. Bradshaw zeichnet sich ein faszinierendes Bild des Ṛg Veda ab: hinter der scheinbar linearen Abfolge seiner zehn Maṇḍalas verbirgt sich eine präzise, zyklische Gesamtstruktur. Iyer zeigte bereits in den 1970er Jahren, dass sich die Drehrichtungen der zehn Maṇḍalas paarweise kompensieren – die ungeradzahligen Mandalas (1, 3, 5, 7, 9) rotieren gegen, die geradzahligen (2, 4, 6, 8, 10) im Uhrzeigersinn. Der gesamte Ṛg Veda ist somit in sich spiegelsymmetrisch und bildet einen geschlossenen Resonanzkreis, dessen Achsen durch die Mandala-Paare (1/10, 2/9, 3/8, 4/7, 5/6) definiert sind.

Robin Bradshaw vertiefte diesen Ansatz, indem er zeigte, dass die gesamte Struktur des Ṛg Veda bereits in der ersten R̥cā in komprimierter Form enthalten ist – als Same der Totalität. Maharishi Mahesh Yogi hatte diese Idee erstmals formuliert: dass der Veda in seiner ersten Schwingung die gesamte Evolution von Klang, Bedeutung und Bewusstsein in sich trägt. Bradshaw beschreibt diese erste R̥cā als zweidimensionale Matrix der Transformationen zwischen zwei fundamentalen Prinzipien:
dem zehn-dimensionalen, unveränderlichen Prinzip des „Ak“ (Kollaps) und dem vier-dimensionalen, veränderlichen Prinzip des „Ṛg“ (Intervall).

Aus den 24 Akṣaras (als absolute Dimension) und 43 Varṇas (als relative Dimension) der ersten R̥cā entsteht eine Matrix mit 24 × 43 = 1.032 Beziehungsfeldern – eine symbolische Entsprechung zu den 1.032 Sūktas, die den gesamten Ṛg Veda bilden sollten. Tatsächlich umfasst der überlieferte Ṛg Veda jedoch nur 1.028 Sūktas. Die Differenz von vier verweist auf jene „Avyakta-Sūktas“, die nicht als Text erscheinen, sondern als unmanifestes Bindeglied die zyklische Struktur des gesamten Werkes schließen.

Diese vier unmanifesten Hymnen bilden gewissermaßen die Nullpunkte der Schöpfung – jene Übergänge, an denen die Richtung der Schöpfung umkehrt, wie bei Iyers zyklischer Paarstruktur der Mandalas. Im Unterschied zu den 1.028 manifesten Hymnen sind diese vier „fehlenden“ Sūktas nicht leer, sondern enthalten die stille Rückbindung des Klanges an seine Quelle – das Bindu des Veda.

Damit wird die Differenz 1032 – 1028 = 4 zu einem präzisen Ausdruck der Selbstkohärenz des Ṛg Veda:
vier unsichtbare Sūktas als Resonanzachsen der zehn Mandalas – das pulsierende Herz einer kosmischen Sprache, in der nichts wirklich fehlt und doch alles wieder in den Ursprung zurückkehrt.

Dieser Blog untersucht jetzt, wie sich diese zyklische Struktur philologisch, phonologisch und mathematisch begründen lässt:

durch die Zuordnung der Varṇas zu den Maṇḍalas,
durch die Rekonstruktion der vier Avyakta-Sūktas,
und durch den Vergleich mit den Pratyāhāra-Sutras Pāṇinis, deren 43 Laute (10 + 33) denselben phonematischen Raum abbilden, den Bradshaw für die erste R̥cā postuliert.

So wird der Ṛg Veda nicht länger nur als Sammlung von Hymnen verstanden, sondern als vollständig symmetrisches Schöpfungssystem, in dem Klang, Zahl und Bewusstsein eine einzige zyklische Sprache bilden.

Die 43 Varnas


Die Rolle der Aksharas (Silben) in der Struktur des Rig Veda ist von Maharishi Mahesh Yogi genau untersucht worden. Die traditionelle Quintessenz ist, dass der Rig Veda die maximale Zahl von 432 000 Aksharas hat. Rishi Yagyavalkya berechnet diese Zahl im Shatapatha Brahmana 10.4.2.23.

Die Rolle der Varnas (Zeichen) in der Struktur des Rig Veda ist bisher nicht untersucht worden. R. Bradshaw ordnet der ersten Richa, die er als Matrix für den gesamten Rig Veda versteht, 43 Varnas zu und bestimmt über das Produkt mit den 24 Aksharas die Gesamtzahl von 1032 Suktas des Rig Veda. Diese Berechnung hat einen scheinbaren Schönheitsfehler. Die Abzählung der Varnas der 1. Richa ergibt nämlich insgesamt 56 Varṇas wegen a g n i m ī ḷ e p u r o h i t a ṁ (17 Varṇas) y a j ñ a s y a d e v a m ṛ t v i j a m | (20 Varṇas) h o t ā r a ṁ r a t n a dh ā t a m a m || (19 Varṇas).

Es gibt jedoch Argumente, durch die Bradshaws Formel 24 × 43 = 1032 gerechtfertigt werden kann:

Varṇa kann im vedischen Kontext auch Klangwert oder phonetische Einheit meinen, nicht unbedingt ein schriftliches Zeichen. Ohne Nasalisationen, Anusvāra, Visarga, oder mit Verschmelzung von Diphthongen, kann die Zahl 43 eine stilisierte, strukturale Bedeutung haben.

In diesem Sinn wäre 43 nicht empirisch, sondern funktional-symbolisch zu verstehen, z. B. als „Primärstruktur des Relativen“. Diese reduzierte Varna-Zählweise benutzt Panini in den Pratyahara-Sutras, die er seinen Vyakarana-Sutras des Vedanga voranstellt.

43 ist dann nicht das Ergebnis einer exakten Zählung, sondern eine intendierte strukturelle Zahl, die bestimmte Relationen erfüllt, d. h., die Zahl 43 hat eine funktionelle Bedeutung gemäß 24 + 19 = 43, wobei 24 das Absolute, 19 (die Differenz zu 43) das Relative als „Störung“ oder „Bewegung“ symbolisiert. In der vedischen Zahlensymbolik ist 43 = 40 + 3, also das vollständige Rg-System (vierzig Grundprinzipien) plus die drei Bewusstseinsstufen (ṛṣi, devatā, chandas).

Somit ist 43 die ideale Zahl der relativen Transformationen, unabhängig von der phonetischen Realität, also die effektive Dimension des Relativen. Die Zahl 43 ist somit nicht das Ergebnis einer empirischen Zählung der ersten Richa, sondern eine emergente, nicht gezählte Größe.

Bradshaws Ansatz entspricht folglich  einer algebraischen Modellierung der: metrische Reduktion 56 → 43.

In der vedischen Rezitation werden bestimmte Laghu-Guru-Kombinationen, Sandhi-Verschmelzungen und metrische Kürzungen angewendet. Wird die erste Richa nicht als geschriebener Text, sondern als metrisch rezitierten Klangfluss analysiert, können 13 Laute (v. a. kurze Vokale, Anusvāra, Diphthonge) nicht als separate Varṇas gezählt werden. Die Zahl der tatsächlich artikulierten metrischen Einheiten kann also genau 43 betragen.

Die Gāyatrī-Metrik (8 + 8 + 8 = 24 Silben) steht Bradshaw zufolge für das Absolute (24 Akṣaras). Wird die erste Richa als Gāyatrī-basiertes Modell betrachtet, dann steht 43 für den Resonanzraum, in dem sich das Relative entfaltet — analog zu den 43 Gottheiten der Ṛgveda Mandalas oder zu den 43 „Bewegungen“ (parināma) der Prakṛti in Sāṃkhya.

Damit wird 43 zu einer strukturellen Konstante des Relativen – nicht zu einer phonetischen Zahl.

Bradshaws numerische Struktur (24 × 43 = 1032) lässt sich also retten, wenn man 43 nicht als empirisch gezählte Varṇas, sondern als symbolisch-mathematische, metrisch verdichtete oder funktional definierte Zahl versteht. Sie repräsentiert dann die Dimension des Relativen, komplementär zu den 24 Akṣaras des Absoluten, deren Produkt dann die vollständige Matrix (1032) ergibt – die Blaupause des gesamten Ṛg Veda.

Zwar ergibt die Zählung der Varṇas in der ersten Richa (ṚV 1.1.1) die Anzahl 56, doch ist zu beachten, dass der Begriff Varṇa im vedischen Kontext nicht zwingend mit der modernen Schrift- oder Lautzählung identisch ist.

So stellt Pāṇini seinem Aṣṭādhyāyī die sogenannten Pratyāhāra-Sūtras voran, die 43 Varṇas (10 Vokale + 33 Konsonanten) umfassen und damit das gesamte Akṣhara-Spektrum des Sanskrit definieren. Diese 43 Laute bilden das vollständige expressive Potenzial der Sprache, innerhalb dessen alle weiteren Kombinationen möglich sind. So kann die metrisch wirksame Zahl der Klangträger (im Sinne phonetischer Einheiten) bei metrisch-funktionaler Zählweise 43 betragen. Die Zahl 43 als strukturelle oder symbolische Konstante interpretiert, erscheint in der indischen Sprachphilosophie mehrfach als Grenzgröße des artikulatorischen Feldes. Das begründet die numerische und strukturelle Konsistenz der Zahl 43.

43 ist eine Primzahl. Als solche schwingt sie symbolisch stets mit ihren Nachbarn 42 und 44 mit, d. h., sie markiert eine Übergangszone zwischen vollendeter Symmetrie (42 = 6 × 7) und Erweiterung (44 = 4 × 11). Innerhalb dieser Resonanzregion wird 43 zum Ausdruck der relativen Dimension des Werdens, die aus der Einheit (24 = absolutes Prinzip) hervorgeht, ohne sich in Symmetrie aufzulösen.

Damit lässt sich Bradshaws Multiplikationsansatz als numerische Abstraktion verstehen, die auf mehreren Ebenen kohärent bleibt:
24 Akṣaras symbolisieren die Ordnung des Absoluten (Gāyatrī-Metrik),
43 Varṇas: die artikulatorische Totalität des Relativen (Pratyāhāra-System),
deren Produkt 1.032 die vollständige Matrix der schöpferischen Entfaltung des Ṛig Veda.

So kann Bradshaws Ansatz als semiotisch-mathematische Modellierung verstanden werden, bei der Zahlen nicht empirisch gezählt, sondern als Funktionen von Bewusstseins- und Klangstrukturen interpretiert werden – in Übereinstimmung sowohl mit der vedischen Chandas-Tradition als auch mit der grammatischen Architektur Pāṇinis.

Bradshaw interpretiert somit die erste Richa als zweidimensionale Matrix der Transformationen zwischen der zehndimensionalen Basis (dim 10) des unveränderlichen, regelmäßigen Prinzips "Ak" (Kollaps) und der vierdimensionalen Basis (dim 4) des veränderlichen, unvorhersehbaren Prinzips "Rig"(Intervall).

Diese beiden Prinzipien erzeugen aus den 24 Aksharas (absolut) und 43 Varnas (relativ) der ersten Richa des Ṛig Veda eine Matrix mit 24 × 43 = 1.032 Beziehungs-Möglichkeiten, was 1.032 Sūktas für den gesamten Ṛig Veda entsprechen würde. D. h., der Ṛig Veda ist dann der vollständige "Kommentar" der 1.032 möglichen Kombinationen aus Akṣharas und Varnas.

Entdeckung der zyklischen Struktur des Rig Veda


Die zyklische Struktur des gesamten Rig Veda ist eng verbunden mit dem von Mahaharishi Mahesh Yogi zur Vervollständigung der Punktsymmetrie einzelner Mandala des Rig eingeführten Avyakta Sukta. Dieses unmanifeste Sukta charakterisiert das Umkehr-Sukta, das dem 1. Sukta eines Mandala diagonal gegenüberliegt. Eine solche Nulpunkt-Sukta fehlt explizit in allen Mandala mit ungerader Suktazahl, d.h. bei Mandala 1, 2, 5, 6, 7, 10. Es gibt also bei Betrachtung der einzelnen Mandalas insgesamt 6 Avyakta-Sukta. Beim Übergang zum zyklischen Rig Veda entfallen zwei, die den gemeinsamen Nullpunkt zweier Mandala bilden, nämlich von M1 und M10 sowie von M5 und M6. Im zyklischen Rig Veda gibt es somit 4 Avyakta Sukta was die Gesamtzahl der Sukta des Rig Veda formal auf 1028 + 4 = 1032 erhöht.

Mit der zyklischen Gesamtstruktur beschäftigte sich in den 1970er Jahren Pandit Parameshvara Iyer an der Maharishi European Research University, Schweiz, und notiert in Chart-Form die folgenden zwei Beobachtungen: (a) Bei zyklischer Anordnung der 10 Mandala des Rig Veda kompensieren sich die Drehsinne der 10 Mandalas der Reihe nach paarweise: die ungeradzahligen Mandala 1, 3, 5, 7 und 9 haben negativen Drehsinn (entgegen dem Uhrzeiger) und die geradzahligen Mandala 2, 4, 6, 8 und 10 positiven Drehsinn (im Uhrzeigersinn) .(b) Der gesamte Rig Veda ist bezüglich der durch die Paare 1 und 10, 2 und 9, 3 und 8, 4 und 7 sowie 5 und 6 definierten Achse spiegelsymmetrisch. (Pandit Iyer)

Daraus folgt, dass die Mandala-Paare (1/10, 2/9, 3/8, 4/7, 5/6) spiegelbildlich in Bezug auf Drehsinn und Achse sind, also die Punktsymmetrie der einzelnen Mandala im gesamten Rig Veda gebrochen ist. Die vier Avyakta Sūktas können dann so interpretiert werden, dass sie die Scharnierpunkte zwischen diesen Paaren darstellen, d. h. jene Übergänge, an denen sich die Drehrichtung umkehrt. Mathematisch entspräche dies vier Nullpunkten im zyklischen Phasenraum der Mandala-Symmetrie.

Robin Bradshaw zeigt schließlich in seiner Dissertation (2005), dass aus der Tatsache, dass die gesamte Struktur des Ṛig Veda bereits in der ersten Richa in Samenform enthalten ist, wie Maharishi Mahesh Yogi erstmals nachgewiesen hat, gefolgert werden kann, dass es theoretisch im Rig Veda 1032 Sukta gibt als Konsequenz von 24 (Akshara) × 43 (Varna). Die Differenz zwischen den von R. Bradshaw theoretisch ermittelten Suktas 1032, und der real existierenden Zahl, 1028, könnte genau die Zahl der Avyakta-Sukta 1032 – 1028 = 4 sein, die dem Rig Veda eine zyklische Struktur gibt.

Die drei Beobachtungen sind konsistent und  ergänzen sich:
  • Maharishi Mahesh Yogi beschreibt die transzendentale Grundlage der Avyakta-Sūkta,
  • Pandit Iyer die geometrische Manifestation dieser Ursache,
  • und R. Bradshaw deren arithmetisch-phonetische Signatur.
Gemeinsam bilden sie die Begründung dafür, dass der Ṛig Veda eine vollständig zyklische, selbstreferenzielle und harmonisch geschlossene Struktur besitzt – mit vier unmanifesten Sūkta als stillem Scharnier der Schöpfung.

Maharishi Mahesh Yogi – die Avyakta Sūkta als Nullpunkte der Schöpfung:
Maharishi führt die Idee der Avyakta Sūkta (unmanifesten Hymnen) ein, um die Punktsymmetrie der einzelnen Maṇḍalas zu vervollständigen. Jede Avyakta Sūkta steht für für jenen stillen Punkt, an dem die Schöpfung nach dem Kollaps vom vyakta (manifest) zum *avyakta* (unmanifest)  wider zum vyakta zurückkehrt..  Insgesamt ergeben sich sechs solcher „Nullpunkte“ (für die Mandalas mit ungerader Sūkta-Zahl), die sich im zyklischen Gesamtbild des Ṛg Veda zu vier reduzieren, da zwei Paare (1/10 und 5/6) denselben Nullpunkt teilen.
Ergebnis:1028 manifeste + 4 unmanifeste Sūkta = 1032 .

Pandit Parameshvara Iyer – die zyklisch-spiegelbildliche Gesamtstruktur
Iyer untermauert Maharishis Konzept geometrisch: Er zeigt, dass die zehn *Maṇḍalas* des Ṛg Veda in einer zyklischen Anordnung paarweise entgegengesetzte Drehrichtungen besitzen (ungerade Mandalas: linksdrehend, gerade Mandalas: rechtsdrehend) und dass die Gesamtstruktur entlang der Achsen der Paare (1/10, 2/9, 3/8, 4/7, 5/6) spiegelsymmetrisch ist. Damit entstehen genau vier Scharnierpunkte, an denen sich die Drehrichtung umkehrt – sie entsprechen den vier Avyakta-Sūkta Maharishis.
Interpretation: Die vier Avyakta-Sūkta sind die Nullstellen im zyklischen Phasenraum der Mandala-Symmetrie.

Robin Bradshaw – die mathematisch-phonetische Begründung
Bradshaw liefert schließlich eine mathematisch-symbolische Begründung derselben Vierzahl:
Er zeigt, dass die gesamte Struktur des Ṛig Veda aus der ersten Richa ableitbar ist, deren 24 Akṣaras (absolute Dimension) und 43 Varṇas (relative Dimension) zusammen 24 × 43 = 1032 mögliche Transformationsfelder ergeben. Da der erhaltene Ṛg Veda aber nur 1028 manifeste Sūkta enthält, ergibt sich eine Differenz von vier, die exakt den vier unmanifesten Sūkta  Maharishis und Iyers entspricht.
Interpretation: Die Differenz zwischen Theorie (1032) und empirischer Überlieferung (1028) ist kein Zufall, sondern Ausdruck der zyklischen Vollständigkeit.

Die drei Ansätze lassen sich bezüglich (1) der Ebene der Betrachtung, (2) der Forscher  und  (3) der Bedeutung der 4 Avyakta-Sūkta, einordnen:
  • (1) Bewusstseinsbezogen  | (2) Maharishi Mahesh Yogi | (3) Vier unmanifeste Umkehrpunkte, die die Rückbindung des Klanges an die Stille markieren. |
  • (1) Strukturell-geometrisch | (2) Pandit Parameshvara Iyer  | (3) Vier Symmetrieachsen, an denen die Drehrichtung der Mandalas wechselt – Nullpunkte der zyklischen Struktur. |
  • (1) Mathematisch-symbolisch | (2) Robin Bradshaw | (3) Differenz zwischen theoretischen 1032 und realen 1028 Sūkta → vier unmanifest bleibende Potenziale. 
Die Ergebnisse von Maharishi Mahesh Yogi, Pandit Parameshvara Iyer und Robin Bradshaw passen schlüssig zusammen, sofern man sie als drei aufeinander aufbauende Ebenen einer einheitlichen vedischen Systemtheorie interpretiert werden. Sie beschreiben dieselbe zugrunde liegende Idee – die Selbstkohärenz und zyklische Geschlossenheit des Ṛig Veda – aus drei unterschiedlichen Perspektiven: der bewusstseinsbezogenen (Maharishi), der strukturell-geometrischen (Iyer) und der mathematisch-symbolischen (Bradshaw).

Vier Avyakta-Sūktas - Brücke zwischen Mikro und Makro Struktur des Rig Veda

Die von Maharishi Mahesh Yogi, Pundit Iyer, und Robin Bradshaw ans Licht gebrachten Aspekte der Avyakta Sūkta vereinigen sich: im Übergang von mikroskopischer Zentralsymmetrie der Mandalas zu makroskopischer Spiegelsymmetrie des gesamten Ṛg Veda als Symmetrievermittler – Symmetrieverminderung bzw. Symmetriewiederherstellung.

Avyakta als Transitionsprinzip:
Maharishi führt die Avyakta Sūktas als jene unmanifesten Übergänge ein, die den Klangfluss (Śabda) in den Stillepunkten an den Ursprung zurückbindet. In jedem Mandala ist dieser Punkt latent vorhanden, doch manifest wird er erst dort, wo sich die Drehrichtung (bzw. der Entwicklungsfluss) umkehrt – also an der Schnittstelle zwischen Expansion und Kontraktion. Im zyklischen Ṛg Veda sind die vier Avyakta-Punkte vier neutrale reversible Zonen, in denen Symmetrieverminderungen nicht Chaos, sondern Kohärenz erzeugen. Sie sind somit keine Defekte, sondern phasenstabilisierende Übergänge zwischen lokalen und globalen Symmetrien. 
Schlüsselbegriff: Funktion der Avyakta Sūktas – Übergänge zwischen Stille und Klang; zyklische Umkehrpunkte im Schöpfungsprozess. |

Zyklische Paarstruktur und Drehsinnkompensation: Pandit Parameshvara Iyer beschreibt mathematisch-geometrisch, dass die zehn Mandalas in entgegengesetzte Drehrichtungen rotieren (ungerade: links, gerade: rechts). Die Paare (1/10, 2/9, 3/8, 4/7, 5/6) bilden dadurch eine komplementäre Spiegelordnung, deren Drehimpuls sich auf der Gesamtskala ausgleicht. Doch an vier Übergängen (zwischen den Paaren) muss der Drehsinn umkehren – dort entsteht eine kurzzeitige Asymmetrie, die als Scharnier der zyklischen Gesamtstruktur bezeichnet werden kann. Diese vier Übergänge sind genau die vier Avyakta-Punkte, an denen sich die Energie- und Informationsrichtung des Systems umkehrt. D.h.: Die Avyakta-Sūktas markieren die Phaseninversionen im zyklischen Veda – analog zu Knotenpunkten in stehenden Wellen oder zu Nullstellen symmetrischer Quantenfelder. Eine Situation analog zu den individuellen Primzahlfaktoren gerader Zahlen. 
Schlüsselbegriff: makroskopische Spiegelachse – Symmetrieachsen, an denen der Drehsinn zwischen Mandala-Paaren wechselt.

Mathematische Manifestation der Symmetrieverminderung (Differenz von Praxis und Theorie):
Zwischen Robin Bradshaws theoretischer Bestimmung der Gesamtzahl der Suktas des Rig Veda über die 24 Akṣaras und 43 Varṇas der ersten R̥ichā (24 × 43 = 1032) und der tatsächlichen Zahl der Hymnen 1028 ist ein Unterschied von vier. Diese Differenz entspricht den vier unmanifesten Avyakta-Sūktas, die nicht in der Textmanifestation erscheinen, aber notwendig sind, um das System mathematisch geschlossen zu halten. Das bedeutet: Die Differenz (Δ = 4) ist kein zufälliger Rest, sondern eine notwendige Symmetrieverminderung, die die Umwandlung von innerer (punktförmiger) zu äußerer (spiegelnder) Ordnung ermöglicht. Wie in der Physik markiert Symmetriebrechung hier nicht den Verlust, sondern den Übergang zu höherer Komplexität und Differenzierung. 
Schlüsselbegriff: arithmetische Geschlossenheit – Korrekturglieder der Gesamtstruktur (1032–1028 = 4)

Zusammengenommen markieren die vier Avyakta Sūktas den Übergangspunkt, an dem die Zentralsymmetrie der einzelnen Mandala (mikroskopisch) in eine Spiegelsymmetrie des gesamten Ṛg Veda (makroskopisch) übergeht.
  • Mikroskopisch (in jedem Mandala) gilt: Jedes Mandala des Ṛg Veda besitzt eine Zentralsymmetrie – eine innere Struktur, die um ihren Mittelpunkt (ihr „Bindu“) organisiert ist. Diese Symmetrie beschreibt den selbstbezüglichen geschlossenen Charakter jedes Einzelmandalas als Mikrokosmos.
  • Makroskopisch (im gesamten Ṛig Veda) gilt: Der vollständige Ṛig Veda zeigt eine Spiegelsymmetrie entlang der fünf Achsenpaare (1/10, 2/9, 3/8, 4/7, 5/6), wie Pandit Iyer beobachtet hat. Diese Symmetrie entsteht erst, wenn die Mandalas als Gesamtsystem zyklisch aufeinander bezogen werden.
Damit entsteht ein Spannungsfeld zwischen innerer Punkt-Symmetrie (Bindu) und äußerer Spiegelsymmetrie (Brahmanda) – zwischen mikro- und makrokosmischer Ordnung.

Die vier Avyakta Sūktas sind keine „fehlenden“ Texte, sondern dynamische Prinzipien – Sie bilden die phaseninversiven Übergänge zwischen den Mandala-Paaren, an denen die Selbstreflexion des Ṛg Veda als Ganzes sichtbar wird. Sie zeigen, dass der Veda nicht linear, sondern resonant-zyklisch organisiert ist – und dass der Übergang von mikroskopischer Zentralsymmetrie zu makroskopischer Spiegelsymmetrie durch vier bewusste Symmetriebrechungen vermittelt wird, die die Stillepunkte des Klangs markieren, an denen sich das Bewusstsein selbst erkennt.


Exkurs: 
Symmetrieverminderung im vedischen Phasenraum

Die Beobachtungen von Maharishi Mahesh Yogi, Pandit Parameshvara Iyer und Robin Bradshaw lassen sich in einer halb-formalen physikalischen Analogie deuten, die das zyklische Ordnungsprinzip des Ṛig Veda als Ausdruck einer spontanen Symmetriebrechung im „vedischen Phasenraum“ beschreibt.

Die zehn Maṇḍalas des Ṛg Veda bilden in zyklischer Anordnung ein System mit alternierendem Drehsinn: die ungeraden Maṇḍalas zeigen eine linksdrehende, die geraden eine rechtsdrehende Orientierung. Diese Konfiguration entspricht dem Ordnungszustand eines antiferromagnetischen Rings, dessen Spins si=±1  eine periodische Abfolge bilden. Der Übergang von lokaler Zentralsymmetrie innerhalb der einzelnen Maṇḍalas zu einer globalen Spiegelsymmetrie des gesamten Ṛg Veda erfordert jedoch vier Punkte diskontinuierlicher Drehumkehr – die sogenannten Avyakta Sūktas.

Analog zu Domänenwänden im zyklischen Ferromagnetismus markieren diese vier Avyakta Sūktas jene Stellen, an denen sich der Drehsinn umkehrt und die innere Kohärenz des Systems gewahrt bleibt. Ihre Existenz erklärt zugleich die Differenz zwischen der theoretisch von Bradshaw abgeleiteten Zahl von 1032 (24 Akṣaras × 43 Varṇas) und den überlieferten 1028 Sūktas. Die vier „unmanifesten“ Hymnen fungieren somit als topologische Nullpunkte, welche die zyklische Kontinuität des gesamten Ṛg Veda stabilisieren.

Im physikalischen Sinn repräsentieren sie spontane Symmetriebrechungspunkte, an denen das vedische Ordnungsfeld seine lokale Rotationssymmetrie aufgibt, um die makroskopische Ganzheit – die Einheit von Mikrostruktur und Gesamtzyklus – zu ermöglichen.

Mathematische Entsprechung:

fAvyakta: (Mn)(M11n)f_{\text{Avyakta}} :\ (\text{M}_n) \leftrightarrow (\text{M}_{11-n})

Das Avyakta fungiert als Inversionsoperator, der die lokale Zentralsymmetrie in globale Spiegelsymmetrie überführt.


Asymmetrie der vier Avyakta-Sūkta im zyklischen Rig Veda


Im zyklischen Rig Veda liegen zwei Avyakta Sukta auf der Spiegelungsachse, während die beiden anderen Avyakta-Sukta dazu verdrehte Positionen haben. Diese Tatsache kennzeichnet die kreative Dynamik des vom Rig Veda klanglich abgebildeten Bewusstseinsfeldes. Dazu geht die Zentralsymmetrie der einzelnen Mandalas in die funktionale Asymmetrie des gesamten Ṛig Veda über, die den Übergang von der mikroskopischen zur makroskopischen Ordnung kennzeichnet.
In der makroskopischen zyklischen Anordnung bilden die zehn Maṇḍalas fünf komplementäre Paare:

(1,10), (2,9), (3,8), (4,7), (5,6).

Innerhalb dieses geschlossenen Resonanzrings markieren die vier Avyakta-Sūktas Zustandsänderungen der rezitativen oder semantischen Symmetrie (makroskopische "Phasenübergänge " )

Zwei spiegelsymmetrische Nullpunkte:
Die Spiegelachse (Hauptachsen) des zyklischen Rig Veda verläuft zwischen den Mandala-Paaren (1,10) und (5,6).
  • Die das Mandala-Paar (1,10) verbindende Avyakta-Sukta charakterisiert die Hauptachse als Achse der Totalität: Agni ↔ Samiti samani = Ursprung ↔ Vollendung.
  • Das Mandala-Paar (5, 6) verbindende Avyakta-Sukta charakterisiert die Hauptachse als Achse der Selbstreflexion: inneres Gleichgewicht = Viśvāmitra ↔ Bharadvāja
Diese beiden Avyakta-Sūkta repräsentieren die kohärente Selbstbezüglichkeit des Systems – sie entsprechen im physikalischen Analogon der Nullmagnetisierung im Ferromagneten, wo der Gesamtspin zwischen zwei Domänenrichtungen umschlägt.

Zwei asymmetrische Nullpunkte:
Die beiden nicht spie­gel­-sym­me­tri­schen Avyakta-Suktas von Mandala 2 und 8 agieren wie „verdrillte“ Domänenwände, d.h. Orte, an denen sich die Richtung des Informationsflusses nicht sprunghaft, sondern torsional (drehend) ändert.

Dabei induziert die Avyakta Sukta von Mandala 2 die spontane „Verdrehung“ der rein spiegel-symmetrischen Ordnung in einen spiralförmigen Entwicklungsprozess, der mit der Avyakta Sukta von Mandala 8 endet. Die versetzten Avyakta-Punkte wirken somit als phasenverschobene Kopplungen, die eine Rekombination der Phasen bewirken.
  • Die Avyakta-Sukta von Mandala 2 charakterisiert die handlungsinduzierten Manifestationen (2 ↔ 8).
  • Die Avyakta-Sukta von Mandala 8 charakterisiert den Übergang von der Manifestation zur Vision: (8 ↔ 9)

Die Asymmetrie ist keine Störung, sondern eine funktionale Notwendigkeit als Ausdruck einer Differenzierung zwischen
statischer Symmetrieachse (Selbstbezug) und
dynamischer Achse (Evolution, Transformation).

Das ist phänomenologisch analog wie beim Ferromagnetismus mit zyklischer Kopplung an eine Torsionssymmetrie, unter der das System kohärent bleibt, aber eine bevorzugte Richtung bzgl. der zeitlichen Entfaltung erhält.

Im vedischen Phasenraum manifestiert sich das Avyakta-Prinzip als spiralige Selbstorganisation:

Zentralachse (1–10, 5–6) ⇒ Tangentiale Verdrehung (2–8, 3–9)

Das Rig Veda-System ist also kein perfekter Kreis, sondern eine dezimal modulierte Helix, deren innere Spannung (Verdrehung) erst die schöpferische Dynamik erzeugt. Die asymmetrische Verteilung der vier Avyakta-Sūkta im zyklischen Rig Veda ist somit Ausdruck einer spontanen Symmetriebrechung des Bewusstseinsfeldes:

Zwei Sūktas bilden stabile Spiegelachsen der Selbstreflexion, zwei weitere erzeugen eine subtile Drehung, die aus der Zentralsymmetrie eine entwicklungsfähige Spiegelsymmetrie macht.
Diese „Verdrehung“ (Torsion) ist die eigentliche Quelle der Zeit und der Evolution im vedischen Phasenraum – der Übergang von reiner Einheit zu zyklisch organisierter Vielheit.

Dezimale Selbstorganisation


Die Selbst-Organisation des Rig Veda durch das Avyakta-Prinzip tritt durch das Dezimalzahlen-System deutlich hervor.

Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Selbst-Organisation des Wissens im Ṛig Veda, dem Avyakta-Prinzip, wie es Maharishi Mahesh Yogi, Pandit Iyer und Robin Bradshaw auf unterschiedliche Weise beschrieben haben, und dem Dezimalsystem.

Das Avyakta-Prinzip („das Unmanifestierte“) bezeichnet im vedischen Denken jenen Zustand, in dem Potenzial und Struktur noch ununterschieden sind – das unaufgeschlüsselte Kontinuum des Bewusstseins, aus dem jede Form hervorgeht. Im Ṛg Veda zeigt sich dieses Prinzip auf besondere Weise in der Zahlensymmetrie und Selbststrukturierung der zehn Maṇḍalas, deren Organisation dem Dezimalsystem folgt.

1. Dezimale Ganzheit und Selbstreferenz
Die Einteilung des Ṛg Veda in zehn Maṇḍalas ist kein zufälliges numerisches Faktum, sondern eine bewusste symbolische Wahl: Die Zahl 10 repräsentiert die Selbst-Vervollständigung der Zählung, d.h. das Erreichen eines neuen Anfangs auf höherer Ordnungsebene (1 → 10 → 100 …). Das Dezimalsystem ist somit ein selbstreferentielles Ordnungssystem, in dem jede höhere Potenz eine Rekursion der Einheit darstellt. Die Struktur des Ṛig Veda spiegelt genau diesen Mechanismus: Jedes Maṇḍala ist ein Mikrokosmos des Ganzen, und das Ganze rekursiv in jedem Teil enthalten – eine mathematisch wie semantisch fraktale Selbstorganisation.

2. Das Avyakta als Nullpunkt der zyklischen Ordnung
Innerhalb dieses dezimalen Ordnungsrahmens fungieren die vier Avyakta Sūktas als Nullpunkte, d.h. als Orte, an denen die zyklische Transformation von einem Mandala-Paar zum nächsten umschlägt. Wie in der Mathematik die Null (0) das Bindeglied zwischen positiver und negativer Zahl ist, so verbindet das Avyakta das Manifestierte mit dem Unmanifesten. Es ist der unsichtbare symmetriebrechende Operator, der aus linearer Ordnung zyklische Ganzheit macht.
Das Avyakta ist also die Nullstelle des vedischen Phasenraums, in dem sich Polaritäten (z. B. ± Drehsinn, Manifest/Unmanifest) austauschen, ohne dass die Gesamtenergie – d.h. die Kohärenz des Ṛg Veda – verloren geht.

3. Dezimale Resonanz als Prinzip der Selbstorganisation
Im Dezimalsystem gilt:
Die Null (0) ist das Avyakta, das Nichts, das alles enthält.
Die Eins (1) ist der erste Ausdruck, die Richa One, der Keimpunkt des Manifesten.
Die Zehn (10) ist die Rückkehr der Eins in zyklischer Erweiterung – also Einheit in Vielheit.

Der Ṛg Veda organisiert sich selbst entlang dieser drei Ebenen:
Null (Avyakta) – Ursprung, Potential, stilles Feld;
Eins (Richa 1) – erste Manifestation der Struktur;
Zehn (Gesamtheit) – vollständiger Zyklus aller Ausdrucksformen.

Die vier Avyakta Sūktas markieren im dezimalen Zyklus jene „Null-Übergänge“, an denen die Struktur sich neu ausrichtet – ähnlich wie im Dezimalsystem jedes Mal, wenn eine Stelle „überläuft“, eine neue Ordnungsebene beginnt (9 → 10, 99 → 100).

Die Selbstorganisation des Ṛg Veda folgt somit einem resonanten, dezimalen Selbstbezugssystem, in dem das Avyakta als Nullpunkt der schöpferischen Dynamik fungiert.

So wie die Null im Dezimalsystem unsichtbar, aber unabdingbar ist, so ist das Avyakta der unsichtbare Taktgeber der vedischen Sprache. Es ermöglicht, dass das Ganze in jedem Teil enthalten ist – und dass die zyklische Struktur des Ṛig Veda sich selbst erhält, indem sie sich an vier Punkten symmetriebrechend neu organisiert.



Kulturtragendes und Resilienz förderndes Potenzial der Dezimalzahlen


Das Potenzial der Dezimalzahlen liegt nicht nur in ihrer Verwendung zum Rechnen, sondern auch in ihrer strukturellen Verwandtschaft mit grundlegenden Mustern menschlicher Wahrnehmung, sozialer Organisation und krisenfester Systemgestaltung. Die Nutzung dieses Potenzials wird möglich durch die Erweiterung der modernen Wissenschaft und Technik mittels der seit Urzeiten bewährten lebensrelevanten Erkenntnisse der Wissenskultur des alten Indiens, insbesondere durch  Meditation und Yoga.

Es  ist allgemein bekannt, dass das für das Entstehen der modernen wissenschaftlich-technisch-ökonomischen Zivilisation wichtige Zahlensystem aus der vedischen Kultur stammt. In der vedischen Zeit war das Dezimalsystem Teil der kollektiv-kohärenten Überstruktur, die für Ordnung, Wandel und Widerstandsfähigkeit und  die Bewahrung kultureller Integrität und  Krisenbewältigung verantwortlich war.

Das kulturtragende und resilienzfördernde Potenzial, das Dezimalzahlen beruht auf der Weisheit des Stellenwertsystems – die Balance zwischen Stabilität (durch die Stellen) und Transformation (durch den Überlauf/Kollaps). In das persönliche, gemeinschaftliche und institutionelle Handeln integriert, fördert das eine Kultur, die lernt, wächst und in der Krise nicht bricht, sondern sich ständig neu organisiert. 

Wirksam wird dieses Potenzial jedoch nicht durch mechanisches Rechnen, sondern durch das Anwenden der zugrundeliegenden bewusstseinsbildenden Prinzipien,  wie die Rolle der Null, die Bedeutung der Stellenwerte und die Anwendung der Kollaps-Intervall-Dynamik.

Strukturen nach dem Dezimalprinzip zu analysieren und zu etablieren, heißt, zu wissen
  • Was ist "Eins"? (Unsere kleinste, handlungsfähige Einheit.)
  • Was ist "Null"? (Unsere gemeinsame Basis, unsere Werte.)
  • Was sind "Stellenwerte"? (Modulare, redundante Subsysteme.)
  • Welche "Überlauf-Regeln" haben wir? (Welche Krisen führen nicht zum Kollaps, sondern zu einer Reorganisation auf einer höheren Ebene?)
D. h., der Übergang von 9 zu 10 ist kein bloßer Wechsel, sondern ein Modell für qualitative Sprünge – sei es in der persönlichen Entwicklung (Lernprozesse), in der Technik (Paradigmenwechsel) oder in der Gesellschaft (Revolutionen, Innovationen). "Überlauf" ist kein Scheitern, sondern Chance für einen Neuanfang auf einer anderen Ebene (analog zu 9 → 10). Große Projekte (die "10⁶") werden in handhabbare, modulare Einheiten (10³, 10², 10¹, 10⁰) heruntergebrochen (Dezimalprinzip der Skalierung).
Die Prinzipien der Dezimalstruktur (Modularität, Skalierung, Zentrum/Peripherie durch 0 und 1) können in Architektur und Design genutzt werden, um Räume zu schaffen, die sowohl Ordnung als auch Flexibilität ausstrahlen und damit kulturtragend wirken.

Das Potenzial der Dezimalzahlen ist

1. Kulturtragend durch universelle Verständigung

Gemeinsame Abstraktionsebene: Das Dezimalsystem bietet eine sprach- und kulturübergreifende Grammatik für Quantität und Relation. Handel, Wissenschaft und Diplomatie können auf dieser neutralen Basis stattfinden.
Demokratisierung des Wissens: Durch seine systematische, auf 0 und 1 aufgebaute Struktur ist es prinzipiell für jeden erlernbar. Es durchbricht elitäres Wissen und befähigt zur Teilhabe.
Vermittlung von Grundprinzipien: Es lehrt implizit die Konzepte von Bezugspunkt (0), Maßstab (1), Fairness (Gleichheit der Stellenwerte) und Systemgrenzen (Überlauf) – allesamt fundamentale kulturelle Werte.

2. Krisenfest durch strukturelle Resilienz

Modularität und Redundanz: Das Stellenwertsystem ist modular aufgebaut. Der Ausfall oder Fehler in einer Stelle (z. B. der Zehner) gefährdet nicht das gesamte System, sondern lässt sich isoliert korrigieren. Dies ist ein Grundmuster resilienter Systeme.
Skalierbarkeit und Anpassungsfähigkeit: Das System kann nahtlos winzigste (10⁻ⁿ) und riesigste (10⁺ⁿ) Größen erfassen. Diese Skalierungsinvarianz erlaubt es, sowohl mit alltäglichen als auch mit außergewöhnlichen, disruptiven Ereignissen (Naturkatastrophen, Hyperinflation) umzugehen.
Fehlertoleranz durch Kollaps-Prinzip: Der "Überlauf" ist ein institutionalisierter, systemimmanenter Mechanismus zur Krisenbewältigung. Wenn eine Ebene (z.B. die Einer) überlastet ist, wird die Krise nicht verleugnet, sondern in einen konstruktiven Sprung in eine neue, höhere Organisationsebene (Zehner) transformiert. Dies ist die Arithmetik der Adaption und Transformation statt des Zusammenbruchs.
 





Wird fortgesetzt